Phönix aus der Asche

Heu­te vor 25 Jah­ren brann­te Ve­ne­digs Opern­haus ab. Das  Tea­t­ro la Fe­nice streamt heu­te um 16.30 Uhr die Do­ku­men­ta­ti­on „Dal Fu­o­co alla Mu­si­ca und um 17.30 Uhr das Live-Kon­zert des na­tio­na­len Feuerwehrorchesters.

Screen­shot von der heu­ti­gen Konzertankündigung

29. Ja­nu­ar 1996. Im Gran Tea­t­ro La Fe­nice di Ve­ne­zia, dem größ­ten Opern­haus der La­gu­nen­stadt, lau­fen um­fang­rei­che Re­no­vie­rungs­ar­bei­ten. Das Haus, das sei­nen Na­men dem my­thi­schen Phö­nix be­zie­hungs­wei­se ei­ner Brand­ka­ta­stro­phe des Vor­gän­ger­baus ver­dankt und be­reits 1836, vier­und­vier­zig Jah­re nach der Er­öff­nung, durch ein von ei­nem klei­nen Heiz­ofen aus­ge­hen­den Feu­er schwer be­schä­digt wur­de, soll tech­nisch auf den neu­es­ten Stand und auf Hoch­glanz ge­bracht wer­den. Zwei ve­ne­zia­ni­sche Hand­wer­ker, der Elek­tro­in­ge­nieur En­ri­co Ca­rel­la und sein Cou­sin Mas­si­mi­lia­no Mar­chet­ti, ste­hen un­ter Druck, nach­dem sie ihre Ter­min­vor­ga­ben nicht ein­ge­hal­ten ha­ben. Um den Ver­zug zu ver­schlei­ern und ihre hoch ver­schul­de­te Fir­ma vor ei­ner eher glimpf­li­chen Kon­ven­tio­nal­stra­fe zu be­wah­ren, wol­len die bei­den, wie es spä­ter vor Ge­richt hei­ßen wird, nur „ein klei­nes, be­grenz­tes Feu­er“ le­gen. An sechs ver­schie­de­nen Stel­len in der Ga­le­rie ent­fa­chen sie um halb neun Uhr abends mit ei­ner schnell bren­nen­den Flüs­sig­keit den ver­hee­ren­den Brand.

Das Haus, das mit zahl­rei­chen wich­ti­gen Ur­auf­füh­run­gen – dar­un­ter mit Er­n­ani, At­ti­la, Ri­go­let­to, La tra­viata und Simon Boc­ca­ne­gra al­lein fünf Ver­di-Opern –, le­gen­dä­ren Sän­ger­auf­trit­ten und auch mit dem letz­ten Kon­zert­di­ri­gat Ri­chard Wag­ners im­mer wie­der Thea­ter­ge­schich­te ge­schrie­ben hat, brennt bis auf die Au­ßen­mau­ern ab. We­nigs­tens ist es eine wind­stil­le Nacht, so dass das Feu­er sich zwi­schen den Fas­sa­den wie in ei­nem Ka­min aus­tobt und nicht auf die an­gren­zen­den Ge­bäu­de im Stadt­teil San Mar­co über­greift. Am nächs­ten Mor­gen steht Bür­ger­meis­ter Mas­si­mo Cac­cia­ri vor den noch rau­chen­den Trüm­mern und spricht kurz und bün­dig aus, dass das Thea­ter wie­der auf­ge­baut wer­den soll:„Com’era e dov‘era“.

Was hei­ßen will, „so wie es war, dort wo es war“. Kein ein­fa­cher Plan, wie sich zei­gen wird. Zu­nächst fol­gen mo­na­te­lan­ge Er­mitt­lun­gen. Der zu­stän­di­ge Ober­staats­an­walt Fe­li­ce Cas­son geht schnell von Brand­stif­tung aus – so­gar von ei­ner per­fekt ge­plan­ten, denn die um­lie­gen­den Ka­nä­le wa­ren zum Zeit­punkt des Bran­des still­ge­legt, was die Lösch­ar­bei­ten zu­sätz­lich er­schwer­te. Erst als die bei­den Elek­tri­ker sich we­gen ih­rer fal­schen Ali­bis in Wi­der­sprü­che ver­wi­ckeln, heißt es nicht mehr, dass der Brand auf das Kon­to der si­zi­lia­ni­schen Ma­fia geht. Bis die Brand­stif­ter in letz­ter In­stanz zu sechs und sie­ben Jah­ren Haft ver­ur­teilt wer­den, ver­ge­hen sie­ben Jah­re. En­ri­co Ca­rel­la flieht nach Me­xi­co, wird erst vier Jah­re spä­ter fest­ge­nom­men und ver­bringt letzt­end­lich nur sech­zehn Mo­na­te im Ge­fäng­nis. Sein eben­falls in­haf­tier­ter Cou­sin Mas­si­mi­lia­no Mar­chet­ti kommt dank ei­ner all­ge­mei­nen Am­nes­tie vor­zei­tig wie­der frei. Alle an­de­ren An­ge­klag­ten, dar­un­ter we­gen Ver­let­zung der Auf­sichts­pflicht der Bür­ger­meis­ter, Denk­mal­schüt­zer, In­ten­dan­ten, In­ge­nieu­re und Haus­meis­ter, wer­den freigesprochen.

Nicht nur die ju­ris­ti­sche Auf­ar­bei­tung dau­ert. Auch der Wie­der­auf­bau, der rund 78 Mil­lio­nen Euro kos­ten und erst am 12. No­vem­ber 2004 mit ei­ner Tra­via­ta-Auf­füh­rung voll­endet sein wird, ist ge­spickt mit bü­ro­kra­ti­schen Hin­der­nis­sen und Fir­men­plei­ten. Die Re­kon­struk­ti­on des 1997 ver­stor­be­nen Mai­län­der Ar­chi­tek­ten Aldo Ros­si ba­siert auf al­ten Fo­tos, Film­do­ku­men­ten und dem ur­sprüng­li­chen Ent­wurf von 1790: „So zeigt sich das Thea­ter heu­te zwar in sei­nem his­to­ri­schen Ge­wand, doch ist an ver­ein­zel­ten, wohl aus­ge­wähl­ten Stel­len deut­lich zu er­ken­nen, dass die Ge­gen­wart, in der es er­rich­tet wor­den ist, in der Ar­chi­tek­tur des Thea­ters re­flek­tiert wird.“

Erst­ver­öf­fent­li­chung auf takt1¶

Im Fe­nice – hier der Na­men ge­ben­de Phö­nix über dem Büh­nen­por­tal – di­ri­gier­te Wag­ner am 24. De­zem­ber 1882 sein letz­tes Kon­zert. Foto: Tea­t­ro La Fenice/​Michele Crosera

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