Wann geht der nächste Schwan?

Am 28. Au­gust 1850 wur­de in Wei­mar Ri­chard Wag­ners ro­man­ti­sche Oper „Lo­hen­grin“ ur­auf­ge­führt. In Ab­we­sen­heit des Kom­po­nis­ten, der sich im Schwei­zer Exil befand.

Sze­ne aus dem 1. Akt der „Lohengrin“-Uraufführung 1850 in ei­ner zeit­ge­nös­si­schen Darstellung

Zu­fall ist das nicht, auch kein Witz: Ri­chard Wag­ner saß laut sei­ner Au­to­bio­gra­fie (der man al­ler­dings nicht blind­lings glau­ben soll­te) mit sei­ner ers­ten Frau Min­na de­pri­miert im Gast­hof Zum Schwan in Lu­zern, als im Groß­her­zog­li­chen Hof­thea­ter zu Wei­mar sei­ne Schwa­nen­rit­ter­oper „Lo­hen­grin“ ur­auf­ge­führt wur­de. Der steck­brief­lich ge­such­te Re­vo­lu­tio­när be­fand sich seit über ei­nem Jahr im Exil und konn­te des­halb nicht da­bei sein, als sein Künst­ler­freund und För­de­rer Franz Liszt am 28. Au­gust 1850 die so un­ter­ti­tel­te „Ro­man­ti­sche Oper in drei Ak­ten“ erst­mals auf die Büh­ne brachte.

An­sichts­kar­ten der Ho­tels zum Schwa­nen (links und un­ten) und Schwei­zer­hof (rechts) in Lu­zern um die Jahrhundertwende

Vor­aus­ge­gan­gen war ein in­ten­si­ver Brief­wech­sel, in dem Wag­ner Liszt mit In­struk­tio­nen über­häuf­te, wie sein Werk sze­nisch und mu­si­ka­lisch zu rea­li­sie­ren sei. Er schick­te aus­führ­li­che Re­gie­an­wei­sun­gen, Skiz­zen und Ent­wür­fe, reg­te den Bau spe­zi­el­ler Blas­in­stru­men­te an und ver­füg­te eine Kür­zung von im­mer­hin 56 Tak­ten in Lo­hen­grins Grals­er­zäh­lung am Schluss, die seit­her mit Aus­nah­me der Bay­reu­ther Neu­in­sze­nie­rung von 1936 und bei Ein­spie­lun­gen al­lent­hal­ben prak­ti­ziert wird – zur Scho­nung des Ti­tel­prot­ago­nis­ten. Was den Lo­hen­grin der Ur­auf­füh­rung be­trifft, bat der da­mals in Klein­schrei­bung kor­re­spon­die­ren­de Wag­ner vor­aus­schau­end „laßt ihn nur ja durch kunst so blen­dend hell wie mög­lich aus­stat­ten: es müs­sen ei­nem die au­gen ver­ge­hen, wenn man auf ihn sieht!“

Wie ihm von der Ur­auf­füh­rung be­rich­tet wur­de, wirk­ten die So­lis­ten dar­stel­le­risch dann doch eher „lie­der­lich und le­dern“, was zu fol­gen­dem Seuf­zer führ­te, den Wag­ner am 14. Sep­tem­ber 1850 an sei­nen Freund Fer­di­nand Hei­ne rich­te­te: „Nun, das ver­steht sich von selbst; pri­vat­wun­der wird der lie­be Gott nicht für mich schaf­fen, und so wird er mir auch nicht auf ein­mal Dar­stel­ler – wie ich sie brau­che – auf den bäu­men wach­sen lassen!“

Mit aus die­sem Grund for­mu­lier­te er noch am sel­ben Tag erst­mals sei­nen Fest­spiel­ge­dan­ken. Ein „Lohengrin“-Wunder soll­te sich trotz­dem ein­stel­len. Franz Liszt hat­te da­für ge­sorgt, dass wich­ti­ge Mul­ti­pli­ka­to­ren in die Auf­füh­run­gen ka­men, so­dass die Oper schnell ih­ren Sie­ges­zug auf den Büh­nen der Welt be­gin­nen konn­te. Wag­ner selbst er­leb­te erst am 15. Mai 1861 eine kom­plet­te Auf­füh­rung in Wien und be­kam die ver­dien­ten Ova­tio­nen. Apro­pos: In Ös­ter­reich soll­te spä­ter auch die schöns­te Pan­ne pas­sie­ren. Als ein Büh­nen­ar­bei­ter den von ei­nem Schwan ge­zo­ge­nen Kahn hat­te los­fah­ren las­sen, be­vor der Ti­tel­held ein­ge­stie­gen war, stell­te der schlag­fer­ti­ge Te­nor Leo Sle­zak zum Gau­di­um des Pu­bli­kums die Fra­ge „Wann geht der nächs­te Schwan?“

Erst­ver­öf­fent­li­chung auf takt1