„Zuvill Machd bläsdn Kubbf auf und versaud n’ Charaggdä“

Der All­round­mu­si­ker Da­vid Saam hat den „Opern­füh­rer für Ein­stei­ger“ von Jas­min Sol­fag­ha­ri aus dem Schott Ver­lag mit drei Schlüs­sel­wer­ken der Opern­li­te­ra­tur ins Frän­ki­sche über­setzt. Grund ge­nug, ihn zu interviewen.

Da­vid Saam mit Wag­ner­büs­te – Foto: Mat­thi­as Hoch

Im frän­ki­schen Raum ist er be­kannt wie ein bun­ter Hund. Aber selbst Ken­nern von Da­vid Saam und sei­nen An­ti­stadl-For­ma­tio­nen Box­ga­lopp, Kel­ler­kom­man­do & Ka­pel­le Rohr­frei dürf­ten auf­hor­chen, wenn sie er­fah­ren, dass er auch bei Opern kei­ne Fehl­be­set­zung ist. Der Volx­mu­si­ker (mit X), der heu­er mit dem Kul­tur­preis der Ober­fran­ken­stif­tung und dem Dia­lekt­preis Bay­ern aus­ge­zeich­net wur­de, hat den „Opern­füh­rer für Ein­stei­ger“ von Jas­min Sol­fag­ha­ri ins Frän­ki­sche über­tra­gen. Und zwar ziem­lich genial.

Was ist Mund­art für Sie?
Da­vid Saam: Spon­tan wür­de ich sa­gen: In dem Wort steckt der eng­li­sche Be­griff „Art“. Wenn man den als Kunst über­setzt, ist auch schon was Krea­ti­ves, was Künst­le­ri­sches mit drin. Und da­für ist  Mund­art gut, weil sie bil­der­rei­cher ist als das Hochdeutsche.

Wo und wie set­zen Sie Mund­art ein?
Da­vid Saam: Viel­fäl­tig. Ich ma­che viel Mu­sik, wo Mund­art eine gro­ße Rol­le spielt. Mit Mia Pi­troff habe ich zum Bei­spiel das Gen­re des frän­ki­schen Chan­sons er­fun­den, wo es wich­tig war, dass man mit der Mund­art nicht nur die volks­tüm­li­che Ecke be­dient. Ich ver­su­che, mit der Mund­art auch in­tel­lek­tu­ell an­spruchs­vol­le­re In­hal­te zu trans­por­tie­ren und ihr das rein Zo­ti­ge zu neh­men. Aber na­tür­lich kann man da­mit auch schö­ne Schwän­ke erzählen.

Ha­ben Sie schon vor dem Opern­füh­rer übersetzt?
Da­vid Saam: Jein. Eine Vor­stu­fe war das Mundart-„Betthupferl“, die­se Kult­sen­dung auf Bay­ern 1. Die Bam­ber­ger Au­torin Gud­run Schu­ry hat­te die Tex­te für Ober­fran­ken ge­schrie­ben, woll­te sie aber nicht sel­ber ein­le­sen, son­dern hat mich da­für vor­ge­schla­gen. Ich habe ihre Vor­la­gen so­zu­sa­gen dia­lek­tal über­ar­bei­tet: Man über­legt also, wie sag ich das jetzt am bes­ten? Wie klingt es na­tür­lich im Dia­lekt, ohne dass es über­trie­ben ist? Und wie schaf­fe ich die Ver­bin­dung zwi­schen der Ge­gen­wart und dem manch­mal ver­al­te­ten oder ver­al­tet klin­gen­dem Idiom?

Wie sind Sie zu dem Auf­trag gekommen?
Da­vid Saam: Über Pa­tri­cia Al­bert, die Welt­erbe-Ma­na­ge­rin. Eine Such­mel­dung der Au­torin Sol­fag­ha­ri, mit der sie be­freun­det ist, be­ant­wor­te­te sie, in­dem sie mich emp­foh­len hat.

Eine ge­wis­se Pra­xis hat­ten Sie ja schon …
Da­vid Saam: Ne­ben dem „Bett­hup­ferl“, von dem es in drei Staf­feln ins­ge­samt 21 Tei­le gab, habe ich mit Box­ga­lopp  au­ßer­dem eine frän­ki­sche Kin­der­lie­der-CD auf­ge­nom­men. Als ich 2017 das Kunst­sti­pen­di­um der Stadt Bam­berg be­kam, war das mein Pro­jekt­vor­schlag – und ich muss­te ent­spre­chend han­deln. Mit dem Stu­dio Fran­ken des Baye­ri­schen Rund­funks, der For­schungs­stel­le für frän­ki­sche Volks­mu­sik und dem Baye­ri­schen Lan­des­ver­ein für Hei­mat­pfle­ge ha­ben wir ei­nen Auf­ruf ge­star­tet und in ganz Fran­ken nach Ma­te­ri­al ge­sucht. Es gab weit über hun­dert Zu­schrif­ten, ge­nug, um ei­ni­ges ein­spie­len zu kön­nen. Die CD heißt „Hob­bä­dihö“ und seit­dem sind wir da­mit auch un­ter­wegs. Das Schö­ne da­bei ist, dass wir mer­ken, wie die Kin­der auf die­se Ver­bin­dung aus Mu­sik und Mund­art an­sprin­gen. Das Lie­der­heft dazu kommt end­lich die­se Wo­che heraus.

Gab es wei­te­re Er­fah­run­gen, die Ih­nen ge­hol­fen haben?
Da­vid Saam: Ganz kon­kret beim Vor­le­sen für mei­ne Toch­ter. Ich woll­te in der Er­zie­hung be­wusst auch die Mund­art ein­brin­gen, habe ihr zum Bei­spiel „Äs Win­nie Bär­la Puh“ vor­ge­le­sen. Und dann hab ich, weil es auch nicht so vie­le Bü­cher gibt, wo die Mund­art auch passt, an­ge­fan­gen, die „Sams“-Bücher von Paul Maar qua­si si­mul­tan ins Frän­ki­sche zu über­set­zen. Man muss beim Le­sen dann mit den Au­gen im­mer ein biss­chen vor­wan­dern, um schnell den rich­ti­gen Aus­druck zu fin­den. Ich kann das nur emp­feh­len, ist ein tol­les Trai­ning fürs Ge­hirn, weil man da ganz schön auf Zack sein muss. Es war na­tür­lich nicht so aus­ge­feilt, wie wenn man es auf­schreibt. Aber es hilft ei­nem schon sehr. Man ge­wöhnt sich dran, zu über­le­gen, wie sag ich das jetzt.

Und Ihre Opern­kennt­nis­se? Wie gut kann­ten Sie Mo­zarts „Hoch­zeit des Fi­ga­ro“, We­bers „Frei­schütz“ und Wag­ners „Ring des Nibelungen“?
Da­vid Saam: Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums hat­te ich his­to­ri­sche Mu­sik­wis­sen­schaft im Ne­ben­fach und bin um die Oper nicht ganz rum­ge­kom­men. Aber ich bin kein aus­ge­wie­se­ner Ex­per­te und habe zum Bei­spiel Wag­ner noch nie live, son­dern nur im Fern­se­hen gesehen.

Gab es Vor­ga­ben von der Autorin?
Da­vid Saam: Nein, sie hat mir sehr viel Frei­heit ge­las­sen und hat nicht auf be­stimm­ten For­mu­lie­run­gen be­stan­den. Ich konn­te auch mal ei­nen Ab­satz sinn­ge­mäß um­for­men, habe also nicht Satz für Satz ge­ar­bei­tet, son­dern in grö­ße­rem Zu­sam­men­hang, weil es sich so viel­leicht bes­ser in den Dia­lekt über­tra­gen lässt.

Und wie ge­hen Sie mit Fremd­wör­tern um, die es in der Mund­art ori­gi­när nicht gibt? 
Da­vid Saam: Wenn man es „fräng­gisch“ aus­spricht und die Schreib­wei­se so ver­än­dert, dass man viel­leicht nicht so­fort er­kennt, was das für ein An­gli­zis­mus ist, er­gibt sich dar­aus ein ge­wis­ser Witz. Auch so kann et­was Neu­es ent­ste­hen. Wenn es in mei­nen Oh­ren amü­sant klingt, ist mir das lie­ber als eine viel­leicht alt­ba­cke­ne For­mu­lie­rung. Ich fin­de es wich­tig, dass sich der Dia­lekt ver­än­dern und wei­ter ent­wi­ckeln darf. Sonst wird er ei­nes Ta­ges aussterben.

Ha­ben Sie sich ab­sicht­lich vor­ge­nom­men, Stab­rei­me einzubringen?
Da­vid Saam: Nein.

Aber bei Faf­ners Ab­gang im „Rhein­gold“ – „Sein Schoddz schlebb­der zern Wold nüber – steht der nicht im hoch­deut­schen Ur­text! Und es gibt noch köst­li­che an­de­re Bei­spie­le. Über­haupt ist Ihr Zu­griff er­fri­schend und ein­fach zeit­ge­mäß. Ha­ben Sie im „Ring“ ein Lieblingswort?
Da­vid Saam: Nein. Was mir aber gut ge­fal­len hat, ist, dass ich Sieg­fried, die­sen In­be­griff des Hel­den nicht nur bei Wag­ner, eine leicht ko­mi­sche Note ver­lei­hen konn­te, in­dem ich ihn im­mer wie­der auch Sub­bä-Sig­gi nen­ne. Da­mit habe ich ihn ein biss­chen vom ho­hen So­ckel run­ter­ge­holt und ihn, weil er da­durch et­was Co­mic­haf­tes be­kommt, für Kin­der greif­ba­rer gemacht.

Dass es im Frän­ki­schen kein har­tes P gibt, ist be­kannt. Sie ge­hen in der Weich­zeich­nung noch viel weiter.
Da­vid Saam: Es gibt na­tür­lich Fäl­le, wo man ge­nau über­le­gen muss, wie man das mit den har­ten Kon­so­nan­ten macht – das „Eng­ger­la“ zum Bei­spiel, wo ich es mit ei­nem Dop­pel-G ver­sucht habe. Da stol­pert man erst­mal und ka­piert viel­leicht erst beim zwei­ten Le­sen, dass das kein klei­ner En­gel sein kann, son­dern das har­te G ge­meint ist!

Auch das Plus­quam­per­fekt hat es in sich, wie ein Satz aus der ers­ten „Rheingold“-Szene zeigt: „Do­dä­bei homm die drei Mad­la na [ge­meint ist Al­be­rich] vor­her nuch an glann Flördd in Aus­sichd gschdelld ghoddn ghobbd.“
Da­vid Saam: Man muss aber auf­pas­sen, dass man nicht über die Strän­ge schlägt. Es soll­te nie­mals künst­lich oder zu kon­stru­iert wirken!

Wie lan­ge ha­ben Sie an der Über­set­zung gearbeitet?
Da­vid Saam: Vor zwei Jah­ren hat es an­ge­fan­gen. Ich habe aber im­mer nur pha­sen­wei­se dar­an ge­ar­bei­tet. Es dau­ert dann, bis man wie­der drin ist in der Welt des Stücks und vom Stil her. Man hat ja im­mer ein paar Mög­lich­kei­ten ab­zu­bie­gen, und wenn man eine Ab­zwei­gung ge­nom­men hat, soll­te man ver­su­chen, bei der zu blei­ben und ge­wis­se Schreib­wei­sen zu­min­dest bei den Ei­gen­na­men bei­zu­be­hal­ten. Das ist ge­ne­rell aber gar nicht so ein­fach, denn schon bei der Wie­der­ho­lung ei­nes Wor­tes kann man ei­nen an­de­ren Im­puls be­kom­men, wie man das glei­che Wort jetzt schrei­ben soll.

Bleibt noch die Mu­sik: Ihr Lieb­lings­stück in Wag­ners „Ring“?
Da­vid Saam: Was mir im­mer so­fort ein­fällt, ist der Wal­kü­ren­ritt, denn mein Po­sau­nist bei „Kel­ler­kom­man­do“ und mein Trom­pe­ter spie­len ihn im­mer beim Sound­check und beim Einspielen.

Und das Fa­zit im „Ring“?
Da­vid Saam: „Zu­vill Machd bläsdn Kubbf auf und versaud’n Charaggdä.“

Da­vid Saam mit Wag­ner­büs­te – Foto: Mat­thi­as Hoch

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