Nur musikalisch ein Genuss

Man­dry­ka (Tho­mas J. May­er) macht sich auf dem Fia­ker­ball frus­triert über die Fia­ker­mil­li (Eir In­derhaug) her. Im Hin­ter­grund auf der Trep­pe geht’s in Zeit­lu­pe rund. Foto: Wil­fried Hösl

Die Fra­ge, was ein Re­gis­seur sich bei sei­nem Kon­zept ge­dacht hat, wird heut­zu­ta­ge lei­der ger­ne im Pro­gramm­heft be­ant­wor­tet – und nicht auf der Büh­ne. Ein sol­cher Fall ist die neue Münch­ner „Ara­bel­la“, für die Film­re­gis­seur An­dre­as Dre­sen im Na­tio­nal­thea­ter auch bei der be­such­ten zwei­ten Vor­stel­lung kein ein­zi­ges Buh kas­sie­ren muss­te. Nur war­um fand das Pu­bli­kum die nichts­sa­gen­de Neu­in­sze­nie­rung gut? Weil sie nie­man­den provozierte?

Um es vor­weg zu neh­men: Mu­si­ka­lisch ist die Pro­duk­ti­on hoch­ka­rä­tig. Zum ei­nen, weil die Baye­ri­sche Staats­oper wie­der­um eine erst­klas­si­ge Sän­ger­rie­ge um die her­aus­ra­gen­den Haupt­so­lis­ten Anja Har­te­ros (Ara­bel­la), Tho­mas J. May­er (Man­dry­ka) und Han­na-Eli­sa­beth Mül­ler (Zden­ka) auf­ge­stellt hat. Zum an­de­ren, weil Di­ri­gent Phil­ip­pe Jor­dan die­se Kon­ver­sa­ti­ons­oper von Ri­chard Strauss so sän­ger­freund­lich, trans­pa­rent und nur, wo nö­tig, auch klang­mäch­tig aus­lo­tet, dass selbst Schwie­ri­ges plötz­lich leicht und selbst­ver­ständ­lich erscheint.

Was im Gra­ben mit dem Baye­ri­schen Staats­or­ches­ter und in der Ko­or­di­na­ti­on mit den So­lis­ten­stim­men vor­züg­lich ge­lingt, fin­det in der Sze­ne kein Pen­dant. Schon die Aus­stat­tung ist eher eine Hy­po­thek denn hilf­reich. Weil Re­gis­seur An­dre­as Dre­sen und sein Team die um 1860 in Wien spie­len­de Oper in ihre Ent­ste­hungs­zeit ver­legt ha­ben, zi­tiert Ma­thi­as Fi­scher-Die­skau (der äl­tes­te Sohn des welt­be­rühm­ten Sän­gers) in sei­nem dreh­ba­ren Trep­pen­büh­nen­bild ex­pres­sio­nis­ti­sche Filmarchitektur.

Das wirkt höchs­tens auf den ers­ten Blick, schluckt zu­dem viel von den Stim­men weg und bleibt be­lie­big, was sich vor al­lem bei der of­fe­nen Ver­wand­lung im Vor­spiel zum 3. Akt of­fen­bart: Sie ist mit­nich­ten spek­ta­ku­lär, son­dern nur nichts­sa­gend, in­halts­los – viel Lärm um Nichts. Das Zu­viel an Schwarz und et­was Weiß wol­len die Kos­tü­me von Frau­ke Mey­er kom­pen­sie­ren, die zu­neh­mend die Far­be Rot ins Spiel brin­gen – eine äs­the­ti­sche Lö­sung, die lei­der ge­nau­so be­müht und leer ist wie das auf­fal­lend schlecht be­leuch­te­te Bühnenbild.

Die ge­woll­te Abs­trak­ti­on der Aus­stat­tung ist ei­gent­lich ein Miss­ver­ständ­nis, denn sie drückt der ly­ri­schen Ko­mö­die, wie der Kom­po­nist sei­ne „Ara­bel­la“ im Li­bret­to von Hugo von Hof­manns­thal zu Recht be­zeich­net hat, äs­the­tisch eher ei­nen tra­gö­di­schen Stem­pel auf. Na­tür­lich ste­hen die Fi­gu­ren der Hand­lung alle mehr oder we­ni­ger am Ab­grund und re­agie­ren stän­dig, an­statt zu agie­ren. Aber das än­dert nichts am mu­si­ka­li­schen Grund­cha­rak­ter der Oper, die sich Leich­tig­keit, Es­prit, Gla­mour, et­was Iro­nie und volks­tüm­li­che Farb­tup­fer auf die Fah­nen ge­schrie­ben hat.

Zwar fin­det, viel­fach an der Ram­pe, durch­aus Per­so­nen­re­gie statt. Aber es ist eher eine künst­li­che, ge­küns­tel­te Le­ben­dig­keit, die die Fi­gu­ren er­füllt. Wenn sich beim Fia­ker­ball Sta­tis­ten auf der Trep­pe ent­blö­ßen und in Zeit­lu­pe so tun, als wür­den sie ko­pu­lie­ren, fragt man sich stau­nend, was das soll. Noch merk­wür­di­ger er­schei­nen ein paar Fa­schis­ten in Uni­form, die wie die als Do­mi­na in schwar­zem Le­der mit Peit­sche aus­staf­fier­te Fia­ker­mil­li ein Film­zi­tat sind. Soll­te das Kri­tik an der po­li­ti­schen Hal­tung von Strauss sein, wie sie das Pro­gramm­heft dokumentiert?

Erst un­mit­tel­bar im Schluss leuch­tet eine Re­gie­idee auf, die durch­aus Sub­stanz hät­te. Wenn die hö­he­re Toch­ter Ara­bel­la nach all den Ir­run­gen und Wir­run­gen den rich­ti­gen Mann ge­fun­den hat – so­wohl für die Ret­tung der ver­arm­ten Fa­mi­lie als auch für sich selbst –, kre­denzt sie ihm nicht brav, wie es der Brauch beim Bräu­ti­gam will, ein Glas Do­nau­was­ser, son­dern schüt­tet es ihm ins Ge­sicht. Nur scha­de, dass die­ser ein­leuch­ten­de Ge­dan­ke erst ganz am Ende und sze­nisch un­vor­be­rei­tet kommt. Denn die Ti­tel­fi­gur bleibt, auch wenn Anja Har­te­ros ihr nicht nur stimm­lich di­ven­haf­ten Glanz gibt, den gan­zen Abend lang eher ei­nem rück­stän­di­gen Frau­en­bild verhaftet.

Fast möch­te man Pe­ter Thei­ler, In­ten­dant am Staats­thea­ter Nürn­berg, be­schwö­ren, die „Arabella“-Inszenierung von An­dre­as Baes­ler aus dem Jahr 2014 wie­der auf­zu­neh­men. Die spielt auch in den Zwan­zi­ger Jah­ren, macht aber sze­nisch so viel Spaß und Sinn, ohne den Hin­ter­sinn aus­zu­blen­den, dass man ver­steht, war­um man die­ses 1933 ur­auf­ge­führ­te Strauss’sche Spät­werk noch spie­len sollte.

Pre­mie­re am 6. Juli, be­such­te zwei­te Vor­stel­lung am 11. Juli 2015, wei­te­re Auf­füh­run­gen wäh­rend der Münch­ner Opern­fest­spie­le am 14. und 17. Juli so­wie im Ja­nu­ar 2016. Kar­ten gibt es te­le­fo­nisch un­ter 089/2185-1920 so­wie on­line auf der Home­page der Baye­ri­schen Staats­oper un­ter www​.staats​oper​.de.