Stipendiatin 2021: Hanyi Du

Zu den Sti­pen­dia­ten­ta­gen in Bay­reuth dür­fen heu­er nur 100 Teil­neh­mer fah­ren. Für uns ist die aus Chi­na stam­men­de Hanyi Du da­bei. Mit dem fol­gen­den Text stellt sie sich selbst vor, dazu noch ei­ni­ge Gutachterstimmen.

Hanyi Du – Fo­tos: Bernd Wagenhäuser

Das An­ge­bot vom Wag­ner-Ver­band, als Sti­pen­dia­tin zu den Bay­reu­ther Fest­spie­len zu ge­hen, war für mich eine gro­ße Über­ra­schung. Ich konn­te es kaum glau­ben, dass ich nun die Chan­ce habe, eine der re­nom­mier­tes­ten Ver­an­stal­tun­gen der Hoch­kul­tur in Eu­ro­pa zu besuchen.

In den ers­ten fünf­zehn Jah­ren mei­nes Le­bens hat­te ich kei­ne Mög­lich­keit, ein klas­si­sches Kon­zert an­zu­hö­ren. 1997 wur­de ich in der chi­ne­sisch-si­bi­ri­schen Grenz­re­gi­on Amur/​Heilongjiang ge­bo­ren. Dort gab es kei­ne öf­fent­li­chen Kon­zer­te, nicht ein­mal tra­di­tio­nell-chi­ne­si­sche. „Il­le­gal“ ge­brann­te aus­län­di­sche Klas­sik-CDs von ei­nem Pe­kin­ger Floh­markt wa­ren das bes­te Neu­jahrs­ge­schenk, das mir mei­ne Ver­wand­ten aus der 1600 km ent­fern­ten Haupt­stadt mit­brach­ten, als ich drei­zehn Jah­re alt war. Und mein Er­ler­nen von Kla­vier und Vio­li­ne war wie La­tein­un­ter­richt, denn kei­ner wuss­te wirk­lich, wie das al­les „in echt“ klin­gen soll.

Mit bren­nen­der Sehn­sucht nach dem Le­ben in ei­nem de­mo­kra­ti­schen Sys­tem ei­ner­seits und nach eu­ro­päi­scher Kul­tur an­de­rer­seits be­schloss ich noch als Teen­ager, mei­nen Le­bens­mit­tel­punkt zu­künf­tig nach Deutsch­land zu ver­le­gen. Nach jah­re­lan­gem hart­nä­cki­gem und schließ­lich er­folg­rei­chem „Kampf“ ge­gen zahl­rei­che bü­ro­kra­ti­sche Hür­den konn­te ich ab 2015 das E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium in Bam­berg be­su­chen. In Bam­berg durf­te ich end­lich der Mu­sik nä­her­kom­men, wo­von ich frü­her nur träu­men konn­te: im Schul­or­ches­ter, Ju­gend­or­ches­ter und spä­ter im Uni­ver­si­täts­or­ches­ter Bam­berg wirk­te ich als Gei­ge­rin oder Brat­schis­tin mit. Bei ver­schie­de­nen Kon­zer­ten der Schu­le oder Uni­ver­si­tät durf­te ich als Pia­nis­tin auf­tre­ten, ge­le­gent­lich auch ei­ge­ne Kom­po­si­tio­nen auf­füh­ren. An der Mu­sik­hoch­schu­le in Würz­burg durf­te ich als Gast­stu­den­tin re­gel­mä­ßig im Fach Kom­po­si­ti­on, Ton­satz und Mu­sik­ge­schich­te hos­pi­tie­ren. Als Stu­den­tin der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg spiel­te ich, ge­mein­sam mit ge­flüch­te­ten re­gime­kri­ti­schen Künst­lern aus dem Iran, in ei­nem in­ter­kul­tu­rel­len En­sem­ble. Wir tra­ten u. a. am In­sti­tut für Ori­en­ta­lis­tik der Uni­ver­si­tät Bam­berg auf. Im ver­gan­ge­nen Jahr en­ga­gier­te ich mich für die Co­ro­na-ge­rech­te Ge­stal­tung der Or­gel­kon­zert-Rei­he in der Eli­sa­be­then­kir­che. Ich bin von der ge­sell­schaft­li­chen und po­li­ti­schen Di­men­si­on von Mu­sik über­zeugt – sie ver­mag es näm­lich, jeg­li­che Gren­zen zu über­win­den und Men­schen di­ver­ser Hin­ter­grün­de in of­fe­nen und lern­be­rei­ten Aus­tausch zu bringen.

Sie­ben Jah­re nach mei­ner Über­sied­lung nach Deutsch­land ste­he ich nun kurz vor dem Ab­schluss mei­nes Ba­che­lor­stu­di­ums in Phi­lo­so­phie und Volks­wirt­schafts­leh­re an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. Nicht zu­letzt auf­grund mei­ner Stu­di­en­leis­tung wer­de ich von der Stu­di­en­stif­tung des deut­schen Vol­kes, der Fried­rich-Nau­mann-Stif­tung für die Frei­heit so­wie der 2008 un­ter Schirm­herr­schaft von Frau Dr. An­ge­la Mer­kel ge­grün­de­ten Deutsch­land­stif­tung In­te­gra­ti­on ge­för­dert. Ob­wohl ich mich in mei­ner Frei­zeit im­mer­hin am Kla­vier- und Cem­ba­lo­spiel ver­gnü­ge, liegt mein ak­tu­el­ler Schwer­punkt eher in der theo­re­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit zwei The­men­kom­ple­xen, die sich wie ein ro­ter Fa­den durch mein Le­ben zie­hen: das „Gute“ und das „Schö­ne“. Bei­spiels­wei­se be­schäf­ti­gen mich Fra­gen, wie ge­rech­te In­sti­tu­tio­nen und gu­tes Zu­sam­men­le­ben von Men­schen aus­se­hen sol­len; wel­chen Bei­trag Kul­tur und Küns­te leis­ten kön­nen, da­mit die­se Idea­le all­mäh­lich Rea­li­tät werden.

Ne­ben mei­nem Stu­di­um sam­mel­te ich ers­te prak­ti­sche Er­fah­run­gen durch mei­ne Tu­to­ri­en und As­sis­tenz­tä­tig­kei­ten in prak­ti­scher Phi­lo­so­phie (bei Prof. Dr. Chris­ti­an Il­lies) und Mi­kro­öko­no­mik (bei Prof. Dr. Gui­do Hein­eck), durch Prak­ti­ka in Ar­chiv, Mu­se­um so­wie in um­welt­po­li­ti­scher Beratung.

Für das Sti­pen­di­um der Ri­chard-Wag­ner-Sti­pen­di­en­stif­tung sind auch Gut­ach­ter­stim­men ge­fragt. Hier als Nach­trag des RWV Bam­berg ei­ni­ge Aus­zü­ge aus den je­wei­li­gen Stellungnahmen:

Dr. Mar­tin Düchs, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter der Uni­ver­si­tät Bam­berg, Lehr­stuhl für Phi­lo­so­phie II, als Gut­ach­ter der Fried­rich Nau­mann Stif­tung „Für die Frei­heit“ (deut­schen Stu­di­en­för­de­rung) am 26. Ok­to­ber 2018: „Noch nie konn­te ich eine Stu­den­tin so von vol­lem Her­zen für eine För­de­rung emp­feh­len wie Frau Du. Für ihre Leis­tun­gen in aka­de­mi­scher, pri­va­ter und künst­le­ri­scher Hin­sicht emp­fin­de ich höchs­ten Re­spekt. Es steht mir ei­gent­lich nicht zu eine Stif­tung auf ihre ei­ge­nen Idea­le auf­merk­sam zu ma­chen. Aber es sei mir er­laubt zu be­mer­ken, dass ich es für eine Stif­tung, die der Idee des Li­be­ra­lis­mus ver­pflich­tet ist und den Zu­satz ‚für die Frei­heit‘ im Na­men führt, äu­ßerst pas­send fän­de, eine ex­trem in­tel­li­gen­te und ge­sell­schaft­lich au­ßer­ge­wöhn­lich en­ga­gier­te Stu­den­tin aus Chi­na zu fördern.“

Prof. Dr. Chris­ti­an Schä­fer, Uni­ver­si­tät Bam­berg, Lehr­stuhl für Phi­lo­so­phie I, als Gut­ach­ter der Fried­rich Nau­mann Stif­tung „Für die Frei­heit“ (deut­schen Stu­di­en­för­de­rung) am 24. April 2018: „Frau Du ist eine Mu­si­ke­rin von Gna­den. Sie führt – auch be­reits im Rah­men von Fei­ern der Phi­lo­so­phie in Bam­berg – auch ei­ge­ne Kom­po­si­tio­nen auf und ist Grün­dungs­mit­glied des in­ter­kul­tu­rel­len Frie­dens­en­sem­bles, das mit ge­flüch­te­ten Künst­lern zu­sam­men­ar­bei­tet. Es spricht für ihre ei­ge­ne hohe In­te­gra­ti­ons­fä­hig­keit, dass sie in Deutsch­land nach so kur­zer Zeit so­zi­al Fuß ge­fasst und sich mehr als nur ‚ein­ge­lebt‘ hat.“

Prof. Dr. Chris­ti­an Il­lies, Uni­ver­si­tät Bam­berg, Lehr­stuhl für Phi­lo­so­phie II, Gut­ach­ten vom 5. März 2020: „Dass sie ein Dop­pel­stu­di­um be­legt (Phi­lo­so­phie und Öko­no­mie) ist bei die­ser Be­ga­bung und ih­rer In­tel­li­genz und Schaf­fens­kraft fast selbst­ver­ständ­lich; und alle ihre bis­he­ri­gen Leis­tun­gen lie­gen auch im Spit­zen­be­reich. In kür­zes­ter Zeit hat sie sich in die Phi­lo­so­phie aus­ge­zeich­net ein­ge­ar­bei­tet; sie hat ein tie­fes Ver­ständ­nis phi­lo­so­phi­schen Fra­gens ent­wi­ckelt, be­sitzt be­reits jetzt eine gro­ße Kennt­nis wich­ti­ger Klas­si­ker und kann de­ren An­sät­ze und Ar­gu­men­te für ak­tu­el­le Fra­gen frucht­bar ma­chen. […] Sie wol­le in ein Land, so sag­te sie, in dem man die Mög­lich­keit fin­det zu ler­nen, stu­die­ren und mit sei­nem Wis­sen zu ei­ner bes­se­ren Welt bei­zu­tra­gen. Es ist be­zeich­nend, dass sie mit die­sem Er­fah­rungs­hin­ter­grund nun vor al­lem Öko­no­mie und Phi­lo­so­phie stu­diert, weil sie zu Recht eine Grund­her­aus­for­de­rung un­se­rer Zeit dar­in sieht, wirt­schaft­lich ef­fi­zi­en­tes Han­deln mit hu­ma­nen Wer­ten wie Ge­rech­tig­keit, Um­welt­schutz und ei­ner Ach­tung vor dem In­di­vi­du­um zu ver­bin­den. Da­für neue Me­tho­den und Wege zu er­denken, etwa auch sol­che, die zen­tral Kunst und Mu­sik ein­be­zie­hen, sieht sie als ein Ziel, für das sich ihr gan­zer Ein­satz lohnt – und ich hege kei­ne Zwei­fel, dass Frau Du alle Vor­aus­set­zun­gen be­soitzt, hier ei­nen wich­ti­gen Bei­trag da­für zu leis­ten. Wo­hin auch im­mer ihr Weg sie noch füh­ren wird.“

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