Das Staatstheater Meiningen zeigt eine Neufassung der 1943 erstmals gezeigten Oper „Das Schloss Dürande“ von Othmar Schoeck. Das völkisch kontaminierte Libretto wurde zu über sechzig Prozent ersetzt.
Die Opernliteratur ist bekanntlich nicht arm an schlechten Textbüchern. Was in der Regel aber gar nicht so schlimm ist, denn – frei nach dem Motto „Prima la musica, dopo le parole“ – wiegt die Musik das wieder auf. Dass ein Libretto nachträglich umfassend geändert wird, ist ein Sonderfall, dessen Ergebnis man jetzt in Meiningen erleben kann, mit der Oper „Das Schloss Dürande“ von Othmar Schoeck (1886–1957).
Warum die 1943 in Berlin uraufgeführte und danach schnell in der Versenkung verschwundene Oper des Schweizer Komponisten wieder ausgegraben wurde, hat tatsächlich mit der Qualität der Musik zu tun. Für die von Dirigent und Schoeck-Spezialist Mario Venzago initiierte Überarbeitung leistete die Hochschule Bern wissenschaftliche Vorarbeiten, bevor sich Francesco Micieli das kontaminierte Textbuch von Hermann Burte vornahm.
Gut sechzig Prozent des ursprünglichen Librettos von dem in völkischen Blut- und Boden-Parolen badenden NS-Dichter wurden ersetzt, überwiegend mit Texten von Joseph von Eichendorff, dessen Novelle „Das Schloss Dürande“ ohnehin die Vorlage der Oper war. Anschließend passte Venzago die Musik wieder an die Worte an – ähnlich wie Schoeck selbst, der über weite Strecken vorkomponierte, weil Burte nur zögerlich lieferte.
Die Neufassung der Oper wurde konzertant erstmals im Juni 2018 in Bern präsentiert, was ein Schweizer Kritiker mit „Operation geglückt, Patient tot“ kommentierte. Der griffige Satz passt letztlich auch zu der jetzt am Staatstheater Meiningen erfolgten szenischen Uraufführung. Zwar feierte das Premierenpublikum die aufwändige Produktion und ihre Protagonisten mit viel Beifall, aber von einer rundherum gelungenen Schloss-Renovierung kann dennoch nicht die Rede sein.
Immer noch holpert in teils unfreiwilliger Komik der Reimzwang, und der Grundkonflikt der Hauptfiguren, die zuweilen überstrapazierte Natur- und Liebeslyrik sowie die gesellschaftspolitischen Klischees zwischen Feudalismus und Revolution werden auch dann nicht besser, wenn die Figuren kommentierend aus der Handlung heraustreten. Man schaut den Verwicklungen, so wie sie Ansgar Haag im etwas schiefen Bühnenraum von Bernd Dieter Müller und Annette Zepperitz vom Blatt inszeniert hat, ungläubig zu.
Gleichwohl hat die Oper ihren Reiz. Denn die Musik punktet durch Abwechslungsreichtum sowohl in den anspruchsvollen Gesangspartien als auch im Orchesterpart mit seinen ungewohnten Klaviereinsprengseln. Dem aus der Schweiz stammenden Generalmusikdirektor Patrick Bach gelingt mit der Meininger Hofkapelle und den von André Weiss einstudierten Chören ein beredtes Plädoyer für den Komponisten Schoeck.
Unter den Solisten ragt der sängerdarstellerisch bezwingende Bariton Shin Taniguchi als rachewütiger Renald Dubois heraus, gefolgt von Mine Yücel als dessen Schwester Gabriele, die vor allem bei ihren liedhaften Arien aufhorchen lässt. Dass auch das das als Volkslied bekannt gewordene Eichendorff-Gedicht „In einem kühlen Grunde“ in die Schoeck-Komposition eingebaut wurde, ist eine besondere Hörerfahrung, zeigt aber gleichzeitig die Grenzen der Adaption auf: Nach der letzten Strophe darf es musikalisch nicht einfach so schnell weitergehen.
Es ist eine Freude, die mit einem mächtigen Stimmumfang begabte Mezzosopranistin Anna Maria Dur nach ihren Auftritten als Kundry und Brangäne jetzt als Priorin wieder einmal auf der Meininger Bühne zu erleben. Odrej Šaling als junger Graf Armand, Sonja Freitag als Gräfin Morvaille und Roland Hartmann als Kammerdiener überzeugen ebenfalls. Rollendeckend bringt Matthias Grätzel seine Stimmreste als alter Graf ein – ein Bühnentier, dem man erschreckt zuhört, aber nicht so schnell vergisst!
Fast alle Hauptrollen sind erstklassig besetzt. Und selbst wenn das Haus bei den zwölf Nebenrollen eher schwächelt, bleibt unterm Strich nicht nur Respekt, sondern große Bewunderung für alle Ausführenden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, ein Werk zu erarbeiten, mit dem man in seinem Musikerleben vielleicht nur einmal konfrontiert ist – in dieser einen Produktion, für nicht einmal ein Dutzend Aufführungen.
Erstveröffentlichung im Feuilleton des Fränkischen Tags vom 13. März 2019. Die besuchte Premiere am 8. März wurde von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und wird am 30. März um 19.05 Uhr gesendet. Weitere Vorstellungen am 16. und 29.3., 28.4., 8. und 17.5., 27. und 30.6 sowie am 6.7.2019; Karten Telefon 03693/451-222 oder -137
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