Mit Monteverdi im Opernglück

Re­gis­seu­rin Ma­ria­me Clé­ment, Aus­stat­te­rin Ju­lia Han­sen, Di­ri­gent Wolf­gang Kat­sch­ner,  al­len So­lis­ten und Mu­si­kern ge­lingt mit Clau­dio Mon­te­ver­dis „Rück­kehr des Odys­seus“ in Nürn­berg ein per­fek­ter Opernabend.

Die Ba­rock­mu­si­ker un­ter Wolf­gang Kat­sch­ner im Or­ches­ter, auf der Büh­ne der an den Strand von Itha­ka ge­spül­te Odys­seus (Il­ker Ar­ca­yü­rek) so­wie dar­über, im Ha­fen­spe­lun­ken­him­mel, die Göt­ter Alle Fo­tos: Lud­wig Olah

Wis­sen Sie, wer in der aus­klin­gen­den Ära von In­ten­dant Pe­ter Thei­ler mein Lieb­lings­re­gis­seur ist? Es ist ein Frau: Ma­ria­me Clé­ment. Zwar wirk­ten auch Pe­ter Kon­wit­sch­ny (Jahr­gang 1945) und Ca­lix­to Biei­to (Jahr­gang 1963) nach­hal­tig prä­gend, aber po­la­ri­sie­rend, und wa­ren zu­min­dest für man­che Zu­schau­er im­mer auch für Buh­ru­fe gut. Die bis­he­ri­gen In­sze­nie­run­gen ih­rer 1974 ge­bo­re­nen Kol­le­gin hin­ge­gen ha­ben das Pu­bli­kum und mich stets schlicht­weg be­glückt. Was auch bei der letz­ten Sai­son­pre­mie­re am Sonn­tag gelang.

Nach Jean-Phil­ip­pe Ra­me­aus „Pla­tée“ und Mo­zarts „Hoch­zeit des Fi­ga­ro“ hat die Re­gis­seu­rin am Staats­thea­ter Nürn­berg Clau­dio Mon­te­ver­dis Oper „Die Rück­kehr des Odys­seus“ („Il ri­tor­no d’Ulisse in pa­tria“) so in­tel­li­gent, de­tail­ge­nau, psy­cho­lo­gisch stim­mig, ent­waff­nend zeit­geis­tig und doch zeit­los gül­tig, mit gleich­viel Ernst und Es­prit in­sze­niert, dass es bei der Pre­mie­re schon vor der Pau­se mehr Bei­fall gab als bei man­chen Neu­pro­duk­tio­nen am Schluss. Das hat al­ler­dings auch da­mit zu tun, dass die von Ba­rock­spe­zia­list Wolf­gang Kat­sch­ner ge­lei­te­te mu­si­ka­li­sche In­ter­pre­ta­ti­on ge­nau­so über­zeug­te wie die szenische.

Man darf also rund­her­um von ei­nem Glücks­fall spre­chen und dem sich an die Sem­per­oper Dres­den ver­ab­schie­den­den In­ten­dan­ten dank­bar da­für sein, dass es ihm mehr­fach ge­lun­gen ist, die aus Frank­reich stam­men­de Re­gis­seu­rin und ihre kon­ge­nia­le Aus­stat­te­rin Ju­lia Han­sen nach Nürn­berg zu ho­len. Dies­mal war es die Über­nah­me ei­ner In­sze­nie­rung, die pro­mi­nent be­setzt zu­erst in Pa­ris und Di­jon ge­zeigt wur­de. Dass der­lei Ko­pro­duk­tio­nen nicht be­deu­ten müs­sen, dass die neu­er­li­che Pro­ben­ar­beit As­sis­ten­ten über­las­sen wird, ver­steht sich bei Ma­ria­me Clé­ment von selbst.

Im Ge­gen­teil: In ei­nem In­ter­view be­stä­tig­te sie, dass sie mit an­de­ren Prot­ago­nis­ten auch sel­ber neue und tie­fe­re Wahr­hei­ten über die Fi­gu­ren se­hen und wei­ter­ge­ben lernt. Die­ses Ein­ge­hen auf die In­di­vi­dua­li­tät von Sän­ger­dar­stel­lern zahlt sich beim Mon­te­ver­di-Abend in al­len der ins­ge­samt neun­zehn gut be­setz­ten Rol­len aus – und gip­felt in der wun­der­ba­ren Pe­ne­lo­pe von Jor­dan­ka Mil­ko­va, die zu Be­ginn der Ära Thei­ler En­sem­ble­mit­glied in Nürn­berg war. Wo­mit sich wie­der­um et­was rundet.

Die ho­me­ri­sche Ge­schich­te der hef­tig um­wor­be­nen Kö­ni­gin, die zwan­zig Jah­re auf die Rück­kehr ih­res krie­ge­ri­schen und lis­ten­rei­chen Gat­ten Odys­seus (ein­drück­lich: Il­ker Ar­ca­yü­rek) war­ten muss, spielt sich in ei­nem wan­del­ba­ren holz­ver­tä­fel­ten Pa­last-Raum ab, der – wie die zu­sätz­li­che Büh­ne für die lau­ni­sche und Rän­ke schmie­den­de Göt­ter­welt – schon bes­se­re Zei­ten ge­se­hen hat. Die Kos­tü­me de­cken den Zeit­rah­men von der grie­chi­schen An­ti­ke über die Ur­auf­füh­rung der Oper 1640 zum Kar­ne­val in Ve­ne­dig bis heu­te ab, und zwar so ge­konnt und leicht, dass man sich ver­wun­dert die Au­gen reibt.

Bei al­ler Tra­gik, die hin­ter dem my­tho­lo­gi­schen Ge­sche­hen steckt und die stets mit­mi­schen­de Göt­tin Mi­ner­va (sou­ve­rän: Mi­chae­la Ma­ria Mey­er) gleich ei­mer­wei­se Blut ver­gie­ßen lässt, gibt es auch zu la­chen – über sze­nisch bril­lan­te, von Karl Wie­demann gut be­leuch­te­te Ein­fäl­le, über die fre­chen Über­ti­tel, die der Re­gis­seu­rin und Dra­ma­turg Kai Weß­ler ein­ge­fal­len sind, und na­tür­lich über den ver­fres­se­nen Tou­ri na­mens  Iro (Yong­se­u­ng Song), zu des­sen Glück ein rie­si­ger Ham­bur­ger à la Claes Ol­den­burg ein­schwebt. Apro­pos: Ums Lie­bes­glück küm­mert sich sehr ver­füh­re­risch vor al­lem das Die­n­er­paar, bis zum „lie­to fine“ der „tra­ge­dia“ auch Pe­ne­lo­pe und Odys­seus ein­an­der zu­flie­gen dürfen.

Die Sän­ger tref­fen den De­kla­ma­ti­ons­stil Mon­te­ver­dis sou­ve­rän. Das spricht für den Di­ri­gen­ten, der als In­stru­men­ta­list, Grün­der und Lei­ter der Laut­ten Com­pa­gney seit den 1980er Jah­ren im Ba­rock­fach zu­hau­se ist. Wolf­gang Kat­sch­ner hat auf der Ba­sis der Pa­ri­ser Fas­sung von Em­ma­nu­el­le Haim die nur in ei­ner Ko­pis­ten­hand­schrift über­lie­fer­te Par­ti­tur, die kei­ne mu­si­ka­li­schen Vor­spie­le und Um­bau­mu­si­ken ent­hält, sti­lis­tisch glän­zend mit Stü­cken von Mon­te­ver­di-Zeit­ge­nos­sen er­gänzt. Sei­ne  Ein­rich­tung wird um­ge­setzt von sieb­zehn Mu­si­kern, über­wie­gend Spe­zia­lis­ten, aber auch Mit­glie­der der Staats­phil­har­mo­nie, die sehr ge­konnt spür­bar ma­chen, dass Alte Mu­sik nicht alt, son­dern über­aus le­ben­dig ist.

Gro­ßer ein­hel­li­ger Ju­bel am Schluss, der ei­nen Wunsch an Jens-Da­ni­el Her­zog, den künf­ti­gen In­ten­dan­ten, na­he­legt: Er möge doch, weil die sen­sa­tio­nell ge­lun­ge­ne Mon­te­ver­di-Oper schon Mit­te Juli lei­der vom Spiel­plan ver­schwin­det, we­nigs­tens eine Über­nah­me der „Ver­kauf­ten Braut“ rea­li­sie­ren, die Ma­ria­me Clé­ment im Früh­jahr 2019 in Dres­den inszeniert.

Be­such­te Pre­mie­re am 3. Juni, Erst­ver­öf­fent­li­chung im Feuil­le­ton des Frän­ki­schen Tags vom 7. Juni 2018. Wei­te­re Vor­stel­lun­gen am 14., 17., 27. und 30. Juni so­wie am 9. und 18. Juli. Kar­ten-Te­le­fon 0180-1-344-276, In­fos auf der Home­page des Staatstheaters

Da schau­en die Frei­er ganz schön be­läm­mert, dass es aus­ge­rech­net dem merk­wür­di­gen Tat­ter­greis (Odys­seus: Il­ker Ar­ca­yü­rek) ge­lingt, den Bo­gen des Odys­seus zu span­nen. Links des­sen sehr heu­ti­ger Sohn Te­le­ma­co (Mar­tin Platz), rechts die treue Gat­tin Pe­ne­lo­pe (Jor­dan­ka Mil­ko­va). Alle Fo­tos: Lud­wig Olah

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