Endlich haben die Bayreuther Festspiele es wieder geschafft, dass sie in der alljährlichen Kritikerumfrage der internationalen Fachzeitschrift „Opernwelt“ nicht nur unter ferner liefen abgehakt werden und auch nicht in der Kategorie „Ärgernis des Jahres“ gepunktet haben. Sondern sogar drei Mal unter den Hauptgewinnern für die Saison 2017/18 sind: mit ihrer „Meistersinger“-Produktion unter Regisseur Barrie Kosky und Dirigent Philippe Jordan als „Aufführung des Jahres“, mit Beckmesser Johannes Martin Kränzle als „Sänger des Jahres“ und mit „Meistersinger“-Kostümbildner Klaus Bruns als „Kostümbildner des Jahres“.
Darüber hinaus kam Tobias Kratzer, Regisseur der „Tannhäuser“-Neuinszenierung der Festspiele 2019, mit seiner „Götterdämmerung“-Inszenierung in Karlsruhe sowohl in der Kategorie „Aufführung des Jahres“ als auch in der Kategorie „Regisseur des Jahres“ auf Platz zwei. Auch Tatjana Gürbaca, die mehrfach in den Feuilletons schon genannte, offiziell aber noch nicht bestätigte „Ring“-Regisseurin 2020, wurde mit ihrer verkürzten „Ring“-Version am Theater an der Wien mehrfach nominiert. Die Ergebnisse der „Opernwelt“-Umfrage findet Sie direkt hier.
Zum vierten Mal nach 1996, 2003 und 2015 wurde die Oper Frankfurt zum „Opernhaus des Jahres“ gekürt. Bereits zum fünften Mal ist das Bayerische Staatsorchester „Orchester des Jahres“, was sicher auch der dirigentischen Feinarbeit von dem leider bald zu den Berliner Philharmonikern wechselnden Generalmusikdirektor Kirill Petrenko geschuldet ist. Im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper ist außerdem mit der Sopranistin Anna El-Khashem die „Nachwuchskünstlerin des Jahres“ des Jahres engagiert. Auch die Negativ-Auszeichnung „Ärgernis des Jahres“ ging diesmal nach München – für Georg Baselitz’ „Parsifal“-Kulisse als ein Sinnbild verfehlter Bühnen-Dekos von theaterfernen Promi-Malern und Malerfürsten.
Bei den nordbayerischen Bühnen konnte vor allem das Staatstheater Nürnberg Punkte sammeln: Unter anderem brachte die dortige Inszenierung der „Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann dem inzwischen 73-jährigen Peter Konwitschny zum sechsten Mal den Titel „Regisseur des Jahres“ ein. Nominierungen gab es darüber hinaus für den Tenor Milen Bozhkov in seinen Rollen am Landestheater Coburg und als Wiederentdeckung Aribert Reimanns „Traumspiel“ am Theater Hof.
Die Umfrage im „Opernwelt“-Jahrbuch 2018 speist sich aus den Nominierungen von fünfzig Kritikern, die überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum stammen, aber auch aus dem gesamten europäischen Raum und den USA. Nach zweijähriger Schreibpause war ich, die ich seit bald vierzig Jahren auch regelmäßig Kritiken, Porträts, Interviews und Jahrbuch-Voten in der „Opernwelt“ veröffentlicht habe, ebenfalls wieder gefragt:
Umfrage für Opernwelt-Jahrbuch 2018
(betreffend die Saison 2017/18, d. h. Aufführungen von 11. Juli 2017 bis 10. Juli 2018)
Monika Beer, Bamberg, Fränkischer Tag, takt1
1. Uraufführung der Saison
„Erdbeben. Träume“ von Toshio Hosokawa in Stuttgart
2. Wiederentdeckung der Saison
Giacomo Puccinis „Edgar“ in der vieraktigen Urfassung in Regensburg
3. Aufführung der Saison
Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ unter Philippe Jordan in der Inszenierung von Barrie Kosky bei den Bayreuther Festspielen
4. Herausragende Regie
Verena Stoiber für Wagners „Das Rheingold“ in Chemnitz
5. Herausragende Raumgestaltung: Bühnenbild, Licht oder Video
Helmut Brades Bühne zu Bernd Alois Zimmermanns „Die Soldaten“ in Nürnberg
6. Herausragendes Kostümbild
Julia Hansen für ihre Kostüme zu Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ in Nürnberg
7. Herausragendes Dirigat
Kirill Petrenkos Wagner-Dirigate in München
8. Bedeutende Sängerleistungen (max. 3 Nennungen)
Milen Bozhkov in seinen Tenorpartien in Coburg
Elisabet Strid als „Tannhäuser“-Elisabeth in Leipzig
René Pape als Gurnemanz in München
9. Nachwuchskünstler/in der Saison (nur 1 Nennung)
Brit-Tone Müllertz als Ariadne in Meiningen
10. Herausragende Gesamtleistung eines Musiktheaters
Peter Theilers Abschiedssaison in Nürnberg
11. Herausragende Gesamtleistung eines Orchesters
Bayerisches Staatsorchester
12. Herausragende Gesamtleistung eines Chors
Staatsopernchor Stuttgart
13. Ärgernis der Saison
Wenn Maler (wie Georg Baselitz) als Bühnenbild nur Flachware liefern, den Raum ignorieren und damit schon vom Ansatz her die Aufgabe verfehlen.
14. Wichtigstes Musik-/Opernbuch
Elfi Vomberg: „Wagner-Vereine und Wagnerianer heute“ (Königshausen & Neumann)
15. Bedeutendste CD- oder DVD-Veröffentlichung (nur Oper oder Vokal-Recital)
„Das ewige Rätsel“ mit Johannes Martin Kränzle (Bariton) und Hilko Dumno (Klavier), Oehms Classics
Links zu meinen „Meistersinger“-Kritiken von 2018 und 2017 finden Sie weiter unten, zum „Ärgernis des Jahres“ genügt die Suchfunktion „Augen zu und durch!“.
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