Minna-Briefe-Kalender (19)

Den Brief an Min­na Pla­ner vom 23. Mai aus Ber­lin hat Ri­chard Wag­ner erst am 27. Mai nach Kö­nigs­berg ab­ge­schickt, mit täg­li­chen Up­dates. Hier also Fort­set­zung Nr. 1.

Den 24sten Mai.
Je­den Mor­gen wer­de ich Dir et­was schrei­ben, mein En­gel, so daß Du ein völ­li­ges Ta­ge­buch von mir ha­ben sollst. Nie hat­te ich ei­nen so un­ru­hi­gen Schlaf als jetzt; es pei­nigt mich früh aus dem Bett her­aus, das mich in sei­ner Ein­sam­keit nie mehr er­qui­cken kann. Ich kann sa­gen, ich träu­me nur von Dir, aber im­mer be­ängs­ti­gen­de Träu­me. Wie wird es wer­den? Mit Cerf[1] ste­he ich auf dem bes­ten Fuß der Welt; er hält sehr viel von mir, u. hat ges­tern im Kron­prin­zen laut da­von ge­spro­chen, daß Glä­ser[2] bald ver­rei­sen wür­de, u. ich, so lan­ge er weg­blie­be, sei­ne Stel­le ein­neh­men u. mei­ne Oper auf­füh­ren soll­te. Die Oper ist mir na­tür­lich die Haupt­sa­che, denn auf ein län­ge­res En­ga­ge­ment kann es hier un­mög­lich ab­ge­se­hen wer­den. Mei­ne Hoff­nung u. mein Zweck ist höchs­tens das, daß ich, falls ich mein En­ga­ge­ment in Kö­nigs­berg nicht so­gleich an­tre­ten kann, un­ge­fähr 6 Wo­chen oder 2 Mo­na­te hier in Gläser’s Stel­le, was mir doch ge­wiß viel Ehre u. Ruf ma­chen wird; wäh­rend die­ser Zeit füh­re ich nun hier mei­ne Oper auf u. sind dann die Leu­te, wie ich hof­fe, recht mit mir zu­frie­den, – wo­für mei­ne schrift­stel­le­ri­schen Be­kann­ten schon sor­gen wer­den, – so schlie­ße ich, eh’ ich hier fort­ge­he, mit Cerf ei­nen Con­trakt von künf­ti­gem Jah­re an ab, – denn da ist Kugler’s[3] Con­trakt um; ver­steht sich aber, daß ich mir dann mehr Ge­walt als Kug­ler ge­ben las­sen wer­de, so daß ich mit Glä­ser al­ter­ni­re, u. auch eine be­deu­ten­de­re Gage als je­ner, be­kom­me. Dem­nach wür­de ich Ende Som­mers nach Kö­nigs­berg kom­men, u. Dich schnell hei­ra­then[4], u. dann in ei­nem Jah­re mit Dir nach Ber­lin zu­rück­keh­ren, wo Du dann al­len­falls auch gar nicht beim Thea­ter zu sein brauchst, denn bis da­hin, den­ke ich, sol­len mir auch mei­ne Kom­po­si­tio­nen et­was ein­brin­gen. Das ist nun Al­les recht gut, – u. bes­ser als ich mir er­war­tet habe. – Das Liebs­te aber wäre mir doch, wenn ich gleich nach Kö­nigs­berg kom­men könn­te; Ber­lin läuft mir doch nicht fort, u. in Kö­nigs­berg weiß ich je­man­den, der mir lie­ber ist als Ber­lin u. die gan­ze Welt, u. das bist Du, mein Ein­zi­ges, mein Al­les. Ber­lin ist mir we­ni­ger wich­tig für die Ge­gen­wart, als für die Zu­kunft. – Ach, mei­ne Min­na, – dürf­te ich Dich denn auch so­lan­ge al­lein las­sen, könn­te ich es denn auch? – Du weißt, wie un­ent­behr­lich Du mir bist, – Du weißt, was ich ohne Dich bin, – ein trost­lo­ser, ver­las­se­ner u. un­glück­li­cher Mensch, dem Athem, Luft u. Al­les fehlt,[5] wenn Du ihm fehlst. Und das ist kei­ne hole Re­dens­art, – das weißt Du wohl, wie wahr, wie na­tür­lich das ist! – O mei­ne Min­na, mei­ne Min­na! Bist Du jetzt froh, oder lei­dest auch Du? –
(Fort­set­zung folgt)

[1] Cerf (ei­gent­lich Hirsch), Karl Fried­rich (1782–1845), zu­nächst Pfer­de­händ­ler, dann Kriegs­kom­mis­sar und schließ­lich Thea­ter­di­rek­tor und Mit­be­grün­der des von ihm ge­lei­te­ten Kö­nig­städ­ter Thea­ters Berlin.
[2] Glae­ser, Franz (1798–1861), böh­mi­scher Kom­po­nist und Di­ri­gent, von 1830 bis 1842 Ka­pell­meis­ter am Kö­nig­städ­ter Theater.
[3] Kug­ler, Vin­cenz, deut­scher Ka­pell­meis­ter und Kom­po­nist, 1833 bis 47 Mu­sik­di­rek­tor am Kö­nig­städ­ti­schen Thea­ter Ber­lin, für das er vie­le Mu­si­ken zu Sing­spie­len, Me­lo­dra­men und Lo­kal­pos­sen schrieb, dar­un­ter „Das Kö­nig­reich der Weiber“.
[4] Das mit dem Hei­ra­ten soll­te erst ein hal­bes Jahr spä­ter in Kö­nigs­berg klappen.
[5] Hier klingt das eher nach Wil­helm Ri­chard ELSA Wag­ner. Und ISOL­DEN ist auch nicht mehr weit.

Quel­len: Di­gi­ta­le Bi­blio­thek Band 107: Ri­chard Wag­ner: Wer­ke, Schrif­ten und Brie­fe; Ri­chard Wag­ner: Sämt­li­che Brie­fe, Bd. 1, 1967; https://​de​.wi​ki​pe​dia​.org/

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