Abschied von Oswald Georg Bauer

Am 12. De­zem­ber ist nach län­ge­rer Krank­heit im Al­ter von 82 Jah­ren Os­wald Ge­org Bau­er ge­stor­ben, für über vier Jahr­zehn­te der wich­tigs­te Mit­ar­bei­ter für Wolf­gang Wagner.

Os­wald Ge­org Bau­er bei der Über­rei­chung der Bay­reuth-Me­dail­le in Gold durch Ober­bür­ger­meis­te­rin Bri­git­te Merk-Erbe 2017 Foto: Stadt Bayreuth/​Andreas Türk

Als Os­wald Ge­org Bau­er am 5. Fe­bru­ar 2021 sei­nen 80. Ge­burts­tag fei­ern konn­te, habe ich eine aus gu­ten Grün­den durch­aus per­sön­lich ge­färb­te Gra­tu­la­ti­on ver­fasst, in der die ge­neig­ten Le­se­rin­nen und Le­ser schon fast so gut wie al­les fin­den mö­gen. Aus dem jetzt trau­ri­gen An­lass will ich die­sen  in­for­ma­ti­ven Ar­ti­kel nur mit ein paar ak­tu­el­len Ge­dan­ken ergänzen.

Os­wald Ge­org Bau­er war bis zu sei­nem Le­bens­en­de der loyals­te Fest­spiel­mit­ar­bei­ter, den man sich den­ken kann – und ja, ich muss es so sa­gen: Er war ein klas­si­scher Die­ner sei­nes Herrn Wolf­gang Wag­ner, dem er, auch als er haupt­be­ruf­lich längst nicht mehr in Bay­reuth war, fast schon sym­bio­tisch ver­bun­den blieb. Für die Bay­reu­ther Fest­spie­le war Bau­er, selbst wenn er auf dem Pa­pier in an­de­ren Funk­tio­nen an­ge­stellt und spä­ter noch bei­gezo­gen war, in al­ler­ers­ter Li­nie DER Dra­ma­turg – und zwar in um­fas­sen­dem Maße. Er sprang in den sieb­zi­ger Jah­ren ein in die in­tel­lek­tu­el­le und kom­mu­ni­ka­ti­ve Lü­cke, für die Wolf­gang Wag­ner we­der von sei­ner Per­son als auch von sei­nem Selbst­bild her et­was üb­rig hat­te. Bau­er stand dem Re­kord-Prin­zi­pal in der Fest­spiel­hier­ar­chie ne­ben Wolf­gangs zwei­ter Ehe­frau Gud­run Wag­ner und spä­ter de­ren Toch­ter Ka­tha­ri­na zu­min­dest in­tern zwei­fel­los mit am nächs­ten. Er gab An­re­gun­gen für das En­ga­ge­ment von Re­gis­seu­ren, Aus­stat­tern, Di­ri­gen­ten und Sän­gern, na­tür­lich such­te und fand er die rich­ti­gen Au­toren für die Pu­bli­ka­tio­nen der Fest­spie­le, wel­che ge­ra­de in die Zeit­läuf­te und in das so noch nicht be­zeich­ne­te, aber durch­aus vor­han­de­ne Fest­spiel­mar­ke­ting passten.

Dass Bau­er in sei­ner Fest­spiel­chro­nik, zu der ihn Wolf­gang Wag­ner 1989 kon­kret be­auf­tragt hat­te und die erst 2016 er­schie­nen ist, un­ter an­de­rem sei­nem Chef in Be­zug auf des­sen In­sze­nie­run­gen kein ein­zi­ges Haar krümm­te (wohl weil er dra­ma­tur­gisch selbst er­heb­lich an ih­nen be­tei­ligt war) und zu­letzt kri­ti­sche Wor­te für die dem Wag­ner-En­kel nach­fol­gen­den Wag­ner-Ur­en­ke­lin­nen fand, ha­ben rück­wärts­ge­wand­te Wag­ne­ria­ner seit­her gern in ih­rem Sin­ne miss­braucht. Nein, Os­wald hat­te rein gar nichts ge­gen das so­ge­nann­te Re­gie­thea­ter, auch nichts ge­gen un­kon­ven­tio­nel­le Lö­sun­gen. Schließ­lich wur­de er, was sich eben auch in sei­ner Fest­spiel­ge­schich­te nicht über­se­hen lässt, ge­prägt durch den le­gen­dä­ren Jahrhundert-„Ring“ un­ter Pa­tri­ce Ché­reau und Pierre Bou­lez, der sei­ner­zeit und sehr lan­ge nach­wir­kend im Opern­be­reich das Non­plus­ul­tra der Avant­gar­de war. Os­wald ist letzt­lich nur, was doch der Mehr­zahl äl­ter wer­den­den Men­schen ei­gen ist, mehr ge­neigt ge­we­sen, das lan­ge Ge­wohn­te, Ge­schätz­te und viel­leicht so­gar Ge­lieb­te, fort­ge­setzt se­hen zu wol­len. Gleich­wohl fand er fol­gen­de Wor­te zum Schluss sei­nes Opus summum:

Das Rin­gen um Deu­tung und Ver­ständ­nis dau­ert nun schon 140 Jah­re. Bay­reuth wur­de in den Dienst schlim­mer Ideo­lo­gien ge­stellt, sei­ne Ge­schich­te ist be­glei­tet von Miss­ver­ständ­nis­sen, von der Ver­ach­tung und vom Mis­sio­nie­ren, von Pro­se­ly­ten­tum und Ver­göt­zung, von „in den Him­mel he­ben“ und „in die Höl­le ver­wün­schen“, von Aus­beu­tung, von Kon­tro­ver­sen, Re­fle­xio­nen, von Miss­brauch, Miss­deu­tung und ver­ant­wor­tungs­vol­lem Um­gang, von Deu­tungs­ver­su­chen und Ex­ege­sen, von Ka­te­chis­mus, Bi­bel und Ana­the­ma: All dies zeigt uns letzt­lich, was für Wag­ners Werk und für Bay­reuth gilt: Nichts ist abgegolten.
Bay­reuth hat im­mer die Kraft ent­wi­ckelt, sich aus sich selbst zu er­neu­ern. Wie oft wur­den die Fest­spie­le tot­ge­sagt oder ihr Ende pro­phe­zeit oder vor­aus­ge­se­hen! Wie oft hat sich Ri­chard Wag­ner schon im Grab umgedreht!
Das Thea­ter ist eine ver­gäng­li­che Kunst­form. Für Wie­land Wag­ner war der Weg das Ziel. Das kann auch heu­te noch gel­ten. Das wird auch wei­ter­hin Bay­reuths Weg in die Zu­kunft sein. Und des­halb: Ma­chen wir uns auf den Weg, ge­hen wir ihn wei­ter. Denn:
Nichts ist zu Ende.
Al­les liegt noch vor uns.

O. G. Bau­er – Foto: Mi­cha­el Weiser 
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