Eine Frau im Schwebezustand

Die Oper Frank­furt hat die sel­ten ge­spiel­te Oper „Pé­né­lo­pe“ von Ga­bri­el Fau­ré neu im Pro­gramm. Jo­a­na Mall­witz am Pult, der Re­gis­seu­rin Co­rin­na Tet­zel und der Mez­zo­so­pra­nis­tin Pau­la Mur­ri­hy ge­lingt ein zwar eher stil­ler, aber gro­ßer Abend.

Pau­la Mur­ri­hy als von Frei­ern be­dräng­te Pé­né­lo­pe – Foto: Bar­ba­ra Aumüller

Bernd Loe­be ist ei­ner der er­folg­reichs­ten In­ten­dan­ten über­haupt. Aus gu­ten Grün­den: Das Pro­gramm der Oper Frank­furt bie­tet ne­ben Re­per­toire-Hits in un­ter­schied­li­cher Äs­the­tik stets auch Un­ge­wohn­tes. Und dass der Chef ein gu­tes Händ­chen hat, wenn es gilt, für ein Werk das pas­sen­de Team zu fin­den, hat sich jetzt wie­der ge­zeigt, bei der jüngs­ten Neuproduktion.

Die Frank­fur­ter Erst­auf­füh­rung der sel­ten ge­spiel­ten Oper „Pé­né­lo­pe“ von Ga­bri­el Fau­ré (1854– 1924) ver­trau­te er ei­nem jun­gen weib­li­chen Team an: der Re­gis­seu­rin Co­rin­na Tet­zel und der haupt­amt­lich in Nürn­berg wir­ken­den Di­ri­gen­tin Jo­a­na Mall­witz, die im Früh­jahr 2020 in Frank­furt auch eine Neu­in­sze­nie­rung der „Sa­lo­me“ von Ri­chard Strauss di­ri­gie­ren wird.

Dass Mall­witz das fran­zö­si­sche Fach liegt, konn­te sie schon bei ih­rem Frank­fur­ter De­büt 2017 mit „Pel­lé­as et Mé­li­san­de“ be­wei­sen. In Fau­rés ein­zi­ger Oper – der Kom­po­nist re­üs­sier­te vor al­lem mit Lie­dern und sei­nem Re­qui­em und be­zeich­ne­te „Pé­né­lo­pe“ als Poè­me ly­ri­que in drei Ak­ten – lässt sie die far­ben­rei­che und über­wie­gend ly­risch fein or­ches­trier­te Mu­sik wie schwe­bend aufblühen.

Pau­la Mur­ri­hy (Pé­né­lo­pe), Eric Laport (Ulys­se) und im Hin­ter­grund Jo­an­na Mo­tu­le­wicz (Eu­ryclée) im 2. Akt – Foto: Bar­ba­ra Aumüller

Mit dem Frank­fur­ter Opern- und Mu­se­ums­or­ches­ter trifft sie den im­pres­sio­nis­ti­schen, al­ler­dings von Schwer­mut um­flor­ten Grund­ton, gibt aber auch der spät­ro­man­ti­schen Wucht Raum. Und nicht um­sonst hat sie Eric Lapor­te, den Nürn­ber­ger Lo­hen­grin, nach Frank­furt mit­ge­bracht. Der ka­na­di­sche Te­nor darf als ein idea­ler Ulys­se gel­ten, der der Par­tie so­wohl im mu­si­ka­li­schen wie im fran­zö­sisch­spra­chi­gen Aus­druck voll ge­recht wird.

Die iri­sche Mez­zo­so­pra­nis­tin Pau­la Mur­ri­hy in der Ti­tel­par­tie ist das ei­gent­li­che Er­eig­nis der Auf­füh­rung. Stimm­lich sou­ve­rän im schlan­ken wie im gro­ßen Ton ver­mag sie dank ih­rer über­aus prä­zi­sen und dif­fe­ren­zier­ten Kör­per­spra­che und Mi­mik der Pé­né­lo­pe ein Pro­fil zu ge­ben, das ei­nen be­rührt, nach­denk­lich macht und nicht mehr los lässt.

Sze­ne aus dem mit Ro­sen und Pfei­len ge­spick­ten 2. Akt mit Pau­la Mur­ri­hy (Pé­né­lo­pe, vor­ne), Eric Lapor­te (Ulys­se, oben hin­ten) mit En­sem­ble – Foto: Bar­ba­ra Aumüller

Was zwan­zig Jah­re des War­tens be­deu­ten, war für Re­gis­seu­rin Co­rin­na Tet­zel die zen­tra­le Fra­ge des Stücks nach der Vor­la­ge Ho­mers, das auf der In­sel Itha­ka nach dem Tro­ja­ni­schen Krieg spielt, wo die von Frei­ern be­dräng­te Pe­ne­lo­pe auf die Heim­kehr von Odys­seus hofft und den als Bett­ler ver­klei­de­ten, end­lich zu­rück­ge­kehr­ten Gat­ten nicht wiedererkennt.

Die In­sze­nie­rung in der stim­mi­gen Aus­stat­tung von Rifail Aj­dar­pa­sic (Büh­ne), Ra­pha­e­la Rose (Kos­tü­me), Jan Hart­mann (Licht) und Bibi Abel (Vi­deo) geht psy­cho­lo­gisch ein­fühl­sam und ent­schie­den heu­tig auf den ge­ge­be­nen Kon­flikt ein, der sich für eine Frau des 21. Jahr­hun­derts na­tür­lich an­ders dar­stellt als zur Ent­ste­hungs­zeit der Oper zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts, als der Kom­po­nist noch ex­pli­zit die ehe­li­che Lie­be und Treue auch in der ab­surd lan­gen Tren­nung zu fei­ern ge­dach­te. Es geht na­tür­lich nicht nur um Frau­en-, son­dern eben­so um Männerbilder.

Pau­la Mur­ri­hy (Pé­né­lo­pe, links ste­hend mit Glas in der Hand) so­wie Die­ne­rin­nen und Frei­er – Foto: Bar­ba­ra Aumüller

Pe­ne­lo­pe hat durch­aus die Ho­sen an in ih­rem süd­li­chen In­sel­staat, aber un­ter ih­rem Busi­ness­an­zug trägt sie das aus vie­len Stoff­strei­fen be­stehen­de To­ten­kleid, das sie für La­er­tes webt. Es ist Aus­druck ih­res Hof­fens, Ban­gens und Zwei­felns, ih­res in­ne­ren Schwe­be­zu­stands und Still­stands. Wenn schließ­lich das Nicht-wahr-ha­ben-Wol­len des ei­gent­lich er­sehn­ten Er­eig­nis­ses nicht mehr funk­tio­nie­ren kann, bricht fol­ge­rich­tig ihre Welt aus­ein­an­der. Zu über­ir­di­schen Klän­gen. Ein gro­ßer, eher stil­ler Opern­abend. Ein­hel­li­ger Ju­bel bei der Premiere.

Be­such­te Pre­mie­re am 1. De­zem­ber 2019, Erst­druck der Kri­tik im Feuil­le­ton des Frän­ki­schen Tags. Wei­te­re Vor­stel­lun­gen am 6.,.11. und 15.12.2019 so­wie am 11., 17. und 23.1.2020. Kar­ten-Te­le­fon 069-21249494 und on­line un­ter www​.oper​-frank​furt​.de

Pau­la Mur­ri­hy (Pé­né­lo­pe) und Eric Laport (Ulys­se) im Schluss­akt Foto: Bar­ba­ra Aumüller