Zu den Stipendiatentagen in Bayreuth dürfen heuer nur 100 Teilnehmer fahren. Für uns ist die aus China stammende Hanyi Du dabei. Mit dem folgenden Text stellt sie sich selbst vor, dazu noch einige Gutachterstimmen.
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Das Angebot vom Wagner-Verband, als Stipendiatin zu den Bayreuther Festspielen zu gehen, war für mich eine große Überraschung. Ich konnte es kaum glauben, dass ich nun die Chance habe, eine der renommiertesten Veranstaltungen der Hochkultur in Europa zu besuchen.
In den ersten fünfzehn Jahren meines Lebens hatte ich keine Möglichkeit, ein klassisches Konzert anzuhören. 1997 wurde ich in der chinesisch-sibirischen Grenzregion Amur/Heilongjiang geboren. Dort gab es keine öffentlichen Konzerte, nicht einmal traditionell-chinesische. „Illegal“ gebrannte ausländische Klassik-CDs von einem Pekinger Flohmarkt waren das beste Neujahrsgeschenk, das mir meine Verwandten aus der 1600 km entfernten Hauptstadt mitbrachten, als ich dreizehn Jahre alt war. Und mein Erlernen von Klavier und Violine war wie Lateinunterricht, denn keiner wusste wirklich, wie das alles „in echt“ klingen soll.
Mit brennender Sehnsucht nach dem Leben in einem demokratischen System einerseits und nach europäischer Kultur andererseits beschloss ich noch als Teenager, meinen Lebensmittelpunkt zukünftig nach Deutschland zu verlegen. Nach jahrelangem hartnäckigem und schließlich erfolgreichem „Kampf“ gegen zahlreiche bürokratische Hürden konnte ich ab 2015 das E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium in Bamberg besuchen. In Bamberg durfte ich endlich der Musik näherkommen, wovon ich früher nur träumen konnte: im Schulorchester, Jugendorchester und später im Universitätsorchester Bamberg wirkte ich als Geigerin oder Bratschistin mit. Bei verschiedenen Konzerten der Schule oder Universität durfte ich als Pianistin auftreten, gelegentlich auch eigene Kompositionen aufführen. An der Musikhochschule in Würzburg durfte ich als Gaststudentin regelmäßig im Fach Komposition, Tonsatz und Musikgeschichte hospitieren. Als Studentin der Otto-Friedrich-Universität Bamberg spielte ich, gemeinsam mit geflüchteten regimekritischen Künstlern aus dem Iran, in einem interkulturellen Ensemble. Wir traten u. a. am Institut für Orientalistik der Universität Bamberg auf. Im vergangenen Jahr engagierte ich mich für die Corona-gerechte Gestaltung der Orgelkonzert-Reihe in der Elisabethenkirche. Ich bin von der gesellschaftlichen und politischen Dimension von Musik überzeugt – sie vermag es nämlich, jegliche Grenzen zu überwinden und Menschen diverser Hintergründe in offenen und lernbereiten Austausch zu bringen.
Sieben Jahre nach meiner Übersiedlung nach Deutschland stehe ich nun kurz vor dem Abschluss meines Bachelorstudiums in Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Universität Bamberg. Nicht zuletzt aufgrund meiner Studienleistung werde ich von der Studienstiftung des deutschen Volkes, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sowie der 2008 unter Schirmherrschaft von Frau Dr. Angela Merkel gegründeten Deutschlandstiftung Integration gefördert. Obwohl ich mich in meiner Freizeit immerhin am Klavier- und Cembalospiel vergnüge, liegt mein aktueller Schwerpunkt eher in der theoretischen Auseinandersetzung mit zwei Themenkomplexen, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen: das „Gute“ und das „Schöne“. Beispielsweise beschäftigen mich Fragen, wie gerechte Institutionen und gutes Zusammenleben von Menschen aussehen sollen; welchen Beitrag Kultur und Künste leisten können, damit diese Ideale allmählich Realität werden.
Neben meinem Studium sammelte ich erste praktische Erfahrungen durch meine Tutorien und Assistenztätigkeiten in praktischer Philosophie (bei Prof. Dr. Christian Illies) und Mikroökonomik (bei Prof. Dr. Guido Heineck), durch Praktika in Archiv, Museum sowie in umweltpolitischer Beratung.
Für das Stipendium der Richard-Wagner-Stipendienstiftung sind auch Gutachterstimmen gefragt. Hier als Nachtrag des RWV Bamberg einige Auszüge aus den jeweiligen Stellungnahmen:
Dr. Martin Düchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bamberg, Lehrstuhl für Philosophie II, als Gutachter der Friedrich Naumann Stiftung „Für die Freiheit“ (deutschen Studienförderung) am 26. Oktober 2018: „Noch nie konnte ich eine Studentin so von vollem Herzen für eine Förderung empfehlen wie Frau Du. Für ihre Leistungen in akademischer, privater und künstlerischer Hinsicht empfinde ich höchsten Respekt. Es steht mir eigentlich nicht zu eine Stiftung auf ihre eigenen Ideale aufmerksam zu machen. Aber es sei mir erlaubt zu bemerken, dass ich es für eine Stiftung, die der Idee des Liberalismus verpflichtet ist und den Zusatz ‚für die Freiheit‘ im Namen führt, äußerst passend fände, eine extrem intelligente und gesellschaftlich außergewöhnlich engagierte Studentin aus China zu fördern.“
Prof. Dr. Christian Schäfer, Universität Bamberg, Lehrstuhl für Philosophie I, als Gutachter der Friedrich Naumann Stiftung „Für die Freiheit“ (deutschen Studienförderung) am 24. April 2018: „Frau Du ist eine Musikerin von Gnaden. Sie führt – auch bereits im Rahmen von Feiern der Philosophie in Bamberg – auch eigene Kompositionen auf und ist Gründungsmitglied des interkulturellen Friedensensembles, das mit geflüchteten Künstlern zusammenarbeitet. Es spricht für ihre eigene hohe Integrationsfähigkeit, dass sie in Deutschland nach so kurzer Zeit sozial Fuß gefasst und sich mehr als nur ‚eingelebt‘ hat.“
Prof. Dr. Christian Illies, Universität Bamberg, Lehrstuhl für Philosophie II, Gutachten vom 5. März 2020: „Dass sie ein Doppelstudium belegt (Philosophie und Ökonomie) ist bei dieser Begabung und ihrer Intelligenz und Schaffenskraft fast selbstverständlich; und alle ihre bisherigen Leistungen liegen auch im Spitzenbereich. In kürzester Zeit hat sie sich in die Philosophie ausgezeichnet eingearbeitet; sie hat ein tiefes Verständnis philosophischen Fragens entwickelt, besitzt bereits jetzt eine große Kenntnis wichtiger Klassiker und kann deren Ansätze und Argumente für aktuelle Fragen fruchtbar machen. […] Sie wolle in ein Land, so sagte sie, in dem man die Möglichkeit findet zu lernen, studieren und mit seinem Wissen zu einer besseren Welt beizutragen. Es ist bezeichnend, dass sie mit diesem Erfahrungshintergrund nun vor allem Ökonomie und Philosophie studiert, weil sie zu Recht eine Grundherausforderung unserer Zeit darin sieht, wirtschaftlich effizientes Handeln mit humanen Werten wie Gerechtigkeit, Umweltschutz und einer Achtung vor dem Individuum zu verbinden. Dafür neue Methoden und Wege zu erdenken, etwa auch solche, die zentral Kunst und Musik einbeziehen, sieht sie als ein Ziel, für das sich ihr ganzer Einsatz lohnt – und ich hege keine Zweifel, dass Frau Du alle Voraussetzungen besoitzt, hier einen wichtigen Beitrag dafür zu leisten. Wohin auch immer ihr Weg sie noch führen wird.“
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