Richard Wagner aus Magdeburg an Minna Planer, zeitweilig in Berlin, Brief vom 9. November 1835.
Minna, Minna, was ist das! Dieß mein sechster Brief, u. vergebens habe ich noch auf einen zweiten von Dir gewartet; hältst Du meine Briefe u. ihren Inhalt keiner Antwort werth, – oder zögerst Du noch, mir die rechte Antwort zu ertheilen? Bei Gott, wenn ich nicht weit größere Sorgen um Dich hätte, ich würde eifersüchtig sein, u. glauben, daß Dich Otterstedt[1] daran verhindert! – Nein, ich stehe jetzt mit Dir im Brautstand, u. da ist wol eine Untreue unmöglich, auch geziemt es sich, daß ich darin festes Vertrauen zu Dir hege. – Aber warum schreibst Du nicht? – Ich fordere einen jeden Tag einen Brief von Dir,[2] u. will vom Tage an, wo Du diese Forderung gelesen hast, jeden Tag, der mir keinen Brief von Dir bringt, als eine Untreue ansehen. – O meine Minna, so versuchest Du noch mein Leiden? Ist denn unsre Trennung nicht Strafe genug, für das, was ich Deiner Meinung nach gegen Dich gefehlt habe; mußt Du mich auch noch damit kränken?
Ich kann so viele Punkte gar nicht gegen Dich jetzt erwähnen, da ich noch nicht weiß, auf welchen Standpunkt Du Dich jetzt gestellt hast; – nur das sei Dir noch einmal mit Flammenworten zugesandt: verlaß mich nicht, u. entwürdige mich nicht so tief, daß Du all meinen Jammer, mein Flehn, meine Vorstellungen, meine Anerbieten unbeachtet läßt. Du würdest dadurch mich in meiner eigenen Achtung erniedrigen, wenn Du so meine heiligsten Gefühle, meine männlichsten Entschlüsse als eine Bagatelle übergiengst, u. auf Deinem einseitig gefaßten Vorsatze stehen bliebst. Nein, das kann nicht sein! – Dieß sind u. bleiben meine ersten u. letzten Worte, meine liebe Braut, – Du wirst entweder nur andere oder gar keine mehr von mir hören. –
Ich grüße und küsse Dich
Dein
Richard.
[1] Otterstedt, Alexander von, Liebhaber Minna Planers in Bad Lauchstädt, der sie auch porträtierte.
[2] Eine schönere Variante der „ewigen Treue“ hat mir der Dirigent Herbert Blomstedt in einem Interview erzählt. Da er in seiner langen Laufbahn sehr häufig von seiner in Schweden lebenden Familie getrennt war, schrieb er, egal, wo er gerade war, seiner Frau jeden Tag eine Postkarte. Als sie gestorben ist, hat Blomstedt dieses Ritual noch ein ganzes Jahr weiter gepflegt.
Quellen: Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe; Sämtliche Briefe, Bd. 1, 1967; Das Wagner-Lexikon, 2012; https://de.wikipedia.org/
Ähnliche Beiträge
- Minna-Briefe-Kalender (11) 11. Dezember 2022
- Minna-Briefe-Kalender (3) 3. Dezember 2022
- Minna-Briefe-Kalender (8) 8. Dezember 2022
- Minna-Briefe-Kalender (19) 19. Dezember 2022
- Minna-Briefe-Kalender (18) 18. Dezember 2022