Am 18. September um 19.30 Uhr ist Jochen Hörisch mit seinem eigens für Bamberg konzipierten Vortrag über Wagners affektiven Antisemitismus im Kufa-Saal (Ohmstraße 3) zu erleben.
Wer sich daran macht, Wagners zahllose antisemitischen Äußerungen zu kritisieren und zu widerlegen, begibt sich auf ein heikles Terrain. Denn er erkennt damit zumindest implizit die Diskussionswürdigkeit von Wagners Ausfällen an. Es gehört zu den Vorzügen der späten Moderne, dass einige Jahrhunderte alte Streitthemen im Rückblick so erscheinen, wie sie sich schon zu ihrer Zeit wachen Zeitgenossen präsentierten: bei allen grauenvollen Dimensionen doch nur noch peinlich und lächerlich. An Kontroversen darüber, ob nur Männer oder auch Frauen eine Seele haben, ob Sklaverei gerechtfertigt sei oder ob man Andersgläubige erschlagen dürfe und solle, weil sie sich nicht zum rechten Glauben bekehren lassen wollen, wird sich niemand, der bei Sinnen ist, heute mehr beteiligen wollen. Umso irritierender ist die Hartnäckigkeit antisemitischer Affekte in radikalen (und eben nicht nur in radikalen) rechten wie linken, religiösen wie atheistischen, armen und reichen, feministischen wie männerbündischen, gebildeten und weniger gebildeten Milieus, wie die Kontroversen nach dem perversen Massaker der Hamas an Israelis am 7. Oktober 2023 auf schreckliche Weise gezeigt haben. Eine Auseinandersetzung mit Wagners Antisemitismus ist trotz aller Mühen und Widerwärtigkeiten nicht müßig, weil sie Einblicke in tief liegende antisemitische Affektlagen ermöglicht.
Zu den Schwierigkeiten im Umgang mit Wagners offensiv zur Schau gestelltem Antisemitismus gehört die kontrovers diskutierte Frage, ob sein grandioses musikdramatisches Werk dadurch kontaminiert sei. Die Bandbreite der Antworten ist erwartungsgemäß groß. Sie reicht vom entschiedenen Ja bis zum entschiedenen Nein und kennt viele Zwischenstufen. In der gebotenen Kürze seien einige in der Wagnerliteratur ausführlich diskutierte Aspekte in Erinnerung gerufen: Im Personenregister der Wagnerschen Opern und Musikdramen tauchen eindeutig als Juden erkennbare oder gar ausdrücklich als solche bezeichnete Figuren nicht auf. Wohl aber weisenen zur ewigen Wanderung verdammte Figuren wie der Fliegende Holländer oder Kundry starke Bezüge zum Ahasver-Motiv des ewigen Juden auf, mit dem auch Wagners berüchtigte Abhandlung „Das Judentum in der Musik“ schließt. Der Vortrag möchte die Untiefen (nicht nur) von Wagners Antisemitismus ausloten. Der Eintritt zu der Veranstaltung in Kooperation mit der Kufa ist frei.
Der Literatur- und Medienwissenschaftler Jochen Hörisch war bis 2018 Professor für Neuere deutsche Literatur und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim. Neben vielen Gastprofessuren, darunter in Paris, St. Gallen und an der Princeton University, hielt er Vorträge auf der ganzen Welt. Er ist Mitglied der Akademie für Wissenschaften und Künste in Salzburg, der Freien Akademie der Künste in Mannheim und der Freien Akademie der Künste in Hamburg. Hörisch hat zahlreiche Bücher zu kultur- und medienanalytischen Themen verfasst. Es geht ihm immer wieder um das „Verstehen“ jeder Art von Medien – wozu die klassischen Buchtexte wie die Medien gehören, das Theater genauso wie musikalische Themen. Über sein 2015 veröffentlichtes Buch „Weibes Wonne und Wert: Richard Wagners Theorie-Theater“ schrieb Frank Piontek: „Jochen Hörisch ist der fleischgewordene Glücksfall eines theateraffinen Professors, der seine ungeheure Bildung, Diskursbereitschaft und Theoriebeschlagenheit nicht in unlesbaren, sondern in geistreichen Traktaten in eine Öffentlichkeit zu bringen pflegt, die sich auf mediale Vernetzungen versteht.“ 2019 war er erstmals zu Gast beim RWV Bamberg mit seinem Vortrag „Wonne – Wagners Lieblingswort“.
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