Happy Birthday, Oswald!

Os­wald Ge­org Bau­er, DER Bay­reuth-Chro­nist und -Dra­ma­turg in der Ära Wolf­gang Wag­ner, wird heu­te acht­zig Jahr alt. Es gra­tu­liert sei­ne kurz­zei­ti­ge rech­te und lin­ke Hand im Festspiel-Pressebüro.

Os­wald Ge­org Bau­er bei der Über­rei­chung der Bay­reuth-Me­dail­le in Gold durch Ober­bür­ger­meis­te­rin Bri­git­te Merk-Erbe 2017 Foto: Stadt Bayreuth/​Andreas Türk

Schon al­lein wenn man die Bü­cher im Re­gal ne­ben­ein­an­der stellt, die Os­wald Ge­org Bau­er ver­fasst hat und die zum Groß­teil Stan­dard­wer­ke sind, kommt in Zen­ti­me­tern schnell mehr her­aus als bei den meis­ten Wag­ner-Au­toren. Nimmt man dann noch die Jah­res­hef­te und Pro­gramm­hef­te der Bay­reu­ther Fest­spie­le von 1976 bis 1985 und die Aus­stel­lungs­ka­ta­lo­ge hin­zu, für de­ren In­halt er zu­stän­dig war, muss man ei­nen Me­ter­stab zü­cken, um sei­ne Pu­bli­ka­ti­ons­leis­tung zu mes­sen. Heu­te vor acht­zig Jah­ren, am 5. Fe­bru­ar 1941, wur­de Bau­er als sechs­ter Sproß ei­ner kin­der­rei­chen Bau­ern­fa­mi­lie bei Würz­burg geboren.

„Dass er ein­mal eine enge Be­zie­hung zu Bay­reuth, den Fest­spie­len und Wolf­gang Wag­ner ha­ben wird“, sag­te Bay­reuths Ober­bür­ger­meis­te­rin Bri­git­te Merk-Erbe, als sie dem pro­mo­vier­ten  Thea­ter­wis­sen­schaft­ler, Wag­ner- und Bay­reuth-Ex­per­ten am 16. Mai 2017 die Bay­reuth-Me­dail­le in Gold ver­lieh, „war nicht un­be­dingt vor­aus­zu­se­hen. Aber dass sein be­ruf­li­ches Le­ben et­was mit Thea­ter zu tun ha­ben wird, dies war ihm früh klar.“ Im Vor­feld die­ser Eh­rung schil­der­te Bau­er der Ober­bür­ger­meis­te­rin sei­nen frü­hen Wer­de­gang wie folgt:

„Ich woll­te un­be­dingt in die Schu­le, und ich woll­te ins Gym­na­si­um und das Ab­itur ma­chen. Als Schü­ler habe ich in dem ärm­li­chen Würz­bur­ger Stadt­thea­ter Mo­zarts ‚Hoch­zeit des Fi­ga­ro‘ ge­se­hen und fühl­te mich wie im sieb­ten Him­mel. Die Auf­füh­rung des ‚Ta­ge­buchs der Anne Frank‘ hat mich tief be­rührt. Mir war klar, dass ich ir­gend­et­was mit Thea­ter ma­chen muss­te.“ Was tat­säch­lich ge­lang. Er stu­dier­te in Mün­chen und Wien Thea­ter­wis­sen­schaf­ten Li­te­ra­tur, Kunst­ge­schich­te und Mu­sik, sei­ne Dis­ser­ta­ti­on „Al­le­go­rien auf dem Thea­ter des Mit­tel­al­ters und der Re­nais­sance“ brach­te ihm den Dok­tor­ti­tel – „sum­ma cum laude“.

1971 traf er erst­mals auf Wolf­gang Wag­ner, 1973 wur­de er wis­sen­schaft­lich-künst­le­ri­scher Mit­ar­bei­ter der Bay­reu­ther Fest­spie­le, war ab 1974 un­ter an­de­rem zu­stän­dig für die Aus­stel­lun­gen der Fest­spie­le und ab 1977 auch Lei­ter des Pres­se­bü­ros. Es war die auf­re­gends­te und in­no­va­tivs­te Zeit in der Ära des Wag­ner-En­kels, und al­lein die von Bau­er kon­zi­pier­te Aus­stel­lung zum 100. Fest­spiel­ju­bi­lä­um war in vier Kon­ti­nen­ten zu se­hen und fes­sel­te 1,2 Mil­lio­nen Be­su­cher. Nicht zu ver­ges­sen sei­ne kom­pe­ten­ten Vor­trä­ge, mit de­nen er bis heu­te Wag­ne­ria­ner in al­ler Welt be­glü­cken sollte.

Dass Bau­er 1986 als Ge­ne­ral­se­kre­tär der Baye­ri­schen Aka­de­mie der schö­nen Küns­te nach Mün­chen wech­sel­te, wo er bis zu sei­nem Ru­he­stand haupt­be­ruf­lich un­ter an­de­rem den Auf­bau der Ab­tei­lung Dar­stel­len­de Kunst be­för­der­te und Lehr­auf­trä­ge auch an der Lud­wig-Ma­xi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät aus­üb­te, hat­te pri­va­te Grün­de und än­der­te nichts an sei­ner Loya­li­tät ge­gen­über den Fest­spie­len und Wolf­gang Wag­ner, dem er als hoch­ge­schätz­ter Be­ra­ter bis zu des­sen Rück­tritt 2008 treu blieb. Als Bau­er fast zwei Jahr­zehn­te zu­vor, am letz­ten Auf­füh­rungs­tag der Fest­spie­le 1989, den Wag­ner-En­kel frag­te, was die­ser da­von hiel­te, wenn er eine Ge­schich­te der Fest­spie­le schrei­be, sag­te der Fest­spiel­lei­ter: „Herr Bau­er, hier­mit er­nen­ne ich Sie zum Chro­nis­ten der Festspiele.“

An dem Zu­satz „aber aus­schließ­lich aus den Quel­len“ soll­te sich der frisch ge­ba­cke­ne Chro­nist ganz schön ab­ar­bei­ten, denn es galt nicht nur, die fest­spiel­haus­in­ter­nen Do­ku­men­te, Un­ter­la­gen, Pres­se­be­rich­te und das kom­plet­te Bild­ma­te­ri­al zu sich­ten und ein­zu­ord­nen, son­dern auch die Ar­chi­va­li­en­fül­le an­dern­orts so­wie die über­bor­den­de Se­kun­där­li­te­ra­tur. Dar­über hin­aus such­te und fand Bau­er bis­her nicht ver­öf­fent­lich­te Be­rich­te aus Nach­läs­sen von Zeit­zeu­gen. Von 2004 an, mit Be­ginn sei­nes Ru­he­stands, ar­bei­te­te er kon­ti­nu­ier­lich an dem Pro­jekt. Ins­ge­samt 27 Jah­re dau­er­te es vom Auf­trag bis zur fei­er­li­chen Buch­prä­sen­ta­ti­on in der Vil­la Wahn­fried am 26. Juli 2016 – eine wahr­haft wag­ne­ri­sche Zeit­span­ne, denn von der ers­ten Idee bis zur Ur­auf­füh­rung des zen­tra­len Wag­ner-Werks, der „Ring“-Tetralogie, dau­er­te es fast ge­nau­so lang.

Band I von „Die Ge­schich­te der Bay­reu­ther Fest­spie­le“ be­ginnt 1850 mit den ers­ten Fest­spiel­plä­nen und um­spannt mit et­li­chen Kri­sen- und Kriegs­zei­ten ein kom­plet­tes Jahr­hun­dert, Band II be­ginnt mit der Ära Neu-Bay­reuths 1951 und prä­sen­tiert die seit­her jähr­li­che Fest­spiel­ge­schich­te chro­no­lo­gisch bis ins Jahr 2000. Kri­ti­ker ha­ben das knapp 1300 Sei­ten und über 1000 Ab­bil­dun­gen um­fas­sen­de, ins­ge­samt mehr als sie­ben Kilo auf die Waa­ge brin­gen­de Kom­pen­di­um in sel­te­ner Ein­mü­tig­keit so­fort als Stan­dard­werk gerühmt.

Ne­ben der Bay­reuth-Me­dail­le in Gold er­hielt Bau­er 2017 auch noch den mit 10 000 Euro do­tier­ten Ri­chard-Wag­ner-Preis der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung Leip­zig. Dass zu die­sem Zeit­punkt auch noch der ge­mein­sam mit Till Ha­ber­feld er­ar­bei­te­te Text- und Bild­band über Wie­land Wag­ner er­schei­nen konn­te, lässt vie­le Wag­ne­ria­ner hof­fen, dass sie für wei­te­re Pu­bli­ka­tio­nen von Os­wald Ge­org Bau­er noch ein paar Zen­ti­me­ter Platz im Re­gal brau­chen. Hap­py Bir­th­day, Oswald!

Die Lau­da­to­rin 1978 im Fest­spiel-Pres­se­bü­ro – Foto: Jörg Schulze