Am Theater Hof wird auch Zeitgenössisches gepflegt. Aktuell sind im Großen Haus die beiden Kammeropern „Der Leuchtturm“ von Peter Maxwell Davies und „Schattenspiele“ von Hans Gefors zu erleben.
Normalerweise siegt im Märchen das Gute über das Böse und der Held bekommt die Prinzessin. In „Der Schatten“ von Hans Christian Andersen ist es umgekehrt – und genau das hat den schwedischen Komponisten Hans Gefors zu der Kammeroper „Schattenspiele“ (Skuggspel) inspiriert, die das Theater Hof sinnfällig mit dem „Leuchtturm“ (The Lighthouse) von Peter Maxwell Davies kombiniert. In beiden Stücken geht es um Abseitiges, Unbewusstes, Unergründliches, um menschliche Schattenseiten eben, die kontrastreich mal aus ironischem Blickwinkel, mal krimihaft verdichtet präsentiert werden. Mit der Neuinszenierung betraute Intendant Reinhardt Friese seinen Vorgänger Uwe Drechsel, der, um es dem Publikum leichter zu machen, einen Erzähler hinzuerfunden hat: Hans Christian Andersen führt moderierend in die „Schattenspiele“ ein und gibt zum autobiografisch getränkten Geschehen (Libretto: Maria Sundqvist in der Übersetzung von Jenny Svensson) süffisant seinen Senf dazu.
Ein dänischer Gelehrter auf Bildungsreise verschaut sich in die personifizierte Poesie, die italienische Verse singt und flötet, entdeckt bei ihr seinen eigenen Schatten und muss nach seiner Rückkehr feststellen, wie der sich zunehmend selbständig macht. Beim Empfang der heiratswütigen Prinzessin lässt er sich vom Schattenmann zum Untergebenen degradieren und folgt am Ende dem Befehl, seine „jämmerliche Existenz“ zu beenden. Eine schwarze Komödie also, die Ausstatterin Annette Mahlendorf in einer Schwarz-Weiß-Optik mit wirkungsvollen Farbtupfern in den abstrakt-historisierenden Kostümen umsetzt. Leider funktioniert ihr Ansatz, alle drei Handlungsorte gleichzeitig auf die Bühne des großen Hauses zu stellen, nur bedingt. Die Protagonisten wirken zuweilen verloren, was eher an regielicher Unentschlossenheit liegt, denn an der musikalischen Substanz des 2005 in Malmö uraufgeführten und anschließend nur noch in Lübeck gezeigten Stücks.
Von den Solisten überzeugt vor allem Inga Lisa Lehr als Dickwanst-Prinzessinnen mit Wackelkrone. Ihr Sopran meistert alle Klippen souverän und auch darstellerisch macht ihr die komödiantische Verzerrung der Figur sichtlich Spaß. Stefanie Rhaues Poesie hat dagegen keine Chance, weil sie eine Statue sein soll. Mit Wortverständlichkeit punktet Charaktertenor Karsten Jesgarz als klassischer Gelehrten-Gutmensch, James Tolksdorfs Bösewicht bleibt vergleichsweise blass, wenn man bedenkt, wie facettenreich derselbe Sänger später im „Leuchtturm“ auftritt. Die Diener in den Statistenrollen der zwei Silhouetten erscheinen eher überflüssig. Viel besser als die Inszenierung schafft die neo-spätromantische Musik von Hans Gefors den Spagat zwischen Hell und Dunkel, Komödie und Tragödie. Einfach besetzte Streicher, ein paar Bläser, Harfe und Schlagzeug unter der akkuraten Leitung von Daniel Spaw genügen, um eine an Variationen reiche, rhythmisch reizvolle Klangwelt zu eröffnen, deren doppelter Boden besonders spürbar ist, wenn die Tonkaskaden vom Sampler kommen.
Dass die „Schattenspiele“ noch im Schlagschatten des 1980 uraufgeführten Einakters „Der Leuchtturm“ stehen, unterstreicht der deutschsprachige Doppelabend sicher ungewollt. Nur der Seemannskrimi ist auch szenisch ein Wurf, dessen wandelbare Einheitsbühne in subtilem Licht die surreale Handlung umso plastischer werden lässt. Die drei Sänger – der Tenor Minseok Kim, der Bariton James Tolksdorf und der Bass Rainer Mesecke – kreieren stimmige Figuren und ziehen das am Ende begeisterte Publikum ebenso in Bann wie die Musik, die die Hofer Symphoniker in kleiner, aber feiner Besetzung prägnant auskosten. Ein Ausflug nach Hof lohnt also allemal.
Premiere am 16., besuchte Aufführung am 20. März 2019, weitere Vorstellungen nur noch am 31. März sowie am 12. und 14. April 2019. Karten-Telefon 09281-70 70 290, mehr Infos unter www.theater-hof.de
Druckversionen im Feuilleton des Fränkischen Tags sowie in der Fachzeitschrift „Opernwelt“
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