Den Bamberger Symphonikern gelingt mit der halbkonzertanten „Fledermaus“ von Johann Strauß ein begeisterndes Operettendebüt. Auch die Solisten, der Chor und Martin Raussau als Frosch überzeugen.
Selbst wer nie in ein klassisches Konzert geht, weiß, dass es ein Glücksfall ist, in unserer kleinen Stadt ein so großes Orchester wie die Bamberger Symphoniker zu haben. Warum die Konzerthalle bei der „Fledermaus“ am Faschingssonntag sichtlich nicht ausverkauft war, muss man geradezu als schwer erklärlichen Unglücksfall verbuchen – und zwar für alle, die dieses köstliche und kostbare Operettenfeuerwerk versäumt haben.
Zugegeben, die Karten für dieses Sonderkonzert haben mehr gekostet als sonst. Aber wie sonst will man eine Produktion finanzieren, für die man zusätzlich sieben hochkarätige Gesangssolisten plus einen Komödianten plus einen rund sechzigköpfigen Chor braucht? Und ohne die Stadt Schweinfurt hätte es dieses Klassik-Event der Spitzenklasse ohnehin nicht gegeben, die sich diese „Fledermaus“ schon am Samstag zur Feier des 500. Konzerts der Bamberger Symphoniker ebendort gönnte – mit Martin Rassau als fränkischem Frosch.
Die spannende Frage, ob der Gerichtsdiener in der „Fledermaus“, der Wiener Operette schlechthin, ein genuin fränkischer sein darf, hat der Fürther Komiker durchaus überzeugend beantwortet. Durch seine mikroportverstärkten Anmoderationen vor jedem Akt war er eben nicht direkt in die Handlung involviert, konnte also auf der Grundlage von Otto Schenk-Texten für Heiterkeit sorgen – mit uralten, aber gekonnt trocken servierten Opernwitzen, mit lokalen und sonstigen Spitzen, bis hin zur umwerfenden Erkenntnis „I bin heid so bleed, iech könnt Amerika regiern!“
Als er im letzten Akt dann konkret mitspielte und zunächst seinen trunkenen Chef ausgerechnet unter einem FT den Druck der Presse spüren ließ, fühlte sich das tatsächlich richtig an. Was natürlich auch damit zu tun hatte, dass die teils in-, teils ausländischen Solisten sich in den von Regisseurin Doris Sophia Heinrichsen klug gekürzten Dialogen das Weanerische Idiom ersparten und einfach hochdeutsch redeten.
Apropos: Dass das Programmheft sich über die ordnende Regiehand der halbkonzertanten (oder halbszenischen) Aufführung komplett ausschweigt, bleibt unverständlich. Gerade in einer Stadt, wo Musiktheateraufführungen leider eine Rarität geworden sind, ist es umso wichtiger, wenn Opern und Operetten eben nicht in konzertanter Statuarik gespielt werden.
Und warum hat man nicht damit geworben, dass der Dirigent und etliche Solisten gerade erst zum Jahreswechsel mit der „Fledermaus“ das Publikum in der Elbphilharmonie begeistert haben? Langjährige Erfahrung mit dem Stück hat an erster Stelle Dirigent Manfred Honeck eingebracht. Der gebürtige Österreicher kennt die Symphoniker bald dreißig Jahre und dirigierte hier am Sonntag sein 96. Konzert – mit so viel Esprit, Präzision, authentischem Kolorit und Mut zur Rasanz, dass einem schon bei der Ouvertüre Hören und Sehen vergehen konnte.
Niemand im Saal hätte gedacht, dass das eine echte Premiere war, denn das Orchester hat in seiner über siebzigjährigen Geschichte zwar nicht nur in Silvester- und Faschingsprogrammen immer wieder mal in Walzer, Polka und Galopp geschwelgt, aber noch nie eine komplette „Fledermaus“ von Johann Strauß aufgeführt. Umso bewundernswerter die Leistung der Musiker, die das weniger gewohnte Hören auf agierende Sänger mit sichtlichem Vergnügen ausübten. Wer die Symphoniker als Operettendebütanten erleben durfte, wird sie sich öfter mit der angeblich leichteren Muse wünschen.
Glücksgefühle erzeugten auch die sinnig kostümierten Solisten, allen voran Bo Skovhus, der weltweit ein gefragter Eisenstein ist. Er gehört zur raren Spezies von Sängerdarstellern, die vermutlich schon in einem Frack geboren wurden. Und zu den ebenfalls seltenen Baritonen, die sich scheinbar mühelos auch in tenorale Höhen aufschwingen können. Zu seiner Spitzenklasse zählt auch der etwas tiefere und ausdrucksstarke Bariton Michael Nagy, der als vornehm hinterlistiger Dr. Falke das Geschehen ins Rollen bringt. Beide sind aktuell auch in großen Partien im Münchner Nationaltheater zu erleben.
Laura Aikin als Rosalinde überzeugte als genervte Gattin ihres notorisch untreuen und am Ende belämmert dastehenden Mannes ebenso präzise, einschmeichelnd fein oder hochdramatisch ausladend wie als geheimnisvolle „ungorische“ Gräfin. Bei Stefanie Iranyis Prinz Orlofsky fehlte mir noch ein Quäntchen Durchschlagskraft und das Schillernde der Figur. Umso beachtlicher, was die kurzfristig eingesprungene Nikola Hillebrand als quirlige Adele und Ida singend und spielend zustande brachte: eine Glanzleistung!
Bleiben noch Bernhard Berchtold als sangesfreudiger Alfred, Kresimir Strazanac als sonorer Gefängnisdirektor sowie Kresimir Spicer als Dr. Blind und der Philharmonische Chor München, dessen Licht der Frosch vergeblich unter den Scheffel zu stellen suchte. Spätestens im champagnerseligen Duidu war die Stimmung in der Konzerthalle genauso animiert wie beim Wiener Opernball. Auch die einzige Fledermaus im Auditorium und der Träger der übergroßen Fliege waren am Ende restlos charmiert. Viel Zwischenapplaus, begeisterte Bravorufe, stehende Ovationen.
Erstveröffentlichung auf www.infranken.de und im Feuilleton des Fränkischen Tags vom 5. März 2019
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