Viele Klavierspieler kennen seinen Namen: Karl Klindworth. Der am 25. September 1830 geborene Musiker war Wagneranhänger und wurde als Ziehvater von Winifred Williams im hohen Alter sogar Mitglied der Familie.
Er war noch keine siebzehn Jahre alt, da trat Karl Klindworth schon als Geiger und Kapellmeister einer reisenden Theatertruppe auf. Drei Jahre später wurde er Leiter der Neuen Liedertafel in seiner Heimatstadt Hannover und war nach einem Konzert derart von Franz Liszt begeistert, dass er 1852 nach Weimar ging und dessen Schüler wurde. Mit Erfolg, denn schon zwei Jahre später konnte sich Klindworth als Pianist und Klavierlehrer in London etablieren, wo er 1855 Richard Wagner begegnete, der ihn gern in seinen Freundes- und Helferkreis aufnahm: „Sehr gefällt mir auch ein von Liszt empfohlener junger Musiker, Klindworth: hätte der Mensch eine Tenorstimme, so entführte ich ihn unbedingt; denn sonst hat er Alles, und namentlich auch das Aeussere zum Siegfried.“
Genutzt wurden dann doch eher die praktischen Kenntnisse: Als erstes übernahm Klindworth 1855/56 die Erstellung des Klavierauszugs zu Wagners Walküre, die partiturnahen Auszüge der weiteren Teile der Ring-Tetralogie sollten folgen. Und Klaviervirtuose, der er auch war, übernahm er unter anderem die Begleitung bei der internen Uraufführung der ersten beiden Ring-Opern in Zürich, wo Wagner „mit einer kolossalen Selbstvergessenheit“ alle Partien selbst sang und feststellte: „Er accompagnirte […] mit einem Verständniss, einem sofortigen Eingehen auf die leisesten Nüancen, und zugleich einer Energie, dass ich unwillkürlich ausrief: Klindworth, Sie sind der Dirigent für meine Opern.“
Dazu kam es bekanntlich nicht. Was womöglich daran lag, dass die Erstversionen der Klavierauszüge für das zahlende Publikum, das Wagner und seine Verleger auch vor Augen hatten, schlichtweg zu schwierig waren. Gewöhnliche Klavierspieler kamen damals nur durch, wenn sie über die Hälfte der Noten gar nicht spielten. Gleichwohl trug Wagner ihm auch die Transkriptionen von Siegfried und Götterdämmerung an.
Klindworth lehrte von 1868 bis 1884 am Moskauer Konservatorium, schuf auch mit seiner Chopin-Edition einen Markstein in der Publikationsgeschichte und ließ sich später in Berlin nieder, wo er die Philharmoniker dirigierte und weiter als Klavierpädagoge wirkte. Wagner blieb er sein Leben lang treu und sollte in hohem Alter noch erleben dürfen, dass er im engsten Familienkreis Eingang fand: Der am 25. September 1830 geborene Klindworth wurde über seine Adoptivtochter Winifred Williams am 22. September 1915 der Schwiegervater von Richard und Cosima Wagners einzigem Sohn Siegfried. Klindworth, der im Juli 1916 starb, und seine Frau Henriette, die ihm zwei Jahre später folgte, haben ihre letzte Ruhestätte im Bayreuther Stadtfriedhof gefunden, unweit der Gräber von Siegfried Wagner und Franz Liszt. ¶
Erstveröffentlichung auf der Musikplattform takt1
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