Richard Wagner an die in Berlin weilende Minna Planer, geschrieben am 6. November 1835 in Magdeburg.
Meine liebe, süsse Braut,
So grüße ich Dich! Und es soll kein Morgen vorübergehen, an dem ich Dich nicht so grüßen will! – Mein Schmerz u. Gram um Dich, die mich zu einem Schatten umwandeln, – haben mir es jetzt, – wenn je noch ein Zweifel darüber existirt hätte, unwiderruflich klar gemacht: – ich kann nicht mehr ohne Dich leben! Durch die unerschütterliche Festigkeit dieses Gedanken’s gelange ich auch allmälig wieder zur Hoffnung; – denn da es bei mir feststeht, daß ich mich Dir hiermit ganz hingebe, kann es ja wol auch nicht anders sein, als daß Du Dich mir auch jetzt ganz giebst. Die feste Vorstellung u. dieser unwiderrufliche Beschluß giebt mir eine gewisse Ruhe, weil ich weiß, daß ich Alles – Alles thue, was Dich an mich fesseln soll; – u. Du kannst nicht anders, Du mußt es annehmen; – Sieh’, diese Ueberzeugung habe ich. Wolle Gott im Himmel Dich davor bewahren, zu glauben u. mir zu schreiben, – das könnte ja Alles sein, wenn Du auch in Berlin bliebest; – um unsrer Liebe willen, laß diesen Gedanken nicht aufkommen. Meine beiden Briefe von gestern u. vorgestern, müssen Dir hinlänglich bewiesen haben, daß Du durch diesen Schritt die völlige Unwahrheit Deiner Liebe beurkunden würdest; ich habe nichts mehr hinzuzusetzen; u. um des Himmels Willen schreib mir kein einziges Wort davon; – so heilig ich Dir gelobe, daß, – überzeugst Du mich durch die Annahme meiner Vorschläge von Deiner wahren Liebe, – Du nie mehr das mindeste harte, unglimpfliche u. gehässige Wort, nie mehr die kleinste Zänkerei von mir hören sollst, – so heilig verlasse ich mich auch darauf, daß Du mir nicht das Mindeste von der scheinbaren Nothwendigkeit Deines Bleibens in Berlin schreibst. Ich lasse es nun u. nimmermehr zu: – Du bist meine Braut u. ich habe ein Recht an Dir; – schon zu Ostern heirathen wir uns; – was sollst Du da in Berlin?
Du mußt auch Deine Verhältnisse zu hier wieder etwas einleiten, – Du hast sie wirklich ohne Grund auf die höchste Spitze geschraubt; – die Bethmann[1] sagte mir, Du hättest ihr nur ein Wort davon zu sagen brauchen, daß Du schon Mittwoch fort mußtest, so wäre schon zu helfen gewesen; – Du hast aber Alles selbst vor mir mit einer solchen Heimlichkeit betrieben, Du magst nun sagen, was Du willst, – daß es schon zu spät war, als ich es erfuhr, um Dir davon abrathen zu können. Dein böser Vorsatz stand gewiß fest, nicht wieder zu kommen, sonst hättest Du unmöglich gegen die Direktion u. mich so unredlich zu Werke gehen können. Ich sollte Dir eigentlich sehr zürnen; – aber wenn ich bedenke, daß Du dadurch meine Braut geworden bist, ist aller Groll verschwunden, u. Du sollst nie einen Vorwurf hören. Bethmann[2], als jetzt zuletzt beleidigter Direktor, kann unmöglich wieder die Einleitung beginnen, wie Du es ihm vorgeschrieben hast. Ich bitte Dich, schreib’ ihm zuerst ein paar entschuldigende Zeilen[3], ohne Dir etwas dabei zu vergeben: „Du hättest müssen Mittwoch abreisen, da sonst der ganze Urlaub ohne Zweck gewesen sei; Du hättest gewußt, daß man ihn Dir nicht gewähren würde von Mittwoch an, u. so hättest Du Dich denn bewogen gefühlt, ein Dir vorher angethanes größeres Unrecht dadurch zu vergelten; im übrigen hättest Du dadurch eine Sicherstellung für Dein Fach zu gewinnen u.s.w.“ Thu’ das ja, liebes Kind; – u. komm’ nur her, es wird sich gewiß Alles wieder zu unsrem Besten machen. – Und wenn im schlimmsten Falle auch nicht, – sollen wir unsere baldige Verlobung u. Heirath, u. was dazwischen liegt, – unsern süßen Brautstand, diesen Theaterverhältnissen aufopfern? Nimmer mehr! – Es bleibt bei Dem, was ich Dir gestern schrieb.
O Minna, Minna, – es ist ja Alles todt um mich, – wenn nicht diese Hoffnung in mir lebte! – Ich bin sehr fleißig u. habe nun folgenden Plan gefaßt: – Kommst Du wieder hieher zurück, – u. Du solltest, – was zwar in keinem Fall zu erwarten steht, – nicht wieder mit Bethmann einigen, so verlassen wir denn zusammen im Februar Magdeburg, damit ich bis zu Ostern mein Glück erreiche. Traue mir! Ich bin nicht leichtsinnig, u. weiß, welche Verantwortung für Dein Schicksal ich jetzt auf mich lade! Ich will sie treu erfüllen!
Gott sei mir Dir, meine liebe Braut, u. erleuchte Dir Dein Herz zu unsrem Glück! Leb’ wohl, Leb’ wohl![4]
Dein Richard.
[1] Hmmh. Friederike Bethmann, die renommierte Sängerin und Frau des Schauspielers und späteren Magdeburger Intendanten starb bereits 1815. Es handelt sich hier um seine vornamenlose zweite Ehefrau, die offenbar gehbehindert war.
[2] Bethmann, Eduard Heinrich (1774–1857), zur fraglichen Zeit Intendant der finanziell ständig vor dem Bankrott stehenden Magdeburger Theatertruppe, was sich auch nachteilig für den Musikdirektor auswirkte.
[3] Wagner hat offenbar immer schon gerne anderen vorgeschrieben, was sie zu schreiben haben.
[4] Ach? Hier schon Wotans Abschied?
Quellen: Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe; Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Bd. 1, 1967; https://de.wikipedia.org/
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