Zum Nikolaustag packt Wagner wieder mal einen schönen Satz aus, während Cosima Kummer mit den Kindern und dem Personal hat.
Mittwoch 6ten [Dezember 1871] R. sagt: „Selbst wenn wir noch viel vom Leben zu leiden hätten, wir könnten nicht mehr unglücklich werden.“ Er arbeitet an der Nibelungen-Geschichte[1] und wird bald fertig; die Kinder umgesiedelt, um sie von den Leuten oben[2] gänzlich zu trennen und zu einer besseren Entwickelung der Dinge zu kommen. Gott gebe seinen Segen. Ich schreibe an den Vater[3]. Besorgungen in der Stadt, Boni’s [4] Photographie u.s.w. – Abends Brief von Dr. Kafka[5], ob R. wirklich am 2ten, 4ten Februar nach Wien kommt, wir hatten nichts davon gehört! Abends Schopenhauer.
[1] Es handelt sich um den schon mehrfach erwähnten „Ring“-Bericht an den Wagner-Verein.
[2] Vermutlich geht es um jenen Teil des Personals, der im Obergeschoss des Landhauses in Tribschen untergebracht war. Natürlich war die Situation schon deshalb nicht einfach, weil auch die Dienst- und Kindermädchen und Hausdiener wussten, dass die Wagners ein ehebrecherisches Verhältnis hatten, bevor 1870 Cosimas Scheidung von Bülow erfolgt war – und mit der Hochzeit am 25. August die Legitimierung ihrer Beziehung zu Wagner.
[3] Franz Liszt (1811–1886), Klaviervirtuose, Komponist und Vater von Cosima.
[4] Boni = Blandine von Bülow (*20.3.1863), zweite Tochter aus Cosimas erster Ehe. Die erwähnte Photographie ist nicht ermittelbar.
[5] Theodor Kafka (1840–1904), Jurist und Mitbegründer des Wagner-Vereins in Wien. Wagner antwortet auf seinen Brief tags darauf, dass seine anstehende Winterreise (nach München, Bayreuth und Mannheim) vor allem der Bayreuth-Pläne wegen nicht nach Wien führen wird und vertröstet ihn aufs Frühjahr 1872.
Quellen: Cosima Wagner: Die Tagebücher: Band I, S. 1565. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 34726 (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 466); Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Band 23 (hg. v. Andreas Mielke); Christian Bührle, Markus Kiesel, Joachim Mildner: Prachtgemäuer. Wagner-Ort in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig;
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