Kriegslied, Kriegsleid

Das „Kriegs­lied“ des Dich­ters und Jour­na­lis­ten Mat­thi­as Clau­di­us (1714–1815) aus dem Jahr 1775 und dazu noch ein paar pas­sen­de Sät­ze von Ri­chard Wagner.

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Got­tes En­gel wehre,
Und rede Du darein!
’s ist lei­der Krieg - und ich begehre
Nicht Schuld dar­an zu sein!

Was sollt‘ ich ma­chen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blu­tig, bleich und blaß,
Die Geis­ter der Er­schlag­nen zu mir kämen,
Und vor mir wein­ten, was?

Wenn wack­re Män­ner, die sich Ehre suchten,
Ver­stüm­melt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälz­ten und mir fluchten
In ih­rer Todesnot?

Wenn tau­send Vä­ter, Müt­ter, Bräute,
So glück­lich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Weh­klag­ten über mich?

Wenn Hun­ger, böse Seuch‘ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Ver­sam­mel­ten, und mir zur Eh­ren krähten
Von ei­ner Leich‘ herab?

Was hülf‘ mir Kron‘ und Land und Gold und Ehre?
Die könn­ten mich nicht freun!
’s ist lei­der Krieg - und ich begehre
Nicht Schuld dar­an zu sein.

Mat­thi­as Claudius

Bild­nis von Mat­thi­as Clau­di­us mit fak­si­mi­lier­tem Au­to­graph: „Mich dünkt, wer was rechts weiß, muß, muß – säh ich nur ’nmal ei­nen, ich wollt‘ ’n wohl ken­nen, ma­len wollt‘ ich ’n auch wohl, mit dem hel­len hei­tern ru­hi­gen Auge, mit dem stil­len gro­ßen Be­wußt­seyn etc. Breit muß sich ein sol­cher nicht ma­chen kön­nen, am al­ler­we­nigs­ten and­re ver­ach­ten und fe­gen.“ Vor­la­ge: Ham­burg Sta­te and Uni­ver­si­ty Li­bra­ry Carl von Os­sietz­ky, Pu­blic do­main, via Wi­ki­me­dia Com­mons; https://​com​mons​.wi​ki​me​dia​.org
Ab­bil­dung un­ten: In­halts­ver­zeich­nis von Band 10 der Ge­sam­mel­ten Schrif­ten und Dich­tun­gen aus dem Jahr 1898

Ri­chard Wag­ner, in „Re­li­gi­on und Kunst“:
Es muss Be­den­ken er­we­cken, dass die fort­schrei­ten­de Kriegs­kunst im­mer mehr, von den Trieb­fe­dern mo­ra­li­scher Kräf­te ab, sich auf die Aus­bil­dung me­cha­ni­scher Kräf­te hin­wen­det! Hier wer­den die ro­hes­ten Kräf­te der nie­de­ren Na­tur­ge­wal­ten in ein künst­li­ches Spiel ge­setzt, in wel­ches, trotz al­ler Ma­the­ma­tik und Arith­me­tik, der blin­de Wil­le, in sei­ner Wei­se ein­mal mit ele­men­ta­ri­scher Macht los­bre­chend, sich ein­mi­schen könn­te. Be­reits bie­ten uns die ge­pan­zer­ten Mo­ni­tors, ge­gen wel­che sich das stol­ze herr­li­che Se­gel­schiff nicht mehr be­haup­ten kann, ei­nen ge­spens­tisch grau­sen­haf­ten An­blick: stumm er­ge­be­ne Men­schen, die aber gar nicht mehr wie Men­schen aus­se­hen, be­die­nen die­se Un­ge­heu­er, und selbst aus der ent­setz­li­chen Heiz­kam­mer wer­den sie nicht mehr de­ser­tie­ren: aber wie in der Na­tur al­les sei­nen zer­stö­ren­den Feind hat, so bil­det auch die Kunst im Mee­re Tor­pe­dos und über­all sonst Dy­na­mit-Pa­tro­nen und der­glei­chen. Man soll­te glau­ben, die­ses Al­les, mit Kunst, Wis­sen­schaft, Tap­fer­keit und Eh­ren­punkt, Le­ben und Habe, könn­te ein­mal durch ein un­be­re­chen­ba­res Ver­se­hen in die Luft flie­gen. Zu sol­chen Er­eig­nis­sen in groß­ar­tigs­tem Sti­le dürf­te, nach­dem un­ser Frie­dens-Wohl­stand dort ver­pufft wäre, nur noch die lang­sam, aber mit blin­der Un­fehl­bar­keit vor­be­rei­te­te, all­ge­mei­ne Hun­gers­not aus­bre­chen: so stün­den wir etwa wie­der da, von wo un­se­re welt­ge­schicht­li­che Ent­wi­cke­lung aus­ging, und es könn­te wirk­lich den An­schein er­hal­ten, „als habe Gott die Welt er­schaf­fen, da­mit sie der Teu­fel hole“, wie un­ser gro­ßer Phi­lo­soph dies im jü­disch-christ­li­chen Dog­ma aus­ge­drückt fand.

Die Hin­wei­se auf die­se Tex­te ver­dan­ke ich Hugo Schol­ter (Bam­berg) und Dr. Frank Piontek (Bay­reuth); letz­te­rer hat den Wag­ner-Aus­zug heu­te in sein Wag­ner-Abo ge­stellt, für das In­ter­es­sen­ten sich un­ter drpiopiontek@gmx.de an­mel­den können.

P.S. Frank Piontek wie­der­um ist Abon­nent mei­nes Blogs und ver­mel­det mir: „Seit C. G. Pe­ter­sens Bü­cher über Toni Pe­ter­sen weiß ich, dass Wag­ner über ge­nau 6 Ecken mit Clau­di­us ver­wandt war.“ Ist das nicht entzückend?