Ein versierter Taucher im Meer von Wagners Briefen

Dr. Mar­tin Dür­rer, Edi­ti­ons­lei­ter der Ri­chard-Wag­ner-Brief­aus­ga­be sprich am 11. Ok­to­ber um 19.30 Uhr im Ho­tel Bam­ber­ger Hof über Wag­ners Brie­fe. Un­ser Bild zeigt ihn, um­ge­ben von Wag­ner-Bü­chern, an sei­nem Ar­beits­platz in Würz­burg. (Foto: Isa­bel Kraft)

»Wenn ich nur nicht so ent­setz­lich viel Brie­fe zu schrei­ben hät­te! Ich kom­me rein zu gar nichts.« So lau­tet eine der vie­len Kla­gen Ri­chard Wag­ners über die Nö­ti­gung zum Brie­fe­schrei­ben, hier in ei­nem Brief vom 9. Ok­to­ber 1859 an den Sän­ger Jo­seph Tichat­schek. Tat­säch­lich hat Wag­ner ne­ben sei­nem künst­le­ri­schen Oeu­vre und sei­nen Schrif­ten un­ge­fähr 10 000 Brie­fe hin­ter­las­sen. Die­se sind un­ent­behr­li­che Quel­len für die Kennt­nis von Wag­ners Bio­gra­phie und für das Ver­ständ­nis sei­ner Wer­ke und dar­über hin­aus zen­tra­le Do­ku­men­te der Kul­tur­ge­schich­te des 19. Jahrhunderts.

Die im Jahr 1967 be­gon­ne­ne Aus­ga­be Ri­chard Wag­ner: Sämt­li­che Brie­fe lie­fert erst­mals eine wis­sen­schaft­lich-kri­ti­sche Edi­ti­on sämt­li­cher er­reich­ba­rer Brie­fe des Kom­po­nis­ten. Der Schwer­punkt der Ar­beit liegt auf der um­fas­sen­den Kom­men­tie­rung, die nicht nur den ein­zel­nen Brie­fen, son­dern auch grö­ße­ren the­ma­ti­schen Zu­sam­men­hän­gen ge­wid­met ist. Bis heu­te sind von die­ser Brief­ge­samt­aus­ga­be be­reits 23 Bän­de er­schie­nen, die – mit ei­ner Lü­cke durch Band 20, der aber in ab­seh­ba­rer Zeit her­aus­kom­men wird – im Jahr 1830 star­ten und in­zwi­schen bis Ende 1872 reichen.

Das Jahr 1872 war im Le­ben Ri­chard Wag­ners von ent­schei­den­den Er­eig­nis­sen ge­prägt, aus de­nen der Um­zug mit der Fa­mi­lie an den neu­en Wir­kungs­ort Bay­reuth und die ef­fekt­voll in­sze­nier­te Grund­stein­le­gung des Fest­spiel­hau­ses her­aus­ste­chen. Ne­ben der Kon­so­li­die­rung des jun­gen Fest­spiel­un­ter­neh­mens ar­bei­te­te Wag­ner wei­ter am drit­ten Akt der Göt­ter­däm­me­rung, ver­fass­te meh­re­re mu­sik­theo­re­ti­sche Schrif­ten und trieb die Ver­öf­fent­li­chung sei­ner Au­to­bio­gra­fie Mein Le­ben vor­an. Und er schrieb täg­lich min­des­tens ei­nen Brief.

In der Sum­me sind es tat­säch­lich 401 über­lie­fer­te Brie­fe und Te­le­gram­me al­lein aus die­sem Jahr, die Mar­tin Dür­rer, seit 2015 Edi­ti­ons­lei­ter der Ri­chard-Wag­ner-Brief­aus­ga­be am In­sti­tut für Mu­sik­for­schung der Uni­ver­si­tät Würz­burg, in dem neu er­schie­ne­nen Band 24 aus­führ­lich do­ku­men­tiert. Dür­rer ist seit der wis­sen­schaft­li­chen Neu­kon­zep­ti­on 1999 der Edi­ti­on kon­ti­nu­ier­li­cher Mit­ar­bei­ter und Her­aus­ge­ber und kommt am Diens­tag, 11. Ok­to­ber um 19.30 Uhr zu ei­nem Vor­trag ins Ho­tel Bam­ber­ger Hof. Er wird zu­nächst die Ge­schich­te der edi­to­ri­schen Be­mü­hun­gen um Wag­ners Kor­re­spon­denz kurz skiz­zie­ren, um dann in lo­cke­rer Fol­ge aus­ge­wähl­te Brie­fe aus den bis­her er­schie­ne­nen Edi­ti­ons­bän­den im je­wei­li­gen Le­bens- und Schaf­fens­kon­text zu präsentieren.

Zur Per­son: Mar­tin Dür­rer wur­de 1962 in Dort­mund ge­bo­ren. Nach dem Stu­di­um der Fä­cher Mu­sik­wis­sen­schaft und Ro­ma­ni­sche Phi­lo­lo­gie an der Ruhr-Uni­ver­si­tät Bo­chum folg­te 1991 der Ab­schluss als Ma­gis­ter Ar­ti­um, 1993 die Pro­mo­ti­on bei Wer­ner Breig. Von 1993 bis 1997 war er Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut der Ruhr-Uni­ver­si­tät Bo­chum im Pro­jekt »Ri­chard-Wag­ner-Brie­fe­ver­zeich­nis« und zu­gleich Lehr­be­auf­trag­ter. 1998 bis 2008 folg­te die Mit­ar­beit in der Ar­beits­stel­le »Ri­chard-Wag­ner-Brief­aus­ga­be« am In­sti­tut für Mu­sik­wis­sen­schaft der Uni­ver­si­tät Er­lan­gen-Nürn­berg. Seit 2009 ist er Wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am In­sti­tut für Mu­sik­for­schung der Uni­ver­si­tät Würz­burg im DFG-Lang­zeit­pro­jekt »Ri­chard-Wag­ner-Brief­aus­ga­be«. Mar­tin Dür­rer ist Her­aus­ge­ber der Brief­bän­de 11 (1859), 12 (1860), 13 (1861), 16 (1864), 17 (1865), 22 (1870), 24 (1872) und leg­te wei­te­re Pu­bli­ka­tio­nen zu Le­ben und Schaf­fen Wag­ners vor. Von 2007 bis 2015 war er Mit­glied des Her­aus­ge­ber­kol­le­gi­ums, seit 2015 ist er Edi­ti­ons­lei­ter der Wag­ner-Brief­aus­ga­be. Die Brief­bän­de er­schei­nen bei Breit­kopf & Här­tel.

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