Von 20. bis 22. September 2022 beschäftigen sich Wissenschaftler und Theaterpraktiker im Forschungsinstitut für Musiktheater in Thurnau mit der historischen Aufführungspraxis konkret bei Wagner.
Während die historisch informierte Aufführungspraxis in der Alten Musik und darüber hinaus inzwischen weitgehend durchgesetzt ist, spielt die Idee der wissenschaftlich fundierten Interpretation im Theater kaum eine Rolle. Zu flüchtig sei das Medium von der Anlage her, zu zeitspezifisch, zu wenig rekonstruierbar. Das Publikum von heute würde eine (in der Praxis unmögliche) historisch akkurate Aufführung anders aufnehmen als die Zuschauenden der Uraufführung. Die Parameter der leiblichen Kopräsenz von Performenden und Zusehenden und die damit verbundene andauernde Feedbackschleife wären also grundlegend anders konstituiert.
Dennoch wurden der Einbezug von historischer Aussprache, Mimik und Gestik in die konzertante Aufführung des Rheingold durch Concerto Köln unter der musikalischen Leitung von Kent Nagano im November 2021 von Mitwirkenden, Besuchenden und Fachpresse sehr positiv beurteilt. Im nächsten Schritt stellt sich das Forschungsinstitut für Musiktheater (fimt) der Universität Bayreuth im Rahmen des DFG-Erkenntnistransferprojekts „Wagnergesang im 21. Jahrhundert – historisch informiert?“ in Kooperation mit Concerto Köln und Kent Nagano die Frage, ob sich die Fragestellungen der historisch informierten Aufführungspraxis auch auf eine voll-szenische Produktion anwenden ließen. Dieser Frage soll im Rahmen der Konferenz Wagnertheater! Historisch informiert? nachgegangen werden. In drei Sektionen (Reenactments als Methode von Theater und Theaterwissenschaft, Historische Spiel-, Deklamations- und Gesangspraxis, Historische Ausstattung) diskutieren Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis die Potenziale und Grenzen eines solchen Experiments. Interessierte sind herzlich willkommen, die Konferenz zu besuchen. Der Eintritt zu den Vorträgen auf Schloss Thurnau ist kostenlos.
PROGRAMM
Dienstag, 20. September 2022
15:00 Uhr Open Doors, kleine Schlossführung, Kaffee
Prolog
16:00–16:45 Uhr Anno Mungen / Dominik Frank (fimt, Universität Bayreuth) - Eröffnungsvortrag, Fragestellung und Problemaufriss: Kann historisch informierte Aufführungspraxis im Szenischen analog zur Musik funktionieren?
16:45–17:30 Uhr Gespräch mit Sarah Wegener (Sängerin, Stuttgart): Reflexion der szenischen Elemente im konzertanten ‚Rheingold‘
Block I: Reenactments als Methodik von Theater und Theaterwissenschaft
17:45–18:45 Uhr Ulf Otto (LMU München): Evidenz der Wiederholung – Zur Methodologie des Reenactments
18:45–19:45 Uhr Gespräch mit Michael von zur Mühlen (Regisseur, Berlin): Reenactment als Inszenierungspraxis, Moderation: Ulrike Hartung (fimt, Universität Bayreuth)
Mittwoch, 21. September 2022
8:30 Uhr Open doors, Kaffee
Block II: Historische Darstellungspraxis
9:00–10:00 Uhr Ulrich Hoffmann (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Aussprachenormen der Wagnerzeit
10:00–11:00 Uhr Martin Knust (Linnaeus University Växjö): Die historisch informierte Theatergebärde: Möglichkeiten und Grenzen des Möglichen
11:00–11:30 Uhr Pause
11:30–12:30 Uhr Christina Monschau (Universität zu Köln): „Mimik“ in Wagners ‚Ring‘ – Theorie und Praxis
12:30–13:30 Uhr Sara Hubrich (Hochschule Darmstadt, University of Applied Science): Creative Embodiment: Der Körper als Schauplatz der Künste und als Potenzial in Interpretationen von Wagners Instrumentalmusik
13:30–14:30 Uhr Pause
Block III: Historische Ausstattung
14:30–15:30 Uhr Barbara Eichner (Oxford Brookes University): Drachen, Götter und Walküren: Mythosbilder von der Bühne nach Netflix und zurück
15:30–16:30 Uhr Gundula Kreuzer (Yale University): „Qualm der Maschine“? Zur Ambivalenz von Wagners Bühnentechnik
16:30–17:00 Uhr Pause
17:00–18:00 Uhr Kordula Knaus (Universität Bayreuth): „Germanen“ einkleiden. Zur Kostümfrage im ‚Ring des Nibelungen‘
18:00–19:00 Uhr Dominik Frank: Bühnenbilder der ‚Ring‘-Uraufführung(en)
Donnerstag, 22. September 2022
9:00 Uhr Open doors, Kaffee
Fazit-Block: „Und jetzt?“
9:30–10:30 UhrGespräch mit Sandra Leupold (Regisseurin, Berlin): Zum Umgang der Praxis mit der wissenschaftlichen Information, Moderation: Dominik Frank (fimt, Universität Bayreuth)
10:30–13:00 Uhr Abschluss-Diskussion mit allen Beteiligten
Veranstaltungsort:
Ahnensaal im Forschungsinstitut für Musiktheater
Schloss Thurnau
Marktplatz 1
95349 Thurnau
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