Schon aus urheberrechtlichlichen Gründen gibt es an dieser Stelle mitnichten den kompletten Text unserer „Wagner-Weihnacht“. Ein Auszug und ein sehr kurzes Video mögen genug für sich sprechen.
Die „Wagner-Weihnacht“ aus meiner Feder, die von Wagnerverbänden und sonstigen Interessenten (inklusive des dafür zwingend notwendigen und einzigartigen Spieluhr-Virtuosen Franz Tröger mitsamt der probaten Rezitatorin Gertrud Eiselen) bei uns angefragt werden kann, präsentiert innerhalb einer Stunde wesentliche Vorkommnisse im Leben Richard Wagners und seiner Familie an Weihnachten – angefangen bei der Uraufführung der sogenannten Paukenschlag-Ouvertüre am 25. Dezember 1830 in Leipzig bis hin zur von Wagner selbst dirigierten „Ausgrabung“ seiner einzigen Symphonie am 24. Dezember 1882 im Teatro la fenice in Venedig zu Cosimas 45. Geburtstag. Und natürlich darf bei der Thematik die von Paul von Joukowsky gemalte „Heilige Familie“ nicht fehlen. Hier als Beispiel die erste Wagner-Weihnacht in Tribschen 1869, die Cosima ab dem 11. Dezember in ihrem Tagebuch unter anderem wie folgt beschreibt (Zitate im Kursivsatz):
„Wir beschließen den Knecht Ruprecht und das Christkindchen zu Weihnachten.
Was das heißt, wird vier Tage später klar. Sie notiert:
Das Christkindchen kam, ein ganz armes Mädchen aus Bamberg, wir wollen es schön ankleiden, daß es nach dem Knecht Ruprecht die Kinder ruft, und es dann auch bescheren.
Wie das vor 154 Jahren ablief, ist von Cosima wie folgt zum 24. Dezember 1869 festgehalten:
Großes Arrangement. Alle Namen (des ganzen Hauses) habe ich sorgfältig gemalt und sie in der Stube verteilt. Es galt, ohne Tische die Bescherung zu Stande zu bringen. Professor Nietzsche
– ja, es handelt sich um den später sehr berühmt gewordenen Philosophen Friedrich Nietzsche, zunächst ein sehr junger Professor aus Basel, den die Wagners gerade erstmals auch an Weihnachten zu sich nach Tribschen eingeladen haben –
Professor Nietzsche kommt am Morgen und hilft mir, das Puppentheater mit Iftekhar herzurichten.
Iftekhar? Hmmh. Damit ich Ihnen heute Genaueres dazu sagen kann, haben mehrere Leute erst mal tüchtig recherchieren müssen. Cosima äußert sich am 18. Dezember 1869 in einem Brief an Nietzsche:
Iftekhar ist bereits da; wer oder was Iftekhar ist würde ich Ihnen höchstens dann sagen wenn Sie sich als treuer Fünfundzwanzigjähriger entschlössen etwas früher hierher zu kommen und mir Aepfel und Nüsse vergolden helfen. Aber vielleicht errathen Sie was Iftekhar ist wenn ich Ihnen sage dass Sie ihn nicht da sehen werden wo er bestimmt war zu glänzen sondern auf dem Frontispice unseres Puppentheaters.
Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen: Nischan el Iftikhar (ja, korrekt schreibt er sich mittig nicht mit E, sondern mit I!) ist der Name eines Ordens des Bey von Tunis, den es in fünf Stufen gab und dessen Empfang Wagner gar nicht erst bescheinigen wollte, ‚da es zu lächerlich ist, um es abzuschlagen.‘ Während der in dem Fall ungern Geehrte den wohl eher niedrigen Verdienstorden aus Silberblech sofort als Schmuck für den Giebel des Puppentheaters, beschrieb die Presse wenig später die Gabe aus Nordafrika durchaus anders. Cosima am 14. Januar 1870:
In den Zeitungen steht, daß der Bei von Tunis einen Orden mit Diamanten R. zugesendet habe, so wird die Geschichte geschrieben!
Für alle, die Cosimas Tagebücher noch nicht gelesen haben: R. (PUNKT – den Punkt lassen wir künftig!) R ist zu dem Zeitpunkt noch ihr Lebensabschnittsgefährte, mit dem sie Ehebruch begeht. Über diese Geschichte breiten wir gerne mehrere Martins- und Nikolausmäntel und konzentrieren uns auf die Wagner-Weihnacht anno 1869. Cosima schreibt:
Nachmittags muß ich noch einiges besorgen, während dem macht R die Probe von Knecht Ruprecht und Christkindchen. Ich komme heim, es wird begonnen. Ich mit dem Professor bei den Kindern, fordere Loulou
– das ist die älteste Tochter Daniela –
Ich … fordere Loulou auf, den ‚Kampf mit dem Drachen‘ vorzusagen um ihre Geisteskräfte in Anspruch zu nehmen; sie sagt es bis zum das Kirchlein kennst du, Herr, da tritt Hermine
– Hermine ist das Kindermädchen der beiden Bülow-Kinder –
da tritt Hermine herein und sagt, sie habe so brüllen hören, plötzlich ist unser Knecht Ruprecht da und brüllt; furchtbarer Schrecken der Kinder, R besänftigt ihn allmählich, er wirft seine Nüsse aus, großer Jubel der Kinder. Während sie aufklauben, steht das Christkindchen glänzend beleuchtet da. Stillschweigend folgt das ganze Haus, ich voran mit den Kindern; das Christkindchen winkt mit dem Baum und wandelt langsam die Treppe hinunter, es verschwindet durch die Galerie, die Kinder, verblendet von dem Glanz des Baumes und der Spielsachen, sehen es nicht verschwinden. Nach der Bescherung bete ich vor dem ausgelöschten Baum mit den Kindern.
Noch in derselben Nacht entwirft Cosima ein Gebet, das sie in Reinschrift am Ende des ersten Tagebuch-Quartheftes dokumentiert. Es lautet:
Liebes Christkindchen, Du bist zu uns gekommen und hast uns beglückt, wir danken Dir, indem wir an alle Unglücklichen denken und Dich herzlich bitten, an diesem Abend sie heimzusuchen und zu segnen. Den armen Hungrigen, die kalt und dunkel haben, schenke Deine Nahrung und Dein Himmelreich, den Armen, die ohne Freund, allein sind und weinen, bringe Deinen Trost und sage, daß sie selig sind, die Kinderchen grüße, denen keine Mutter den Baum anzündet, und sage ihnen, daß Du ihr bester Freund bist. Wie Du uns die vielen Lichterchen beschert hast, schenke allen Dein großes Licht, daß sie sich glücklich fühlen wie wir.“
Es folgt die erste hinreißende Einlage von Franz Tröger, der zum Auftakt seiner Auftritte selbstverständlich auch die Herstellung und Besonderheit seiner Spieluhr-Adaptionen von Wagner-Kompositionen erläutert. Im Verlauf des Stücks spielt er unter anderem einen Walzer, eine Polka und einen Feuerwehr-Chor Wagners, seine leicht gekürzten Versionen von Walkürenritt, Siegfried-Idyll und – in Originallänge – dem Tristan-Akkord. Und er studiert gemeinsam mit dem sachkundigen und noch notenlesenkönnenden Publikum die späte Nummer 112 aus dem Wagner-Werkverzeichnis (WWV) ein. Dass er bei der Uraufführung außerdem mit dem Vorstand des RWV und anschließend auch allen anderen den Glockenjodler weihnachtlich bimbambommeln ließ, war ein großer Spaß. Vielleicht könnte man das im nächsten Dezember auch im Wahnfried-Saal aufführen, wer weiß? Vorsichtshalber frage ich mal bei Dr. Sven Friedrich an. Schließlich habe ich das Jodel-Diplom.
Video von Roland Fuchs, aufgenommen bei der Uraufführung am 13. Dezember 2023 im Anschluss an die Mitgliederversammlung des RWV Bamberg in der Gaststätte VereinsHAIN mit Franz Tröger (Spieluhr und weitere Instrumente) und Gertrud Eiselen (Rezitation)
Ähnliche Beiträge
- „Wagner-Weihnacht“ & Mitgliederversammlung 24. November 2023
- Jubiläumsprogramm (Teil 2) 7. Juni 2023
- Eine Reise in eine andere Welt 2. November 2024
- „Auf ihr lag immer noch ein sehr unbarmherziger Blick“ 21. Mai 2022
- Unsere nächste Veranstaltung 20. November 2024