Am 12. Dezember ist nach längerer Krankheit im Alter von 82 Jahren Oswald Georg Bauer gestorben, für über vier Jahrzehnte der wichtigste Mitarbeiter für Wolfgang Wagner.
Als Oswald Georg Bauer am 5. Februar 2021 seinen 80. Geburtstag feiern konnte, habe ich eine aus guten Gründen durchaus persönlich gefärbte Gratulation verfasst, in der die geneigten Leserinnen und Leser schon fast so gut wie alles finden mögen. Aus dem jetzt traurigen Anlass will ich diesen informativen Artikel nur mit ein paar aktuellen Gedanken ergänzen.
Oswald Georg Bauer war bis zu seinem Lebensende der loyalste Festspielmitarbeiter, den man sich denken kann – und ja, ich muss es so sagen: Er war ein klassischer Diener seines Herrn Wolfgang Wagner, dem er, auch als er hauptberuflich längst nicht mehr in Bayreuth war, fast schon symbiotisch verbunden blieb. Für die Bayreuther Festspiele war Bauer, selbst wenn er auf dem Papier in anderen Funktionen angestellt und später noch beigezogen war, in allererster Linie DER Dramaturg – und zwar in umfassendem Maße. Er sprang in den siebziger Jahren ein in die intellektuelle und kommunikative Lücke, für die Wolfgang Wagner weder von seiner Person als auch von seinem Selbstbild her etwas übrig hatte. Bauer stand dem Rekord-Prinzipal in der Festspielhierarchie neben Wolfgangs zweiter Ehefrau Gudrun Wagner und später deren Tochter Katharina zumindest intern zweifellos mit am nächsten. Er gab Anregungen für das Engagement von Regisseuren, Ausstattern, Dirigenten und Sängern, natürlich suchte und fand er die richtigen Autoren für die Publikationen der Festspiele, welche gerade in die Zeitläufte und in das so noch nicht bezeichnete, aber durchaus vorhandene Festspielmarketing passten.
Dass Bauer in seiner Festspielchronik, zu der ihn Wolfgang Wagner 1989 konkret beauftragt hatte und die erst 2016 erschienen ist, unter anderem seinem Chef in Bezug auf dessen Inszenierungen kein einziges Haar krümmte (wohl weil er dramaturgisch selbst erheblich an ihnen beteiligt war) und zuletzt kritische Worte für die dem Wagner-Enkel nachfolgenden Wagner-Urenkelinnen fand, haben rückwärtsgewandte Wagnerianer seither gern in ihrem Sinne missbraucht. Nein, Oswald hatte rein gar nichts gegen das sogenannte Regietheater, auch nichts gegen unkonventionelle Lösungen. Schließlich wurde er, was sich eben auch in seiner Festspielgeschichte nicht übersehen lässt, geprägt durch den legendären Jahrhundert-„Ring“ unter Patrice Chéreau und Pierre Boulez, der seinerzeit und sehr lange nachwirkend im Opernbereich das Nonplusultra der Avantgarde war. Oswald ist letztlich nur, was doch der Mehrzahl älter werdenden Menschen eigen ist, mehr geneigt gewesen, das lange Gewohnte, Geschätzte und vielleicht sogar Geliebte, fortgesetzt sehen zu wollen. Gleichwohl fand er folgende Worte zum Schluss seines Opus summum:
Das Ringen um Deutung und Verständnis dauert nun schon 140 Jahre. Bayreuth wurde in den Dienst schlimmer Ideologien gestellt, seine Geschichte ist begleitet von Missverständnissen, von der Verachtung und vom Missionieren, von Proselytentum und Vergötzung, von „in den Himmel heben“ und „in die Hölle verwünschen“, von Ausbeutung, von Kontroversen, Reflexionen, von Missbrauch, Missdeutung und verantwortungsvollem Umgang, von Deutungsversuchen und Exegesen, von Katechismus, Bibel und Anathema: All dies zeigt uns letztlich, was für Wagners Werk und für Bayreuth gilt: Nichts ist abgegolten.
Bayreuth hat immer die Kraft entwickelt, sich aus sich selbst zu erneuern. Wie oft wurden die Festspiele totgesagt oder ihr Ende prophezeit oder vorausgesehen! Wie oft hat sich Richard Wagner schon im Grab umgedreht!
Das Theater ist eine vergängliche Kunstform. Für Wieland Wagner war der Weg das Ziel. Das kann auch heute noch gelten. Das wird auch weiterhin Bayreuths Weg in die Zukunft sein. Und deshalb: Machen wir uns auf den Weg, gehen wir ihn weiter. Denn:
Nichts ist zu Ende.
Alles liegt noch vor uns.
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