In Tribschen kommen R.’s Geschenke aus München an und (leider verschollene) Post aus Bayreuth sowie erneut schlechte Nachrichten von Freundin Mathilde Maier.
Freitag 15ten [Dezember 1871] Von R. einen kleinen Brief aus München, dann eine Depesche aus Bayreuth, daß alle Besorgungen vortrefflich seien.[1] Erhalte auch einen Fasan und einen Baschlik, die er gesendet.[2] Mit den Kindern gearbeitet, dann zur Stadt gegangen. Brief von der armen Mathilde Maier,[3] die in förmlicher Not nun photographieren lernt! Nichts zu melden außer Beschäftigung mit den Kindern. Großer Kummer, daß ich Lulu[4] nicht mitnehme, Gott gebe, daß dadurch die Unwahrheit ihr für ewig aus dem Herzen getrieben werde. Mein einziger Trost ist, daß die Kälte so groß ist, daß die Strafe am Ende vorsichtig ist. Gott stehe mir bei in allem; nichts fällt mir leicht.
[1] Brief und Telegramm sind nicht erhalten. Bei den Besorgungen in Bayreuth handelt es sich in erster Linie um die Auswahl des Bauplatzes für das Festspielhaus und den entsprechenden Magistratsbeschluss. Der Ankauf des Grundstücks auf dem Stuckberg im Ortsteil St. Georgen wird wenig später auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen.
[2] Wagner hatte in München als Geschenke einen Fasan und den Baschlik gekauft und nach Luzern schicken lassen. Die kapuzenartige Baschlik-Haube mit langen Seitenteilen, die um den Hals geschlungen werden können, stammt aus dem türkisch-kaukasischen Raum und wurde im 19. Jahrhundert auch für die europäische Damen- und Kindermode relevant.
[3] Mathilde Maier (1834–1910), eine Freundin Wagners aus Mainz, die er 1862 im Haus seines Verlegers Franz Schott kennengelernt und der er in seiner Biebricher Zeit mehrfach und vergeblich den Antrag gemacht hatte, ihm den Haushalt zu führen, befand sich wohl in einer Lebenskrise. Die Briefe Wagners an Maier aus den Jahren 1862 bis 1878, die Mathilde wie ihren Augapfel gehütet hatte, wurden erstmals 1930 veröffentlicht, einen ziemlich schwer zu entziffernden Brief Mathildens an Cosima finden Sie hier.
[4] Lulu = Daniela von Bülow (*12.10.1860), erste Tochter Cosimas aus erster Ehe, sollte ihre Mutter ursprünglich auf der Reise nach Mannheim zu Wagners Konzert am 20. Dezember begleiten. Cosima versagte ihr das einer Lüge wegen, obwohl R. sie mehrfach eindringlich gebeten hatte, hier ausnahmsweise Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
Quellen: Cosima Wagner: Die Tagebücher: Band I, S. 1575. Digitale Bibliothek Band 107: Richard Wagner: Werke, Schriften und Briefe, S. 34736 (vgl. Cosima-Tagebücher 1, S. 467–468); Dr. Hans Scholz: Richard Wagner an Mathilde Maier (1862–1878); Otto Strobel: Richard Wagner. Leben und Schaffen. Eine Zeittafel; Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Band 23 (hg. v. Andreas Mielke).
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