Oswald Georg Bauer, DER Bayreuth-Chronist und -Dramaturg in der Ära Wolfgang Wagner, wird heute achtzig Jahr alt. Es gratuliert seine kurzzeitige rechte und linke Hand im Festspiel-Pressebüro.
Schon allein wenn man die Bücher im Regal nebeneinander stellt, die Oswald Georg Bauer verfasst hat und die zum Großteil Standardwerke sind, kommt in Zentimetern schnell mehr heraus als bei den meisten Wagner-Autoren. Nimmt man dann noch die Jahreshefte und Programmhefte der Bayreuther Festspiele von 1976 bis 1985 und die Ausstellungskataloge hinzu, für deren Inhalt er zuständig war, muss man einen Meterstab zücken, um seine Publikationsleistung zu messen. Heute vor achtzig Jahren, am 5. Februar 1941, wurde Bauer als sechster Sproß einer kinderreichen Bauernfamilie bei Würzburg geboren.
„Dass er einmal eine enge Beziehung zu Bayreuth, den Festspielen und Wolfgang Wagner haben wird“, sagte Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, als sie dem promovierten Theaterwissenschaftler, Wagner- und Bayreuth-Experten am 16. Mai 2017 die Bayreuth-Medaille in Gold verlieh, „war nicht unbedingt vorauszusehen. Aber dass sein berufliches Leben etwas mit Theater zu tun haben wird, dies war ihm früh klar.“ Im Vorfeld dieser Ehrung schilderte Bauer der Oberbürgermeisterin seinen frühen Werdegang wie folgt:
„Ich wollte unbedingt in die Schule, und ich wollte ins Gymnasium und das Abitur machen. Als Schüler habe ich in dem ärmlichen Würzburger Stadttheater Mozarts ‚Hochzeit des Figaro‘ gesehen und fühlte mich wie im siebten Himmel. Die Aufführung des ‚Tagebuchs der Anne Frank‘ hat mich tief berührt. Mir war klar, dass ich irgendetwas mit Theater machen musste.“ Was tatsächlich gelang. Er studierte in München und Wien Theaterwissenschaften Literatur, Kunstgeschichte und Musik, seine Dissertation „Allegorien auf dem Theater des Mittelalters und der Renaissance“ brachte ihm den Doktortitel – „summa cum laude“.
1971 traf er erstmals auf Wolfgang Wagner, 1973 wurde er wissenschaftlich-künstlerischer Mitarbeiter der Bayreuther Festspiele, war ab 1974 unter anderem zuständig für die Ausstellungen der Festspiele und ab 1977 auch Leiter des Pressebüros. Es war die aufregendste und innovativste Zeit in der Ära des Wagner-Enkels, und allein die von Bauer konzipierte Ausstellung zum 100. Festspieljubiläum war in vier Kontinenten zu sehen und fesselte 1,2 Millionen Besucher. Nicht zu vergessen seine kompetenten Vorträge, mit denen er bis heute Wagnerianer in aller Welt beglücken sollte.
Dass Bauer 1986 als Generalsekretär der Bayerischen Akademie der schönen Künste nach München wechselte, wo er bis zu seinem Ruhestand hauptberuflich unter anderem den Aufbau der Abteilung Darstellende Kunst beförderte und Lehraufträge auch an der Ludwig-Maximilians-Universität ausübte, hatte private Gründe und änderte nichts an seiner Loyalität gegenüber den Festspielen und Wolfgang Wagner, dem er als hochgeschätzter Berater bis zu dessen Rücktritt 2008 treu blieb. Als Bauer fast zwei Jahrzehnte zuvor, am letzten Aufführungstag der Festspiele 1989, den Wagner-Enkel fragte, was dieser davon hielte, wenn er eine Geschichte der Festspiele schreibe, sagte der Festspielleiter: „Herr Bauer, hiermit ernenne ich Sie zum Chronisten der Festspiele.“
An dem Zusatz „aber ausschließlich aus den Quellen“ sollte sich der frisch gebackene Chronist ganz schön abarbeiten, denn es galt nicht nur, die festspielhausinternen Dokumente, Unterlagen, Presseberichte und das komplette Bildmaterial zu sichten und einzuordnen, sondern auch die Archivalienfülle andernorts sowie die überbordende Sekundärliteratur. Darüber hinaus suchte und fand Bauer bisher nicht veröffentlichte Berichte aus Nachlässen von Zeitzeugen. Von 2004 an, mit Beginn seines Ruhestands, arbeitete er kontinuierlich an dem Projekt. Insgesamt 27 Jahre dauerte es vom Auftrag bis zur feierlichen Buchpräsentation in der Villa Wahnfried am 26. Juli 2016 – eine wahrhaft wagnerische Zeitspanne, denn von der ersten Idee bis zur Uraufführung des zentralen Wagner-Werks, der „Ring“-Tetralogie, dauerte es fast genauso lang.
Band I von „Die Geschichte der Bayreuther Festspiele“ beginnt 1850 mit den ersten Festspielplänen und umspannt mit etlichen Krisen- und Kriegszeiten ein komplettes Jahrhundert, Band II beginnt mit der Ära Neu-Bayreuths 1951 und präsentiert die seither jährliche Festspielgeschichte chronologisch bis ins Jahr 2000. Kritiker haben das knapp 1300 Seiten und über 1000 Abbildungen umfassende, insgesamt mehr als sieben Kilo auf die Waage bringende Kompendium in seltener Einmütigkeit sofort als Standardwerk gerühmt.
Neben der Bayreuth-Medaille in Gold erhielt Bauer 2017 auch noch den mit 10 000 Euro dotierten Richard-Wagner-Preis der Richard-Wagner-Stiftung Leipzig. Dass zu diesem Zeitpunkt auch noch der gemeinsam mit Till Haberfeld erarbeitete Text- und Bildband über Wieland Wagner erscheinen konnte, lässt viele Wagnerianer hoffen, dass sie für weitere Publikationen von Oswald Georg Bauer noch ein paar Zentimeter Platz im Regal brauchen. Happy Birthday, Oswald!
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