Heute wirft sich R. wieder zu einer wunderbaren Lobpreisung seiner Gattin auf, ansonsten herrscht in Cosimas Tagebuch Tribschener Winter-Alltag mit Schnee, Frost und vielen Briefen.
Montag 4ten [Dezember 1871] Nikolaus-Tag[1]; Schnee und Frost, R. ruft mir zu: „Du bist ein philosophischer Begriff, causa efficiens und finalis, Grund und Ursache des Lebens.“ Große Freude über die Ankunft Anna Stadelmann’s[2] für die Kinder. Hoffnung, daß bessere Ordnung eintritt. An Ottilie[3] geschrieben. Mit den Kindern gearbeitet und gespielt; Brief von M. Muchanoff[4], Frl. Liszt[5] u.s.w. Abends Schopenhauer. Lucca[6] schreibt, daß die Truppe von Bologna nach Florenz nun geht, um den Lohengrin zu geben. (R. schreibt an den König)[7].
[1] Hier irrt die Tagebuchschreiberin natürlich.
[2] Anna Stadelmann, ein neues Kindermädchen, das Cosima auf Empfehlung von ihrer Schwägerin Ottilie Brockhaus engagiert hat.
[3] Ottilie Brockhaus (1811–1883) ist eine Schwester Wagners, verheiratet mit dem Orientalisten Hermann Brockhaus und Mutter von Clemens und Friedrich Brockhaus. Im Haus Ottiliens lernte Wagner 1868 den 24-jährigen Friedrich Nietzsche kennen, über Ottilie bahnte sich übrigens noch eine bedeutsame Bekanntschaft an, denn die Familie Brockhaus war weitläufig mit dem Bayreuther Bankier und Politiker Friedrich Feustel verwandt. Jedenfalls berief sich Wagner in seiner ersten Festspiel-Anfrage an Feustel vom 1. November 1871 aus Luzern auf Ottilie und seinen Neffen Clemens Brockhaus. Eine wertvolle Vernetzung, denn nicht nur Feustel sollte ein Freund und Förderer Wagners, seiner Familie und der Festspiele werden, sondern auch dessen Schwiegersohn Adolf von Groß.
[4] Marie Muchanoff (1822–1874), vormals verheiratete Kalergis, ist eine Pianistin, Freundin und Mäzenin.
[5] Laut Tagebuch-Fußnote eine Cousine Cosimas in Wien.
[6] Francesco Lucca (1802–1872), Musikverleger in Mailand.
[7] Zu dem ausführlichen Brief an Ludwig II. vom 4. Dezember legt Wagner als verspätetes Geburtstagsgeschenk für den König die von Wilhelm Spiegel angefertigte Abschrift der Orchesterskizze des 2. Akts „Götterdämmerung“ sowie den Erstdruck des 1. Bands seiner Gesammelten Schriften bei. Er präzisiert in diesem Schreiben seine Bayreuth-Pläne und kündigt seinen kommenden München-Aufenthalt von 9. bis 13. Dezember an.
Quellen: Cosima Wagner: Die Tagebücher: Band I, S. 1563. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 34724 (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 465); Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Band 23 (hg. v. Andreas Mielke); https://www.infranken.de/ueberregional/infrankenblog/dezidierte-naturellaehnlichkeit-art-407028
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