Ein aktueller Bericht von unserem Vorstandsmitglied Dr. Jürgen Gröbel, den Sie sonst als unseren Reiseorganisator kennen.
Nach 30 Jahren als Chirurg am Klinikum Nürnberg und seit einigen Jahren im Ruhestand, helfe ich seit dem 29. Dezember im Corona-Impfteam des Klinikums. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Anlieferung läuft das Impfprogramm, trotz komplizierter Aufbereitung des Impfstoffes, doch reibungslos. Jedoch steht der Impfstoff nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung. Deswegen wird jetzt zunächst das Personal der Intensiv- und Corona-Stationen geimpft.
Dabei traf ich viele Kollegen, die mir die Situation auf den Corona-Stationen schilderten. Jeder steht dort unter einer enormen psychischen und körperlichen Belastung, die Außenstehende kaum nachvollziehen können.
Die jetzige Situation übertrifft alles bisher Dagewesene und nimmt Ausmaße an, die weder durch das Fachwissen des Personals auf den Intensivstationen noch durch die hochtechnisierte Apparatemedizin beherrscht werden kann. Die Krankheitsverläufe sind unkalkulierbar und enden trotz enormen Einsatzes fast immer letal. Dies frustriert das Personal, der Krankenstand – auch durch Corona-Infektionen – ist hoch.
Kein Grund zur Panik?? Diese Schilderungen haben mich wirklich erschüttert. Die Pandemie wird uns noch lange begleiten, unsere Freiheiten beschränken und viele Opfer fordern. Es wird dauern, bis wieder „ein normales Leben“ möglich ist. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Als Mediziner neige ich, nach Jahrzehnten in der Chirurgie eines Großklinikums, nicht zu panischen Reaktionen. Jetzt jedoch machen mir die Ignoranz und Gleichgültigkeit mancher Mitbürger Angst.
Wer glaubt, seine Freiheitsrechte verteidigen zu müssen und die aufgestellten Regeln zur Pandemiebekämpfung in Frage stellt oder umgeht, hat den Begriff „Freiheit“ nicht verstanden. Nicht nur, dass das Virus jeden treffen und töten kann, auch die Behandlung jeder anderen schweren Erkrankung die intensivmedizinische Behandlung erfordert, ist dadurch beeinträchtigt. Sind die Kapazitäten der Intensivstationen erschöpft, ist eine adäquate Versorgung nicht mehr möglich; bald haben wir diese Situation.
Gemeinsinn und Solidarität sind gefragt, auch mit den Menschen, die in den Krankenhäusern jeden Tag um das Leben der Infizierten kämpfen und dabei riskieren, selbst zu erkranken. Jeder muss durch sein Verhalten mithelfen, die Krise zu bewältigen.
Deswegen: lassen Sie sich impfen, sobald Sie an der Reihe sind!
Und denken Sie daran: auch Polio und Pocken wären ohne konsequente Impfungen nicht verschwunden.
Dr. Jürgen Gröbel, Facharzt für Chirurgie und spezielle Visceralchirurgie
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