„Der diese Liebe mir ins Herz gehaucht“

Wolf­gang Ama­de­us Mo­zart, der heu­te vor 265 Jah­ren auf die Welt kam, war auch für Ri­chard Wag­ner ein Fix­stern, auf den die­ser sich kon­kret bezog.

Aus­schnitt des post­hu­men Mo­zart-Por­träts von Bar­ba­ra Krafft aus dem Jahr 1819 Vor­la­ge: Wi­ki­me­dia Commons

Es gibt Tage, da ist ein­fach zu viel pas­siert, was in Hin­blick auf Wag­ner re­le­vant ist. Heu­te zum Bei­spiel ra­gen bei den Ge­burts- und Ge­denk­ta­gen Mo­zart (*1756) und Ver­di (†1901) her­aus. Was tun? Na­tür­lich ver­wei­se ich in dem Zu­sam­men­hang lie­bend ger­ne auf Eck­hard Hen­scheids Stan­dard­werk „Ver­di ist der Mo­zart Wag­ners“, das un­schlag­bar mei­ne heu­ti­gen Fix­ster­ne ver­eint und als Re­clam-Büch­lein nach wie vor zu ha­ben ist. An­sons­ten sei aus prag­ma­ti­schen Grün­den ent­schie­den, dass Ver­di bes­ser ein an­der Mal drankommt.

Mo­zart also, ge­bo­ren am 27. Jän­ner 1756 in Salz­burg, spiel­te in Wag­ners Le­ben im­mer wie­der eine Rol­le – bis zu­letzt. Im No­vem­ber 1878 be­zeich­ne­te er sich sel­ber als den „letz­ten Moz­ar­tia­ner“. Und in ei­nem klei­nen Nach­trag zum letz­ten Ve­ne­di­g­a­uf­ent­halt heißt es zum 23. De­zem­ber 1882 in Co­si­mas Ta­ge­buch: „Abends singt er die Arie des Bel­mon­te aus der ‚Ent­füh­rung‘ und die herr­li­che Maureske.“

„Mo­zarts Le­ben“, schrieb Wag­ner in sei­nen Ge­sam­mel­ten Schrif­ten und dach­te da­bei na­tür­lich im­mer auch ein biss­chen an sich sel­ber, „war ein un­aus­ge­setz­ter Kampf für eine fried­lich ge­si­cher­te Exis­tenz, wie sie ge­ra­de ihm so ei­gent­hüm­lich er­schwert blei­ben soll­te. Als Kind von halb Eu­ro­pa ge­lieb­kost, fin­det er als Jüng­ling jede Be­frie­di­gung sei­ner leb­haft er­reg­ten Nei­gun­gen bis zur läs­tigs­ten Be­drü­ckung er­schwert, um, von dem Ein­trit­te in das Man­nes­al­ter an, ei­nem elend frü­hen Tode entgegenzusiechen.“

Und wei­ter: „Ihm ward so­fort der Mu­sik­dienst bei ei­nem fürst­li­chen Herrn un­er­träg­lich: er sucht sich vom Bei­fal­le des grö­ße­ren Pu­bli­kums zu er­näh­ren, gie­bt Kon­zer­te und Aka­de­mien; das flüch­tig Ge­won­ne­ne wird der Le­bens­lust ge­op­fert. Ver­lang­te Haydn’s Fürst stets be­rei­te neue Un­ter­hal­tung, so muss­te Mo­zart nicht min­der von Tag zu Tag für et­was Neu­es sor­gen, um das Pu­bli­kum an­zu­zie­hen; Flüch­tig­keit in der Kon­zep­ti­on und in der Aus­füh­rung nach an­ge­eig­ne­ter Rou­ti­ne, wird ein Haupt­er­klä­rungs­grund für den Cha­rak­ter ih­rer Wer­ke. Sei­ne wahr­haft ed­len Wer­ke schrieb Haydn erst als Greis, im Ge­nus­se ei­nes auch durch aus­wär­ti­gen Ruhm ge­si­cher­ten Be­ha­gens. Nie ge­lang­te aber Mo­zart zu die­sem: sei­ne schöns­ten Wer­ke sind zwi­schen dem Ueber­mu­the des Au­gen­bli­ckes und der Angst der nächs­ten Stun­de ent­wor­fen. So stand ihm im­mer nur wie­der eine reich­li­che fürst­li­che Be­diens­tung als er­sehn­te Ver­mitt­le­rin ei­nes dem künst­le­ri­schen Pro­du­zi­ren güns­ti­ge­ren Le­bens vor der See­le. Was ihm sein Kai­ser vor­ent­hält, bie­tet ihm ein Kö­nig von Preu­ßen: er bleibt ‚sei­nem Kai­ser‘ treu, und ver­kommt da­für im Elend.“

Man kann dar­aus durch­aus ein am­bi­va­len­tes Ver­hält­nis her­aus­le­sen. War der jun­ge Wag­ner tat­säch­lich ein be­geis­ter­ter Moz­ar­tia­ner und häu­fi­ger Mo­zart-Di­ri­gent, so be­ton­te der wer­den­de Mu­sik­dra­ma­ti­ker vor al­lem die Un­ter­schie­de und De­fi­zi­te des an­de­ren und war erst im Al­ter wie­der frei ge­nug, das Ge­nie Mo­zart un­ein­ge­schränkt zu rüh­men. Wag­ners ers­ter Bio­graf Carl Fried­rich Gla­sen­app be­rich­tet, dass er un­ter an­de­rem dar­über klag­te, „wie we­nig ge­ra­de das Schön­heits­ge­fühl, ver­mö­ge des­sen er sich den ‚Nach­fol­ger Mo­zarts‘ nen­ne, bis­her noch be­ach­tet wor­den sei“ und ver­wies da­bei als Bei­spiel auf Brünn­hil­des „Der die­se Lie­be mir ins Herz ge­haucht“ im 3. Akt der „Wal­kü­re“.

Um we­nigs­tens am Schluss noch­mals auf Giu­sep­pe Ver­di zu­rück­zu­kom­men: Heu­te vor 172 Jah­ren wur­de „La Bat­ta­glia di Leg­na­no“, die ein­zi­ge Ri­sor­gi­men­to-Oper Ver­dis, in Rom ur­auf­ge­führt. Blei­ben noch zwei wei­te­re To­des­ta­ge: Am 27. Ja­nu­ar 1956 starb in Zü­rich der Di­ri­gent Erich Klei­ber, der als ent­schie­de­ner För­de­rer neu­er Mu­sik und er­bit­ter­ter Nazi-Geg­ner 1934 sei­nen Pos­ten als Ge­ne­ral­mu­sik­di­rek­tor in Ber­lin auf­gab und spä­ter über ein Jahr­zehnt lang am Tea­t­ro Colón in Bue­nos Ai­res das deut­sche Fach und vor al­lem auch Wag­ner-Auf­füh­run­gen dirigierte.

Am heu­ti­gen Tag des Ge­den­kens an die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und zum In­ter­na­tio­na­len Tag des Ge­den­kens an die Op­fer des Ho­lo­caust sei au­ßer­dem an den Kom­po­nis­ten und Pia­nis­ten Gi­deon Klein er­in­nert, der am 6. De­zem­ber 1919 bei Ol­mütz ge­bo­ren wur­de, am Pra­ger Kon­ser­va­to­ri­um stu­dier­te, bis das NS-Re­gime sei­ne wei­te­re Aus­bil­dung un­mög­lich mach­te. Im De­zem­ber 1941 wur­de er in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger The­re­si­en­stadt de­por­tiert. Ver­mut­lich an ei­nem 27. Ja­nu­ar wur­de dort, wo­von un­ter an­de­rem ein klei­nes Pla­kat zeugt, das Ver­di-Re­qui­em auf­ge­führt, mit Gi­deon Klein am Klavier.

Mit nam­haf­ten, eben­falls in­ter­nier­ten Mu­si­kern wie Hans Krá­sa, Vik­tor Ull­mann und Pa­vel Haas en­ga­gier­te er sich für das erst ver­bo­te­ne und dann zu Pro­pa­gan­da­zwe­cken miss­brauch­te Kul­tur­le­ben der La­ger­stadt, gab Kon­zer­te, schrieb kam­mer­mu­si­ka­li­sche Wer­ke, die auch im La­ger auf­führ­bar wa­ren, hielt Vor­trä­ge und un­ter­rich­te­te. Im Ok­to­ber 1944, neun Tage nach Be­en­di­gung sei­nes Streich­tri­os, wur­de er erst nach Ausch­witz und von dort in das Au­ßen­la­ger Fürs­ten­gru­be ver­schleppt, wo er kurz vor der Be­frei­ung am 27. Ja­nu­ar 1945 un­ter un­ge­klär­ten Um­stän­den in den Koh­len­gru­ben ums Le­ben kam.

Erst­ver­öf­fent­li­chung 2013 in dem Blog „Mein Wag­ner-Jahr“ auf in​fran​ken​.de