Regietheater vom Feinsten

Ping, Pang und Pong als Fol­ter­knech­te: Sé­bas­tien Pa­rot­te, Hans Kit­tel­man und Mar­tin Platz mit ei­ner Sta­tis­tin in der Nürn­ber­ger In­sze­nie­rung von Ca­lix­to Biei­to. Foto: Lud­wig Olah

Wer den ka­ta­la­ni­schen Re­gis­seur Ca­lix­to Biei­to kennt – er hat hier­zu­lan­de un­ter an­de­rem schon mehr­fach und über­zeu­gend am Münch­ner Na­tio­nal­thea­ter und ei­nen mir un­ver­gess­li­chen „Par­si­fal“ in Stutt­gart in­sze­niert –, der weiß, dass man den Be­griff „vom Feins­ten“ aus der Über­schrift nicht wört­lich neh­men darf. Biei­to gilt als Re­gie-Ber­ser­ker, der auf der Büh­ne mit Blut, Schweiß, Trä­nen und sons­ti­gen Aus­schei­dun­gen nur so um sich wirft und kaum ei­nen Ge­walt­ex­zess aus­lässt. Was bei Tu­ran­dot ga­ran­tiert nicht ganz da­ne­ben sein kann, denn die aus ei­nem Mär­chen ent­lehn­te Prin­zes­sin lässt ihre Frei­er ent­haup­ten, falls sie ihre Rät­sel­fra­gen nicht lö­sen. In der Nürn­ber­ger In­sze­nie­rung ist Tu­ran­dot (in je­der Hin­sicht eine Wucht: Racha­el To­vey) die Che­fin ei­ner Fir­ma im heu­ti­gen Chi­na, in der Pup­pen für den Ver­sand nach Eu­ro­pa ver­packt wer­den. Cal­af (mehr Re­vo­luz­zer, we­ni­ger Schmalz: Vin­cent Wolf­stei­ner) und die ihn lie­ben­de Liù (su­perb: Hr­ach­uhì Bas­sénz) ge­hö­ren zur Ar­bei­ter­schaft im Blau­mann, die von Uni­for­mier­ten ger­ne auch bru­tal in Schach ge­hal­ten wer­den, dar­un­ter Ping, Pang und Pong. Letz­te­re wer­fen sich in ih­rer Frei­zeit – man gönnt sich ja sonst nichts – in Frau­en­klei­der (Kos­tü­me: Ingo Krüg­ler), um Frau­en zu schän­den. So karg das Büh­nen­bild von Re­bec­ca Ringst auch wirkt, es trifft prä­zi­se und spielt traum­wand­le­risch so­gar mit Asia­ti­schem. Ge­spielt wird die Frag­ment-Ver­si­on der letz­ten Puc­ci­ni-Oper, der Chor ist nicht nur sän­ge­risch stän­dig im Ein­satz, der pau­sen­lo­se, in je­der Se­kun­de ban­nen­de, weil tief­ge­hen­de As­so­zia­tio­nen we­cken­de Abend en­det mit Liùs Tod und letzt­lich mit ei­nem Tri­umph der Lie­be. Und die Mu­sik? Sie pro­fi­tiert da­von, dass der Re­gis­seur sei­ne Fin­ger in die Wun­den der Fi­gu­ren und ih­rer aus­beu­te­ri­schen Ge­sell­schaft legt. „Tu­ran­dot“ er­stickt hier nicht in Aus­stat­tung­s­pomp und Or­ches­ter­ku­li­na­rik, son­dern geht un­ter der Lei­tung von Pe­ter Til­ling mu­si­ka­lisch raf­fi­niert ans Ein­ge­mach­te. Was will man mehr? (Wei­te­re Vor­stel­lun­gen am 5., 10. und 23. No­vem­ber so­wie am 11., 19. und 30. Dezember)