Isolde im Nirwana

An der Oper Frank­furt hat Ka­tha­ri­na Tho­ma Wag­ners „Tris­tan und Isol­de“ in ei­ner stim­mi­gen, abs­trak­ten Äs­the­tik in­sze­niert. Vin­cent Wolf­stei­ner über­zeugt in der Titelrolle.

„Un­be­wusst –, höchs­te Lust!“: Ra­chel Ni­cholls Isol­de im Schluss­bild – Alle Sze­nen­fo­tos: © Bar­ba­ra Aumüller

Was sind das für merk­wür­di­ge Opern­freun­de, die nach ei­ner „Tristan“-Premiere die Isol­de-So­lis­tin aus­bu­hen, die mit Pau­sen fünf Stun­den lang zwei­fel­los sän­ger­dar­stel­le­ri­sche Höchst­leis­tun­gen er­bracht hat? Na­tür­lich sind die Ge­schmä­cker ver­schie­den. Aber Opern­ge­sang ist, zu­mal bei Wag­ner, per se et­was so Fra­gi­les und so Kost­ba­res, dass der­art her­aus­ge­blök­te Ab­leh­nung sich ei­gent­lich verbietet.

Nor­ma­ler­wei­se ar­bei­ten Buh­ru­fer sich an der Re­gie ab. Dass die Neu­in­sze­nie­rung von Ka­tha­ri­na Tho­ma wi­der­spruchs­los über die Büh­ne ging, hat mit ih­rer abs­trak­ten Äs­the­tik zu tun. An den kla­ren, stim­mi­gen und wun­der­bar be­leuch­te­ten Bil­dern in Schwarz-Weiß mit dem schwe­ben­den, ste­hen­den und schließ­lich zer­stück­ten Pla­fond samt Bei­boot (Büh­ne: Jo­han­nes Lei­acker, Licht: Olaf Win­ter) und den heu­ti­gen Kos­tü­men (Iri­na Bartels) muss sich nie­mand reiben.

Clau­dia Mahn­ke als Bran­gä­ne (links) und Ra­chel Ni­cholls als Isol­de im 1. Akt

Am Kon­zept auch nicht. Höchs­tens an ein paar klei­ne­ren Re­gie­thea­ter­un­ar­ten, die sich die Pro­fes­so­rin an der Mu­sik­hoch­schu­le Würz­burg, Lei­te­rin der dor­ti­gen Opern­schu­le und bal­di­ge „Holländer“-Regisseurin in Erl nicht ver­knei­fen konn­te. Tho­ma ver­sucht, wie an­de­re vor ihr, der hand­lungs­ar­men Wag­ner­oper mit ge­nau kon­tu­rier­ten und ge­führ­ten Fi­gu­ren und ei­nem psy­cho­ana­ly­ti­schen An­satz beizukommen.

„O Won­ne vol­ler Tü­cke! O Trug – ge­weih­tes Glü­cke!“: Schluss­sze­ne aus dem 1. Akt mit So­lis­ten und Herrenchor

Wenn Tris­tan im 1. Akt so sehr ab­wei­send, de­pres­siv, ja be­zie­hungs­un­taug­lich er­scheint, kommt das für sie nicht von un­ge­fähr. Bei ei­nem, der ohne El­tern auf­wach­sen muss­te, liegt es nahe, dass die­se – al­ler­dings ge­spens­tisch ge­sichts­los – in sei­nen Fie­ber­fan­ta­sien des 3. Akts auf­tau­chen: Der Mann will gar nicht lie­ben, son­dern nur sterben.

Isol­de ist die Ak­ti­ve in der von vorn­her­ein un­mög­li­chen Af­fä­re. Es braucht gar kei­nen Spe­zi­al­trank, son­dern nur iri­schen Whis­ky, da­mit ihre Wut auf den Mör­der ih­res Ver­lob­ten Mo­rold weicht. Im ge­mein­sa­men Tod er­ken­nen bei­de ihr Lie­bes­glück, das so al­ler­dings nicht ein­trifft. Tris­tan tö­tet sich selbst und lässt sie im aus Leucht­stoff­röh­ren weiß flu­ten­den Nichts, im Nir­wa­na al­lein zu­rück: Isol­de lebt!

Ra­chel Ni­cholls ver­kör­pert eine noch jun­ge, aber ent­schie­den küh­ne Prin­zes­sin. Dem ent­spricht ihre schnör­kel­lo­se Stim­me, die an den ent­schei­den­den Stel­len groß ist, aber nicht im­mer rund und ge­schmei­dig ge­nug strahlt. Was ihr noch fehlt, ist die Wort­ver­ständ­lich­keit, wie sie den an­de­ren Prot­ago­nis­ten zu ei­gen ist – bei der groß­ar­ti­gen Bran­gä­ne Clau­dia Mahn­kes, dem stimm­lich auf­trump­fen­den Mar­ke von An­dre­as Bau­er Ka­na­bas und bei ih­rem tod­ge­weih­ten Tristan.

An­dre­as Bau­er Ka­na­bas als Kö­nig Mar­ke (links) und Vin­cent Wolf­stei­ner als Tris­tan im 2. Akt

Te­nor Vin­cent Wolf­stei­ner, den hie­si­ge Opern­freun­de aus sei­ner Nürn­ber­ger Zeit nicht nur schät­zen, son­dern ver­mis­sen, ist ein Welt­klas­se-Tris­tan, der we­der spa­ren noch bel­len und schrei­en muss und auch dar­stel­le­risch kei­ne Wün­sche of­fen lässt. Wenn er singt, sieht man, dass er den In­halt der Wor­te nicht nur ver­stan­den hat, son­dern in dem Mo­ment zu füh­len, zu er­le­ben scheint. Eine ban­nen­de Leis­tung. Auch die wei­te­ren So­lis­ten überzeugen.

Se­bas­ti­an Weig­le und das Frank­fur­ter Opern- und Mu­se­ums­or­ches­ter im Gra­ben sind eine Bank für das sehn­suchts­voll Schwe­ben­de in der „Tristan“-Partitur. Der Di­ri­gent hat stets die So­lis­ten im Blick, ver­nach­läs­sigt aber kei­nes­wegs die rausch­haf­ten Pas­sa­gen. Das hohe mu­si­ka­li­sche Ni­veau spie­gelt sich auch dar­in, dass der Her­ren­chor eben­so auf der Büh­ne prä­sent sein darf wie das Eng­lisch­horn und die sel­ten zu er­le­ben­de Holz­trom­pe­te mit ih­ren Spie­lern. Über­haupt sind die Blä­ser eine Wucht – dar­un­ter zwei Mu­si­ker mit In­stru­men­ten aus der Bam­ber­ger Kla­ri­net­ten­werk­statt Schwenk und Seggelke.

Druck­ver­si­on der Kri­tik im Feuil­le­ton des Frän­ki­schen Tags. Be­such­te Pre­mie­re am 19. Ja­nu­ar, wei­te­re Vor­stel­lun­gen am 25. Ja­nu­ar, am 1., 9., 14., 23. und 29. Fe­bru­ar so­wie im Juni/​Juli. Kar­ten un­ter Te­le­fon 069/21249494 bzw. über die Home­page der Oper Frank­furt

Vin­cent Wolf­stei­ner und Ra­chel Ni­cholls als Tris­tan und Isol­de im 2. Akt – Alle Fo­tos: © Bar­ba­ra Aumüller 

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