Neues von Wagner, dem Zappelphilipp

Die gut be­such­te und in­spi­rie­ren­de Ver­an­stal­tung am 13. Juni mit Gun­ther Bra­am im Saal der Ka­tho­li­schen Hoch­schul­ge­mein­de sei hier durch ei­ni­ge Fo­tos von Diet­lin­de Schunk-As­sen­ma­cher do­ku­men­tiert – und durch  eine Re­zen­si­on sei­nes Standardwerks.

Wer nach den ge­fühlt meh­re­ren hun­dert Neu­erschei­nun­gen im Wag­ner-Ju­bi­lä­ums­jahr 2013 er­mat­tet hin­ge­sun­ken ist, darf jetzt auf­wa­chen: Es gibt ein neu­es Wag­ner-Buch, das tat­säch­lich et­was Neu­es bie­tet und so ex­zel­lent ge­macht ist, dass es nicht nur für Wag­ne­ria­ner ein Muss ist. Gun­ther Bra­am prä­sen­tiert in dem Bild­band „Ri­chard Wag­ner in der zeit­ge­nös­si­schen Fo­to­gra­fie“ chro­no­lo­gisch sämt­li­che 68Aufnahmen des Dich­ter­kom­po­nis­ten und stellt sie in den Kon­text der frü­hen Por­trät­fo­to­gra­fie, was na­tür­lich nicht nur in Be­zug auf Wag­ner auf­schluss­reich ist. Aus der Sicht der heu­ti­gen Bil­der­flut samt Sel­fies kann man sich kaum noch vor­stel­len, was das Auf­kom­men der Da­guer­reo­ty­pie und der spä­ter ge­bräuch­li­chen Al­bu­min­ab­zü­ge nach Glas­ne­ga­ti­ven be­deu­te­te und wie schwie­rig das Still­sit­zen beim Fo­to­gra­fen war, zu­mal für ei­nen Zap­pel­phil­ipp wie Wagner!

Dass er sich dem neu­en Me­di­um nach an­fäng­li­cher Zu­rück­hal­tung aus­gie­big wid­me­te – der Au­tor be­schreibt das je­wei­li­ge Zu­stan­de­kom­men der Fo­tos akri­bisch und über­ra­schend aus­führ­lich – lag für den PR-Fach­mann, der Wag­ner in ei­ge­ner Sa­che stets war, auf der Hand. An­ders als die Stan­dard­wer­ke von Mar­tin Geck und Solv­eig We­ber aus den Jah­ren 1970 bzw. 1993 zeigt Bra­am im 89-sei­ti­gen Ka­ta­log­teil alle be­kann­ten und über­lie­fer­ten Fo­to­gra­fien durch­ge­hend far­big, zu­meist in Se­pia-Tö­nen, re­pro­du­ziert, dar­un­ter in Erst­ver­öf­fent­li­chung eine ste­reo­sko­pi­sche Grup­pen­auf­nah­me der Fa­mi­lie auf der Gar­ten­trep­pe von Wahn­fried. Und er do­ku­men­tiert auf Klapp­ta­feln gan­ze Auf­nah­me­sit­zun­gen, die den Blick fürs De­tail schär­fen, ob es nun der Ge­sichts­aus­druck, die Hal­tung, die Klei­dung oder die Aus­stat­tung im Ate­lier des Fo­to­gra­fen ist. Aus der 31-sei­ti­gen Ein­lei­tung er­fährt man ne­ben dem fo­to­his­to­risch und tech­nisch Not­wen­di­gen vor al­lem auch, war­um und wie sich an­de­re be­rühm­te Zeit­ge­nos­sen Wag­ners ins Bild setz­ten. Der im­mer­hin 85 Sei­ten star­ke An­hang mit den un­ter­schied­lichs­ten For­men der Ver­brei­tung die­ser Fo­to­gra­fien samt Co­si­mas pri­va­tem Wag­ner-Al­bum lässt er­ah­nen, welch ein Jam­mer es ist, dass sich der ur­sprüng­li­che Plan des Au­tors und Samm­lers Bra­am, näm­lich alle über­lie­fer­ten Por­träts zu do­ku­men­tie­ren, also auch Ge­mäl­de, Zeich­nun­gen, Druck­gra­fi­ken, Büs­ten und Ka­ri­ka­tu­ren, die zu Leb­zei­ten Wag­ners ent­stan­den oder ver­öf­fent­licht wur­den, nach dem un­ge­plan­ten Ver­lags­wech­sel man­gels si­che­rer Fi­nan­zie­rung nicht ver­wirk­li­chen ließ.

Umso mehr ist der ein­ge­sprun­ge­ne Ver­lag Con Brio da­für zu lo­ben, dass er dem zwar ab­ge­speck­ten Pro­jekt auf 228 Sei­ten mit 230 Farb­ab­bil­dun­gen druck­tech­nisch größt­mög­li­che Qua­li­tät und Sorg­falt an­ge­dei­hen ließ. Kein Wun­der, dass Wag­ner-Ur­en­ke­lin Eva Wag­ner-Pas­quier, die Ers­te un­ter den Un­ter­stüt­zern die­ses Bu­ches, in ih­rem Ge­leit­wort vom 22. Mai 2015 be­geis­tert schreibt, dass „der Be­trach­ter ge­ra­de­zu ani­miert wer­de, selbst ak­tiv zu wer­den und Ri­chard Wag­ner, in ver­schie­de­nen Kon­stel­la­tio­nen, mit sich selbst in Dia­log tre­ten zu lassen.“

Erst­ver­öf­fent­li­chung in: Das Or­ches­ter, Heft 1/2016

Gun­ther Bra­am: „Ri­chard Wag­ner in der zeit­ge­nös­si­schen Fo­to­gra­fie“. Mit ei­nem Ge­leit­wort von Eva Wag­ner-Pas­quier. Con­Brio Ver­lag Re­gens­burg 2015, 228 Sei­ten, Hard­co­ver, 230 far­bi­ge Ab­bil­dun­gen, 13 Klapp­ta­feln, € 39,90