Geheime Affinitäten zwischen zwei Zukunftsmusikern

Stock­hausen­ex­per­te Leo­pol­do Siano

Ri­chard Wag­ner (1813–1883) und Karl­heinz Stock­hausen (1928–2007) wa­ren bei­de auf ihre Art re­vo­lu­tio­nä­re Kom­po­nis­ten und Per­sön­lich­kei­ten, auch wenn letz­te­rer Ver­glei­che mit Wag­ner ve­he­ment ab­lehn­te. Wer mehr dar­über wis­sen will, soll­te sich Diens­tag, den 16. Mai 2017 vor­mer­ken: Auf Ein­la­dung un­se­res Ver­bands spricht der jun­ge Mu­sik­wis­sen­schaft­ler Leo­pol­do Sia­no um 19.30 Uhr im Ho­tel Bam­ber­ger Hof über die Ge­mein­sam­kei­ten der bei­den Kom­po­nis­ten. Der Ti­tel sei­nes Vor­trags lau­tet „Zu­kunfts­mu­sik: Stock­hausen als Re­inkar­na­ti­on Wag­ners im 20. Jahrhundert?“

Von 1977 bis 2003 ar­bei­te­te Karl­heinz Stock­hausen wie be­ses­sen an sei­ner „Mu­sik­ka­the­dra­le“, dem Opern­zy­klus Licht. Gleich­falls 26 Jah­re in­ves­tier­te Ri­chard Wag­ner in den Ring des Ni­be­lun­gen. Al­ler­dings dau­ert die Hepta­lo­gie Stock­hausens neun­und­zwan­zig Stun­den, das heißt un­ge­fähr dop­pelt so lang wie Wag­ners Te­tra­lo­gie. Nicht nur we­gen der for­ma­len Maß­lo­sig­keit wur­de Stock­hausen mehr­mals mit Wag­ner ver­gli­chen. Wie der Ring ist auch Licht eine mo­nu­men­ta­le Kon­zep­ti­on mit ei­nem un­ver­kenn­ba­ren Hang zum Ge­samt­kunst­werk (wie Wag­ner war Stock­hausen Au­tor sei­ner Li­bret­ti). Stets und mit Ent­schie­den­heit lehn­te doch Stock­hausen jed­we­den Ver­gleich mit Wag­ners Werk ab, in­dem er es als an­ti­the­tisch zu sei­nem ei­ge­nem Opus be­trach­te­te. Ihm war die Mu­sik Wag­ners zu re­tro­spek­tiv, emo­tio­nell und in­stink­tiv; ver­ächt­lich nann­te er sie: „Un­ter­leibs­mu­sik“.

Nichts­des­to­trotz stand Stock­hausen Wag­ner viel nä­her als er zu­ge­ben konn­te. Mit dem Sach­sen teil­te der Rhein­län­der die uni­ver­sa­lis­ti­schen und glo­ba­li­sie­ren­den An­sprü­che so­wie das Stre­ben, aus der Mu­sik eine Re­li­gi­on ma­chen zu wol­len. Dies­be­züg­lich wur­de von un­ter­schied­li­cher Sei­te be­merkt, dass Stock­hausen in Kür­ten ein neu­es „Er­lö­sungs­zen­trum“ be­zie­hungs­wei­se ein neu­es Bay­reuth schaf­fen woll­te. In sei­nem Vor­trag ver­an­schau­licht Leo­pol­do Sia­no an­hand von Klang­bei­spie­len und der Be­spre­chung der jüngs­ten mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen Li­te­ra­tur zu die­sem The­ma die ge­hei­men Af­fi­ni­tä­ten zwi­schen die­sen zwei re­vo­lu­tio­nä­ren Per­sön­lich­kei­ten der deut­schen Musikgeschichte.

Zur Per­son: Dr. phil Leo­pol­do Sia­no ist 1982 in Rom ge­bo­ren und sie­del­te nach mu­si­ka­li­schen und mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en in sei­ner Hei­mat­stadt und Cre­mo­na 2009 nach Deutsch­land um, wo er sein Pro­mo­ti­ons­stu­di­um an der Uni­ver­si­tät zu Köln mit ei­ner Dis­ser­ta­ti­on über den Werk­zy­klus Klang. Die 24 Stun­den des Ta­ges von Karl­heinz Stock­hausen ab­sol­vier­te. Die­se Ar­beit wur­de 2013 in ei­nem Wie­ner Ver­lag ver­öf­fent­licht und 2014 mit dem Of­fer­mann-Her­gar­ten-Preis aus­ge­zeich­net. Seit 2012 ist er Do­zent am Mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut der Uni­ver­si­tät zu Köln, wo er im Som­mer­se­mes­ter 2017 Se­mi­na­re zur Ana­ly­se elek­tro­akus­ti­scher Mu­sik und für das Gast­hö­rer- und Se­nio­ren­stu­di­um über „My­thos, Re­li­gi­on und Phi­lo­so­phie in den Mu­sik­dra­men Ri­chard Wag­ners“ gibt. Als Mu­sik­pu­bli­zist und Vor­tra­gen­der bei ver­schie­de­nen In­sti­tu­tio­nen, dar­un­ter pho­no­so­phia, ist er in­ter­na­tio­nal tä­tig. In der mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen For­schung hat er sich un­ter an­de­rem auf Mu­sik des 20. Jahr­hun­derts fo­kus­siert. Der­zeit ar­bei­tet er an sei­nem neu­en Buch zum The­ma „Mu­sik und Welt­ent­ste­hung“ (von der Ba­rock­zeit bis heu­te). Das „Hö­ren als Seins­er­fah­rung“ ist der Schwer­punkt sei­ner In­ter­es­sen und sei­nes Wir­kens. Er lei­tet auch In­ten­siv­work­shops zum Obertongesang.

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