Minna-Briefe-Kalender (20)

Fort­set­zung Nr. 2 (vom 25. Mai) für den Brief an Min­na Pla­ner, den Wag­ner am 23. Mai in Ber­lin be­gon­nen und erst am 27. Mai nach Kö­nigs­berg ab­ge­schickt hat.

Den 25sten.
Von nun an er­war­te ich täg­lich ei­nen Brief von Dir; o, das ist eine pein­li­che Zeit! Kannst Du es wol glau­ben, daß das gan­ze gro­ße Ber­lin für mich zu wei­ter nichts da ist, als in Al­lem nur eine Er­in­ne­rung an Dich zu füh­len. Was ist doch im Gan­zen die­ser Schwa­be[1] für ein un­be­deu­ten­der Mensch, u. doch bin ich viel mit ihm zu­sam­men, weil er uns­re Lie­be kennt, u. weil ich im­mer mit ihm von Dir re­den kann. Ges­tern fuhr ich mit ihm, Dedel[2] u. ei­nem Kö­nigs­ber­ger nach Char­lot­ten­burg; es war un­ter uns un­aus­ge­setzt nur von Dir die Rede; es wur­de mir auch ge­sagt, daß Hr. Hübsch[3], ein sehr hüb­scher Mann, jun­ger Mann sein sol­le, u. man woll­te mich nun durch­aus ei­fer­süch­tig ma­chen; – dies­mal ge­lang es ih­nen aber nicht, denn ich weiß wol, daß, wenn­gleich Du auch Dein Bild Hr. v. Bar­by[4] über­las­sen hast, was Du mir doch durch­aus läug­nen woll­test, – eine völ­li­ge Un­treue Dir jetzt je­doch un­mög­lich sein dürf­te, weil ich Dich ken­ne, daß Du mir herz­lich gut bist. – Das Ver­hält­nis u. Le­ben in Kö­nigs­berg ist mir von meh­re­ren dor­ti­gen durch­aus nicht so un­an­ge­nehm ge­schil­dert wor­den, im Ge­gen­t­heil weiß ich ganz be­stimmt, daß es mir dort mit Dir ver­eint, wie über­all, recht gut ge­fal­len wür­de. Von Wohl­brück[5] aus Riga habe ich er­fah­ren, daß L. Schu­bert[6], euer Mu­sik­di­rek­tor, je­den­falls zum Herbst nach Riga geht, u. ich dem­nach, wenn nicht frü­her, doch dann ge­wiß zu Dir kom­men könn­te. Aber bis da­hin noch von Dir ge­trennt zu sein, hal­te ich nicht aus. – Thue al­les mög­li­che, um mich bald zu Dir zu brin­gen, ich trag’ es sonst nicht. Wie ge­sagt, Ber­lin läuft mir nicht da­von, – Cerf[7] wird mei­ne Oper am Ende auch ohne mich ge­ben, und ei­nen Con­trakt vom künf­ti­gen Jah­re an will ich schon her­aus­krie­gen. Es hat mir aber Je­mand ge­sagt, wir wür­den uns in Kö­nigs­berg so ge­fal­len, daß wir nicht so bald fort­ge­hen wür­den. Nun, Schwa­be hat mir schon den schöns­ten, schwers­ten wei­ßen At­las für Dein Braut­kleid zu­rück­ge­legt; – das bring’ ich Dir mit. – Min­na, Min­na, mein En­gel, nur bald, bald. Ich ver­ge­he vor Sehnsucht! –
(Fort­set­zung folgt)

[1] Schwa­be, Lou­is, der Min­na ver­eh­ren­de Wag­ner-Nach­bar aus Mag­de­burg, war wohl ein wohl­be­stell­ter und wohl­mei­nen­der Stoff­händ­ler, wie am Ende des Briefs zu er­fah­ren ist.
[2] Dedel bzw. De­dal, nicht nä­her be­kann­te Be­kannt­schaft Wag­ners in Berlin.
[3] Hübsch, An­ton, Schau­spie­ler und 1836/37 Thea­ter­di­rek­tor in Königsberg.
[4] von Bar­by, ers­te Er­wäh­nung hier; laut Min­na-Bio­gra­fin Si­byl­le Zehle kä­men die Söh­ne des Kö­nig­lich-Preu­ßi­schen Ritt­meis­ters Fried­rich Au­gust Karl von Bar­by in Fra­ge, und zwar der spä­te­re Ge­ne­ral­ma­jor Fried­rich von Bar­by (zum ge­ge­be­nen Zeit­punkt 34 Jah­re alt), der spä­te­re preu­ßi­sche Leut­nant Eu­gen von Bar­by (29) und der noch jun­ge Re­gie­rungs­as­ses­sor Gus­tav von Bar­by (24). Die Mag­de­bur­ger Hei­mat­for­scher As­trid Eber­lein und Wolf Ho­bohm hal­ten ne­ben letz­te­rem auch ei­nen vor­na­men­lo­sen Ober­lan­des­ge­richts­aus­kult­a­tor von Bar­by, der 1834 im Haus Brei­ter Weg 189 wohn­te und spä­ter zum Re­fe­ren­dar auf­stieg, für den er­wähn­ten Min­na-Be­wun­de­rer. Und sie schrei­ben: „Vie­les deu­tet dar­auf hin, dass Min­na bis zu­letzt (in Kö­nigs­berg) ei­nen lu­kra­ti­ve­ren Part­ner zu fin­den such­te als den er­folg­lo­sen, ver­schul­de­ten, in Ver­spre­chun­gen gro­ßen Ka­pell­meis­ter und Kom­po­nis­ten Wag­ner. Doch alle Ver­su­che schlu­gen fehl. Er­zähl­te die ehr­li­che Min­na zu früh von ih­rem ‚Fehl­tritt‘, der Toch­ter Na­tha­lie? Wag­ner hat­te die­se Toch­ter al­ler­dings längst ak­zep­tiert. Min­na er­gab sich erst in ihr Schick­sal, als er wie­der eine Stel­le er­hielt – in Riga – und sie dann ein Kind von ihm er­war­te­te. An­de­rer­seits be­durf­te Ri­chard im­mer thea­tra­lisch ab­ge­fass­ter ‚Bitt­brie­fe‘ und lau­ter, be­lei­di­gen­der Ei­fer­suchts- und Vor­wurfs­sze­nen als ihm ge­mä­ße, auf sein Do­mi­nie­ren ab­zie­len­de Lebensäußerungen.“
[5] Wohl­brück, Wil­helm Au­gust (1795–1848), Schau­spie­ler, Li­bret­tist und Schwa­ger von Hein­rich Marsch­ner, für des­sen Opern „Der Vam­pyr“ und „Der Temp­ler und die Jü­din“ er die Text­bü­cher schrieb.
[6] Schu­bert, Lou­is (1806–1850), Di­ri­gent am Kö­nigs­ber­ger Thea­ter 1836/37.
[7] Cerf, der Di­rek­tor Kö­nig­städ­ter Thea­ters Ber­lin, mit dem Wag­ner an­geb­lich „auf dem bes­ten Fuß der Welt steht“, wird „Das Lie­bes­ver­bot“ we­der mit noch ohne ihn geben.

Quel­len: Di­gi­ta­le Bi­blio­thek Band 107: Ri­chard Wag­ner: Wer­ke, Schrif­ten und Brie­fe; Ri­chard Wag­ner: Sämt­li­che Brie­fe, Bd. 1, 1967; Si­byl­le Zehle: Min­na Wag­ner. Eine Spu­ren­su­che, Ham­burg 2004. As­trid Eberlein/​Wolf Ho­bohm: Wie wird man ein Ge­nie? Ri­chard Wag­ner und Mag­de­burg, 2010.

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