Wir haben bereits etliche Künstler unter unseren Mitgliedern – darunter Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildner, Maler und Musiker – und jetzt als jüngsten Neuzugang mit Jochen Neurath einen veritablen Komponisten, über den sich ein Wagner-Verband aus naheliegenden Gründen besonders freuen kann. Wer er ist und was er macht, ist dem folgenden Beitrag zu entnehmen.
Jochen Neurath ist 1968 in Celle geboren, aber in Bamberg aufgewachsen, wo er auch heute zuhause ist. Er besuchte zunächst das Humanistische, später das Musische Gymnasium. Schon in der Schulzeit entstanden erste Kompositionen. 1985 war er mit seiner „Symphony of Death“ bei einem Wettbewerb erfolgreich, die anschließend durch den Sender Freies Berlin (SFB) produziert und aufgenommen wurde. 1987 begann er an der Hochschule der Künste Berlin sein Kompositionsstudium, das er an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg fortsetzte. Daneben studierte er Germanistik und Philosophie und absolvierte private Kompositionsstudien bei dem aus Kulmbach stammenden Komponisten Horst Lohse, der unter anderem in Bamberg die „Tage neuer Musik“ initiiert und auch geleitet hat.
1989 gründete Neurath mit Kay Ivo Nowáck und Johannes Harneit für Auftritte, Bearbeitungen und Kompositionen das Komponistentrio NeuNoNeit. Seit 1991 arbeitet er außerdem zusammen mit den Regisseuren Frank Düwel (für den er unter anderem die Schauspielmusik zu „Der Schimmelreiter“ schrieb) sowie Hans-Jörg Kapp (bei dessen Inszenierungen er jeweils als Pianist und musikalischer Leiter wirkte). 1993 dirigierte er in Hamburg die deutsche Erstaufführung von John Cages „EurOpera5“, 1996 beendete er sein Studium. Seither unterrichtet er und ist als Komponist, Bearbeiter und Pianist freischaffend.
Von 2001 bis 2006 war Jochen Neurath Composer in Residence an der Staatsoper Hannover und schuf dort unter anderem die Schauspielmusik zu Nicolas Stemanns „Orestie“-Inszenierung. 2003 steuerte er zu Christoph Marthalers Projekt „Lieber Nicht“ an der Volksbühne Berlin eigene Kompositionen bei und wirkte auch als Darsteller mit. Bei Produktionen von Anna Viebrock – „In Vain“, Zürich 2002, mit Sylvain Cambreling und dem Klangforum Wien sowie „Ohne Leben Tod“, Berlin 2005, mit Johannes Harneit – war Jochen Neurath musikalischer Berater und Arrangeur.
Nachdem 2007 seine Kammerorchesterfassung von Bachs „Kunst der Fuge“ durch die Sinfonietta Leipzig uraufgeführt wurde, beauftragte ihn Riccardo Chailly mit der Orchestration von Bachs „Goldberg-Variationen“ für das Gewandhausorchester Leipzig, die beim Bachfest Leipzig 2012 unter der Leitung von Stefan Asbury ihre erfolgreiche Premiere hatte. 2014 wurde sein doppelchöriges Werk „Gefrorene Träume“ bei einem Gedenkkonzert in der Kilianskirche Heilbronn uraufgeführt, 2015 die „Missa Sine Domine“ für Ensemble in Zürich. In Bamberg, wo er lebt und arbeitet, hat er mit „Void“, einem Konzert zum 30. Jahrestags des Unglücks in Tschernobyl 2016 in der St. Johannis-Kapelle nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. 2017 brachte er das Particell Alban Bergs zum dritten Akt der Alban-Berg-Oper „Lulu“ für die Hamburgische Staatsoper im Auftrag von Kent Nagano in eine Aufführungsfassung; Regie führte Christoph Marthaler. Die Produktion wurde ausgezeichnet mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust 2017“ und bei der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift „Opernwelt“ als Aufführung des Jahres prämiert. Ebenfalls 2017 wurde die szenische Symphonie nach Joseph von Eichendorffs „Stimmen der Nacht“ in Zürich uraufgeführt.
Die Werkliste von Jochen Neurath umfasst die Oper „Agrippina“ (nach Daniel Casper von Lohenstein), Lieder, Orchester-, Kammermusik- und Chorwerke, sowie genau auf bestimmte Räume, Umstände und Personen zugeschnittene Performance-Kompositionen wie „Konzertstück“ für das ensemble für neue musik zürich in der Kunsthalle Zürich oder „Exposition“ für das Deutsche Guggenheim Berlin zur Ausstellung „Grey Area“ von Julie Mehretu.
Als nächster Konzerttermin Neuraths steht bei der Internationalen Orgelwoche Nürnberg (ION) der 15. Juni 2018 an: Im Rahmen der IONacht spielt das Nürnberger Bachorchester unter der Leitung von Bernhard Buttmann die Uraufführung von zwei Bearbeitungen für Kammerorchester Jochen Neuraths aus den „Choralvorspielen Op. posth. 122“ und den „Intermezzi Opp. 116–119“ von Johannes Brahms.
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