Die Bayreuther Festspiele haben das Programm der Saison 2022 veröffentlicht. Es enthält einige Überraschungen.
´Damit hat wohl keiner gerechnet: Daß die Bayreuther Festspiele im hoffentlich coronafreien Festspielsommer 2022 gleich mit fünf Neuinszenierungen aufwarten können! Nicht nur der wegen der Pandemie-Zwangspause um zwei Jahre verschobene neue „Ring“-Vierteiler (Musikalische Leitung: Pietari Inkinen, Regie: Valentin Schwarz) steht auf dem Programm, sondern, was als Überraschung gelten kann, auch „Tristan und Isolde“, neu interpretiert von zwei Hügel-Debütanten (Musikalische Leitung: Cornelius Meister, Regie: Roland Schwab). Die Solistenriege 2022 ist überwiegend vielversprechend. Schwer im Einsatz sind vor allem die Heldentenöre Stephen Gould (Hauptpartien in drei Festspielproduktionen) und Klaus Florian Vogt (Hauptpartien in zwei Inszenierungen und zwei Soloauftritte in Konzerten).
Darüber hinaus gibt es Wiederaufnahmen von der „Fliegende Holländer“, „Lohengrin“ und „Tannhäuser“, sodass Opern- und Wagnerfreunde insgesamt acht verschiedene Festspielinszenierungen zur Auswahl haben. Das hat es in Bayreuth erstmals in den späten Fünfzigerjahren und zuletzt 1970 gegeben. Hinzu kommen zwei Festspielkonzerte unter Andris Nelsons (mit Ausschnitten aus „Tannhäuser“, „Rienzi“ und „Tristan“ und Klaus Florian Vogt als Solist), zwei Festspiel-Openair-Veranstaltungen, im Rahmen von Diskurs Bayreuth eine attraktiv besetzte Eigenproduktion sowie die Taff-Festspielnacht am Goldbergsee. So viele unterschiedliche Festspielangebote hat es noch nie gegeben.
Die Festspiele beginnen am 25. Juli mit der „Tristan“-Neuinszenierung, nach mehreren Diskurs-Aufführungen und dem ersten Openair-Abend folgt ab 31. Juli der neue „Ring“. Insgesamt umfasst das Festspielangebot 35 Abende von 25. Juli bis 1. September 2022, darunter dreimal der komplette neue „Ring“ mit „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“, wohl aus Besetzungsgründen nur zweimal die Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ sowie je viermal die Wiederaufnahmen von „Holländer“, „Tannhäuser“ und letztmalig „Lohengrin“.
„Die Besonderheit zweier Neuproduktionen“, heißt es in der Pressemitteilung der Festspiele vom 25. Februar, „liegt darin begründet, dass die Corona-Situation auch für den Chor ein erhöhtes Risiko birgt.“ So sehen die künstlerischen Planungen vor, dass der Chor wieder singend auf der Bühne agieren soll. Im Falle eines Infektionsgeschehens solle der Spielbetrieb dennoch aufrechterhalten werden, die Chöre der Neuproduktionen „Tristan und Isolde“ und „Götterdämmerung“ würden dann eingespielt. Details dazu hat Britta Schultejans von der dpa erfahren.
Für den Nachwuchs gibt es diesmal „Lohengrin für Kinder“, der Meisterkurs Gesang soll, so es die epidemiologische Lage erlaubt, in diesem Jahr unter der Leitung von Catherine Foster stattfinden. Im März wird der Versand der Bestellunterlagen mit einer Rückmeldefrist bis 15. April erfolgen, ein Online-Sofortkauf ist für 29. Mai angesetzt. Der Saalplan wurde sichtliniengerecht angepasst und die Aufteilung in Kategorien ähnlich der früheren Einteilung festgelegt.
Mehr als vier Neuproduktionen in einer Saison hat es in der Geschichte der Bayreuther Festspiele übrigens bisher nur einmal gegeben: 1951, zur Wiedereröffnung der Festspiele nach dem Zweiten Weltkrieg. Richtig neu, modern und für eine ganze Ära Maßstäbe setzend war allerdings nur die abstrakt kühne „Parsifal“-Inszenierung von Wieland Wagner. Die erste Bayreuther „Ring“-Inszenierung des Wagnerenkels hingegen war trotz der „Entrümpelung“ in vielem zunächst noch zu sehr der Vorkriegstradition verbunden. Auch die von Rudolf Hartmann inszenierten „Meistersinger“ entsprachen dem damaligen restaurativen Stil.
Man darf gespannt sein, wie die Presse und Publikum die Bayreuther Neuproduktionen 2022 künstlerisch bewertet werden. „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz (Jahrgang 1989) hat in einem ersten dpa-Interview erklärt, dass er den „Ring“ wie eine Netflix-Serie auffasst: „Ich will eine Geschichte von heutigen Menschen, heutigen Figuren, heutigen Problemen erzählen – und keine von Göttern, Zwergen, Riesen und Drachen.“ Den ersten Teil der Tetralogie sieht er quasi als „Pilotfilm, der viele Fragen aufwirft, vieles anteasert und gespannt macht auf das, was da noch kommt, auch wenn man vielleicht noch nicht alles sofort einordnen kann.“
„Tristan“-Regisseur Roland Schwab (Jahrgang 1969) ist in München aufgewachsen, studierte in Hamburg Musiktheater-Regie unter Götz Friedrich wurde besonders von Ruth Berghaus geprägt. Am Theater Meiningen assistierte er Christine Mielitz bei deren „Ring“-Inszenierung und wirkte dort als Oberspielleiter, bevor er begann, als freiberuflicher Regisseur an etlichen Bühnen im In- und Ausland zu wirken. Wichtige Arbeiten der letzten Zeit waren „Mefistofele“ von Arrigo Boito an der Bayerischen Staatsoper München (2015), „Otello“ am Aalto-Theater Essen (2019) sowie „Lohengrin“ in der Felsenreitschule Salzburg (2019).
„Tristan“-Dirigent Cornelius Meister (Jahrgang 1980) ist seit 2018 Generalmusikdirektor der Staatsoper und des Staatsorchester Stuttgart und leitet dort in seiner vierten Saison aktuell die Neuinszenierungen von „Das Rheingold“ und „Die Walküre“. Er studierte Klavier und Dirigieren in Hannover sowie am Mozarteum Salzburg, debütierte mit 21 Jahren in Hamburg, war von 2005 bis 2012 GMD in Heidelberg und von 2010 bis 2018 Chefdirigent des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien. Er gastierte an vielen renommierten Opernhäusern im In- und Ausland. 2016 gewann er mit „Peter Grimes“ den International Opera Award für die beste Produktion der Saison, 2018 den International Classical Music Award für die Gesamteinspielung sämtlicher Martinů-Symphonien.
Nachtrag vom 1. März mit Link zum Interview mit Katharina Wagner hier
Spielplan der Bayreuther Festspiele 2022
Montag, 25. Juli, 16 Uhr: Tristan und Isolde
Dienstag, 26. Juli, 19.30 Uhr: „Nach Tristan“ (Diskurs Bayreuth)
Mittwoch, 27. Juli, 20 Uhr: Festspiel Open Air
Donnerstag, 28. Juli, 19.30 Uhr: „Nach Tristan“ (Diskurs Bayreuth)
Freitag, 29. Juli: spielfrei
Samstag, 30. Juli, 19.30 Uhr: „Nach Tristan“ (Diskurs Bayreuth)
Sonntag, 31. Juli, 18 Uhr: Das Rheingold
Montag, 1. August, 16 Uhr: Die Walküre
Dienstag, 2. August, 20 Uhr: Festspiel Open Air
Mittwoch, 3. August, 16 Uhr: Siegfried
Donnerstag, 4. August, 16 Uhr: Lohengrin
Freitag, 5. August, 16 Uhr: Götterdämmerung
Samstag, 6. August, 18 Uhr: Der fliegende Holländer
Sonntag, 7. August, 16 Uhr: Lohengrin
Montag, 8. August, 16 Uhr: Tannhäuser
Dienstag, 9. August, 18 Uhr: spielfrei bzw. TAFF-Festspielnacht
Mittwoch, 10. August, 18 Uhr: Das Rheingold
Donnerstag, 11. August, 16 Uhr: Die Walküre
Freitag, 12. August, 16 Uhr: Tristan und Isolde
Samstag, 13. August, 16 Uhr: Siegfried
Sonntag, 14. August, 16 Uhr: Lohengrin
Montag, 15. August, 16 Uhr: Götterdämmerung
Dienstag, 16. August, 18 Uhr: Der fliegende Holländer
Mittwoch, 17. August: spielfrei
Donnerstag, 18. August, 16 Uhr: Tannhäuser
Freitag, 19. August, 16 Uhr: Lohengrin
Samstag, 20. August, 18 Uhr: Der fliegende Holländer
Sonntag, 21. August, 16 Uhr: Tannhäuser
Montag, 22. August, 16 Uhr: Lohengrin
Dienstag, 23. August: spielfrei
Mittwoch, 24. August, 16 Uhr: Tannhäuser
Donnerstag, 25. August, 18 Uhr: Das Rheingold
Freitag, 26. August, 16 Uhr: Die Walküre
Samstag, 27. August, 18 Uhr: Der fliegende Holländer
Sonntag, 28. August, 16 Uhr: Siegfried
Montag, 29. August: spielfrei
Dienstag, 30. August, 16 Uhr: Götterdämmerung
Mittwoch, 31. August 2022, 18 Uhr: Konzert unter Andris Nelsons
Donnerstag, 1. September 2022, 18 Uhr: Konzert unter Andris Nelsons
Tristan und Isolde
Musikalische Leitung: Cornelius Meister
Regie: Roland Schwab
Kostüm: Gabriele Rupprecht
Dramaturgie: Christian Schröder
Licht: Nicol Hungsberg
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Tristan: Stephen Gould, Marke: Georg Zeppenfeld, Isolde: Catherine Foster, Kurwenal: Markus Eiche, Melot: Olafur Sigurdarson, Brangäne: Ekaterina Gubanova, Ein Hirt: Jorge Rodríguez-Norton, Ein Steuermann: Raimund Nolte, Junger Seemann: N.N.
„Nach Tristan“ – Eine Reise aus der Vergangenheit rückwärts in die Gegenwart
Ein Abend zwischen Richard Wagner und Heiner Müller, der den Weg von „Tristan und Isolde“ zu „Quartett“ auslotet, mit Texten beider Autoren und Musik von Wagner, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Diskurs Bayreuth“ der Bayreuther Festspiele 2022 im Kino „Reichshof“.
Regie: Ingo Kerkhof, Bühne und Kostüme: Jessica Rockstroh, Musik: Felix Kroll, Dramaturgie: Gerhard Ahrens, mit dem Schauspielern Dagmar Manzel und Sylvester Groh.
Der Ring des Nibelungen
Musikalische Leitung: Pietari Inkinen
Regie: Valentin Schwarz
Bühne: Andrea Cozzi
Kostüm: Andy Besuch
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Licht: Reinhard Traub
Das Rheingold
Wotan: John Lundgren, Donner: Raimund Nolte, Froh: Attilio Glaser, Loge: Daniel Kirch, Fricka: Christa Mayer, Freia: Elisabeth Teige, Erda: Okka von der Damerau, Alberich: Olafur Sigurdarson, Mime: Arnold Bezuyen, Fasolt: Jens-Erik Aasbo, Fafner: Wilhelm Schwinghammer, Woglinde: Lea-ann Dunbar, Wellgunde: Stephanie Houtzeel, Floßhilde: Simone Schröder
Die Walküre
Siegmund: Klaus Florian Vogt, Hunding: Georg Zeppenfeld, Wotan: John Lundgren, Sieglinde: Lise Davidsen, Brünnhilde: Iréne Theorin, Fricka: Christa Mayer, Gerhilde: Kelly God, Ortlinde: Brit-Tone Müllertz, Waltraute: N.N., Schwertleite: Christa Mayer, Helmwige: Daniela Köhler, Siegrune: Stéphanie Müther, Grimgerde: Marie Henriette Reinhold, Rossweisse: Simone Schröder
Siegfried
Siegfried: Andreas Schager, Mime: Arnold Bezuyen, Der Wanderer: John Lundgren, Alberich: Olafur Sigurdarson, Fafner: Wilhelm Schwinghammer, Erda: Okka von der Damerau, Waldvogel: Alexandra Steiner, Hagen (szenisch): Albert Dohmen
Götterdämmerung
Siegfried: Stephen Gould, Gunther: Michael Kupfer-Radecky, Alberich: Olafur Sigurdarson, Hagen: Albert Dohmen, Brünnhilde: Iréne Theorin, Gutrune: Elisabeth Teige, Waltraute: Christa Mayer, 1. Norn: Okka von der Damerau, 2. Norn: Simone Schröder, 3. Norn: Kelly God, Woglinde: Lea-ann Dunbar, Wellgunde: Stephanie Houtzeel, Floßhilde: Simone Schröder
Der fliegende Holländer
Musikalische Leitung: Oksana Lyniv, Regie und Bühne: Dmitri Tcherniakov, Kostüm: Elena Zaytseva, Licht: Gleb Filshtinsky, Dramaturgie: Tatiana Werestchagina, Chorleitung: Eberhard Friedrich
Daland: Georg Zeppenfeld, Senta: Elisabeth Teige, Erik: Eric Cutler, Mary: N.N., Der Steuermann: Attilio Glaser, Der Holländer: Tomasz Konieczny
Lohengrin
Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Regie: Yuval Sharon
Bühne und Kostüm: Rosa Loy, Neo Rauch
Licht: Reinhard Traub
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Heinrich der Vogler: Georg Zeppenfeld, Lohengrin: Klaus Florian Vogt, Elsa von Brabant: Camilla Nylund, Friedrich von Telramund: Martin Gantner, Ortrud: Petra Lang, Der Heerrufer des Königs: Derek Welton, 1. Edler: Michael Gniffke, 2. Edler: Tansel Akzeybek, 3. Edler: Raimund Nolte, 4. Edler: Jens-Erik Aasbo
Tannhäuser
Musikalische Leitung: Axel Kober
Regie: Tobias Kratzer
Bühne und Kostüm: Rainer Sellmaier
Licht: Reinhard Traub
Video: Manuel Braun
Dramaturgie: Konrad Kuhn
Chorleitung: Eberhard Friedrich
Landgraf Hermann: Albert Dohmen, Tannhäuser: Stephen Gould, Wolfram von Eschenbach: Markus Eiche, Walther von der Vogelweide: N.N., Biterolf: Olafur Sigurdarson, Heinrich der Schreiber: Jorge Rodríguez-Norton, Reinmar von Zweter: Jens-Erik Aasbo, Elisabeth, Nichte des Landgrafen: Lise Davidsen, Venus: Ekaterina Gubanova, Ein junger Hirt: Tuuli Takala
Weitere Details finden Sie auf www.bayreuther-festspiele.de
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