Das sogenannte „Bayreuth des Nordens“ mit seiner langen Wagnertradition und inzwischen nur noch rund 83 000 Einwohnern hat ein großes Theater mit fast 1100 Plätzen, die ausverkauft waren, als von 13. bis 17. Mai 2015 erstmals seit fünfzig Jahren wieder eine zyklische „Ring“-Aufführung auf dem Programm stand. Mit beeindruckendem Erfolg, denn durch die fast 400 Teilnehmer des Internationalen Wagner-Kongresses war ein besonders fachkundiges Publikum mit von der Partie: Nach der „Götterdämmerung“ am Sonntag gab es eine gute Viertelstunde begeisterten Beifall und nur ein kleinlautes Buh.
Natürlich gäbe es einiges mehr zu beckmessern. Aber berechtigte Einwände – gegen sängerdarstellerische und musikalische Unzulänglichkeiten, gegen ein Zuwenig an Charakterzeichnung der Figuren, an Personenregie und szenischer Logik sowie ein Zuviel an Projektionen und Bildern aller Art – verblassen angesichts der bewundernswerten Kunstanstrengung aller Beteiligten, allen voran die hauseigenen Solisten in ihren Mehrfachrollen samt einigen Gästen und das Orchester unter der souveränen Leitung von „Ring“-Debütant Antony Hermus. Nicht zu vergessen das schwer geforderte Technikpersonal.
Was die im Krebsgang 2012 begonnene „Ring“-Inszenierung des zum Saisonende scheidenden Intendanten André Bücker sehens- und erinnerungswert macht, ist der faszinierende Versuch, die Tetralogie ästhetisch aus der Bauhaus-Bewegung zu speisen, die von 1926 bis 1932 in Dessau ihr Zentrum hatte. Werke von Walter Gropius, Paul Klee, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy werden zitiert – sowie besonders ausgiebig und auch in der Körpersprache Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ (Bühne: Jan Steigert, Kostüme: Suse Tobisch). Gleichzeitig wird abstrahierend eine Geschichte erzählt, die von der Macht der Bilder spricht, vom Verhältnis zwischen Mensch, Maschine und Medien, von der analogen und digitalen, der realen und virtuellen Welt (Projektionen: Frank Vetter, Michael Ott).
Die Inszenierung glänzt durch ihre exzellent beleuchteten, teils auch farbintensiven Bühnenbilder und Kostüme, während die zusätzlichen Projektionen auf der Bühne und der Portaleinrahmung das Publikum immer wieder überfordern: Die Bilderflut aus gleich vier Beamern ist zu didaktisch – in ihrer Mischung aus klassischem Bildungsbürgerwissen, Film- und Technikgeschichte, Science-fiction und Computerspielen. Kein Wunder, dass den Zuschauern da der „Error“ entgegenblinkt. Gleichwohl lohnt sich die Fahrt zum zweiten Bauhaus-„Ring“ von 23. bis 28. Juni allemal. Schon um die herausragende Solistin dieser Produktion zu erleben: Rita Kapfhammer als Fricka, „Siegfried“-Erda, Waltraute, 1. Norn und Flosshilde.
Zwei ausführlichere Kritiken finden Sie auf der „Opernfreund“-Homepage , darunter eine von Dr. Frank Piontek, der uns erst im Januar mit seinem Vortrag über Gluck und Wagner sehr beeindruckt hat.
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