Fortsetzung Nr. 3 (vom 26. Mai) für den Brief an Minna Planer, den Wagner am 23. Mai in Berlin begonnen und erst am 27. Mai nach Königsberg abgeschickt hat.
Den 26sten schreibe ich nun schon, u. ich habe noch keinen Brief von Dir; Du wirst meinen ersten Brief nun schon lange empfangen haben. Ach Minna, meine Unruhe wird nun schon peinlich; – es ist mir jetzt nicht nur schon alles andere gleichgültig, sondern es ekelt mich schon alles jetzt an. Nein, Minna, Du kannst die Gewalt meiner Liebe kaum ermessen; vereint mit Dir muß ich sein, oder ich bin für Alles todt; ich habe für nichts Sinn, für nichts Lust, nichts hat Bedeutung für mich. Ich bin jung, aber schon hat das Leben kein Interesse mehr für mich allein. Wenn mir irgend etwas glückt, wie jetzt meine Unterhandlungen mit CERF[1], so freut mich das nur insofern, weil ich darin einen Schritt zu unsrem gemeinschaftlichen Glück erblicke. Ich weiß doch nun, daß meine Oper hier aufgeführt wird, u. das ist doch schon viel werth. Wenn wir nun auch weit fortgehen, so habe ich nun doch hier etwas hinterlassen, was uns wieder die Rückkehr erleichtert. Gefällt nun hier die Oper, wofür mir nicht bange ist, welch einen Schritt habe ich dann vorwärts gethan! Denn das bleibt dann der Welt nicht verschwiegen; ich gebe dann hier meine Oper in Commission, lasse sie in die Zeitungen setzen, u. den Direktionen anbieten, gewinne Ruf u. Geld, u. Du hast einen tüchtigen Mann. Auf jeden Fall bleibt mir dann auch von künftigem Jahre an ein Engagement hier gewiß, u. unter solchen Aussichten kann ich Dich nun gewiß mit gutem Gewissen heirathen, denn ich habe nun auch etwas für unsre Zukunft gethan. Um die nächste Zukunft mußt indessen Du noch Sorge tragen, denn, wenn ich nicht spätestens in 14 Tagen bei Dir sein kann, so komme ich zu Fuße hin u. bettle mich zu Dir. – Du mußt mich dann aufnehmen u. pflegen, mich armen Sünder, denn länger halte ich es nicht mehr ohne Dich aus, u. Berlin ist mir gesichert u. läuft mir nicht davon. Schreiben, Schreiben, – hörst Du? Recht viel, recht Gutes, Alles schreiben, mein süßer Engel, u. Dich nicht vor mir verbergen! Sieh Minna, ist das nicht recht abscheulich, daß ich heute noch nicht erfahren kann, wo Du hier abgestiegen bist? Ich bin nun erst Mittwoch früh hier angekommen, – wäre ich aber meiner Abrede gemäß schon Dienstag früh hier angekommen, so wärst Du noch hier gewesen, u. ich hätte nicht gewußt, wo, u. hätte Dich nicht noch einmal sehen können. Ist das Dein Wille gewesen, Du Abscheuliche? Sag’ mir! O Du begehst mitunter so eigenthümliche Handlungen, daß ich oft nicht recht weiß, was ich davon denken soll! – Das solltest Du denn doch vermeiden, – Du weißt, wie empfindlich ich bin. Geh – Du, Du abscheuliches – – liebes, gutes, süßes Mädchen! – Aber nun, – schreib’ bald, u. laß mich nicht länger hier zittern u. zagen!
(Fortsetzung folgt)
[1] Mitnichten lässt sich der hier in Großbuchstaben geschriebene Berliner Theaterdirektor erweichen, Wagners hochfliegende Pläne in irgendeiner Weise zu bedienen.
Quellen: Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe; Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Bd. 1, 1967.
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