Mihoko Fujimura, Betsy Horne, Anja Kampe, Michaela Kaune, Detlev Roth, Michaela Schuster oder Violeta Urmana: Mit diesen Wagner-Stars kann der 31-jährige Bass Christoph Seidl, Stipendiat unseres Verbands im Festspielsommer 2012, ab sofort in einem Atemzug genannt werden, denn er zählt zu den Preisträgern von „Wagnerstimmen“. Bei dem internationalen Gesangswettbewerb, der seit 1994 alle drei Jahre veranstaltet wird, wurde Seidl Ende September in Karlsruhe gemeinsam mit einem südkoreanischen Bassbariton mit dem 2. Preis ausgezeichnet.
Das hiesige Publikum wird sich vielleicht noch an Christoph Seidl erinnern. Im September 2011 stand er als Gärtner Antonio in der Produktion der Sommer Oper Bamberg in Mozarts „Hochzeit des Figaro“ in allen sechs Vorstellungen auf der Bühne des E.T.A.-Hoffmann-Theaters. Dass ihm trotz der nur kleinen Partie das Stipendium zugesprochen wurde, hatte mit dem sängerdarstellerischen Potenzial des jungen Gesangsstudenten aus Wien zu tun, der 2011 an der Universität für Musik und darstellende Kunst auch schon den 1. Preis beim Prof. Dichler-Wettbewerb gewonnen hatte.
Im Mai 2012 stellte Seidl beim Stipendiatenkonzert mit der Violonistin Mona Gansczyk erneut seine große Begabung unter Beweis. Jürgen Gräßer schrieb im Fränkischen Tag: Das Rezital machte sogleich die glückliche Hand ohrenfällig, die der Wagner-Verband bei seiner Wahl bewiesen hatte. Der aus dem Weinviertel stammende Christoph Seidl verfügt über einen mal sehnsüchtig weichen (bei Schubert), mal kernigen (im „Holländer“), immer tragenden Bass und weiß auch ein kleines, vorgreifendem Umblättern (bei Mozart) geschuldetes Versehen lächelnd zu überspielen.
Nach dem Studium (mit Abschlüssen als Master Oper sowie Master Lied und Oratorium) und Meisterkursen bei Angelika Kirchschlager, Thomas Hampson und Helmut Deutsch trat er in weiteren Rollen bei kleineren Festivals in seinem Geburtsland Österreich auf. 2013 debütierte er in einer Neuproduktion von „Lady Macbeth von Mzensk“ unter Theodor Currentzis und in der Regie von Andreas Homoki am Opernhaus Zürich. In der Spielzeit 2013/2014 gehörte er dem dortigen Opernstudio an und übernahm Nebenrollen in Opern von Beethoven, Martinů, Strauss, Verdi und Wagner. Im Rahmen des Young-Singers-Projects der Salzburger Festspiele 2013 sang er Osmin in einer Kinderversion von Mozarts „Entführung“ und wirkte unter Antonio Pappano und Peter Stein als einer der sechs Flämischen Deputierten in Verdis „Don Carlo“ im Großen Festspielhaus mit.
Von 2014 bis 2016 war Christoph Seidl Mitglied des Jungen Ensembles des Theaters an der Wien, wo er unter anderem als Fürst Gremin in „Eugen Onegin“, als Haushofmeister in „Capriccio“ in einer Inszenierung von Tatjana Gürbaca unter Dirigent Bertrand de Billy sowie in Bass-Partien in Händels „Rinaldo“, Ravels „Spanischer Stunde“ und Poulencs „Brüsten des Tiresias“ zu erleben war. Seit der Spielzeit 2016/2017 ist er Ensemblemitglied des Staatstheaters am Gärtnerplatz München. Dort sang er bereits Partien wie Baculus („Der Wildschütz“), Alidoro („La Cenerentola“), Somnus („Semele“), Komtur („Don Giovanni“) und Sarastro („Die Zauberflöte“), in der Saison 2018/19 ist er in insgesamt zehn Inszenierungen und einem Liederabend zu erleben.
Für den 9. Wagnerstimmen-Wettbewerb hatten sich über achtzig junge Sängerinnen und Sänger aus dem In- und Ausland beworben. Bei der gesanglichen Vorauswahl am 8. und 9. August in Bayreuth konnte sich Seidl mit sechzehn weiteren Teilnehmern zuerst für das Semifinale und schließlich für das Finale der letzten sechs am 29. September 2018 qualifizieren – ein öffentliches Wagner-Konzert im großen Haus des Staatstheaters Karlsruhe. In der Finalrunde präsentierte er sich mit Daland aus dem „Fliegenden Holländer“ („Mögst du mein Kind, dem Manne freundlich dich erweisen“) und mit der großen Arie des Landgrafen aus „Tannhäuser“ („Gar viel und schön ward hier in dieser Halle“).
Den Hauptpreis des Richard-Wagner-Verbands International (RWVI) über 5000 Euro gewann die 28-jährige Sopranistin Jessica Elevant; die junge Schwedin wurde außerdem mit dem Publikumspreis geehrt. Der mit 3000 Euro dotierte Wolfgang-Wagner-Preis wurde geteilt an Christoph Seidl und den südkoreanischen Bass-Bariton Insu Hwang vergeben. Der Peter-Selbach-Förderpreis im Wert von 2500 Euro ging an die Altistin Ariana Lucas, Ensemblemitglied des Karlsruher Staatstheaters. Jeder Finalteilnehmer bekam außerdem ein Preisgeld in Höhe von 2000 Euro.
Mathias Krahnert, der aus Bamberg stammende Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbands Karlsruhe, der den Wettbewerb gemeinsam mit des Staatstheater Karlsruhe ausgerichtet hat, sagte der Lokalpresse: „Mit welcher Hingabe unsere renommierten Jurorinnen und Juroren ihren großen Erfahrungsschatz in den Dienst des Gesangs-Nachwuchses stellen, ist eine Freude und ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Wagnerstimmen.“
Der Wettbewerb hat sich das Ziel gesetzt, potenzielle Wagner-Sängerinnen und -Sänger früh zu erkennen und sie entsprechend mit weiterer Stimmförderung und Bühnenerfahrung zu fördern. Die Sieger wurden von einer siebenköpfigen Fachjury bestimmt, darunter Prof. Dr. Stephan Mösch, der auch bei unserer „Parsifal“-Werkstatt 2017 mitwirkte. Als Jury-Vorsitzende fungierte Alessandra Althoff-Pugliese, Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbands Venedig und eine renommierte Gesangspädagogin, deren wohl erfolgreichste Schülerin die Sopranistin Anja Kampe ist.
Ähnliche Beiträge
- Stipendiaten 2012: Mona Ganscyk & Christoph Seidl 7. Januar 2012
- Stipendiaten 2014: Ralitsa Ralinova & Jan Szurgot 18. Dezember 2013
- Stipendiatin 2008: Katrin Silja Kurz 18. Februar 2008
- Stipendiat 2010: Pablo Karaman 31. Januar 2011
- Stipendiat 2019: Jonathan Weimer 14. August 2019