Sehenswert ist die nur bis 18. Juni geöffnete Sonderausstellung „Wahnfrieds Erbe – 50 Jahre Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth“ im Bayreuther Wagnermuseum, wie Frank Piontek in seinem Gastbeitrag schreibt.
Der Stuck der ehemaligen Verzierung im kriegszerstörten Saal von Haus Wahnfried ist nur noch in Bruchstücken erhalten. Noch als Fragment zeugt es vom einstigen Glanz des repräsentativen, den „Meister“ repräsentierenden Wohnhauses am Bayreuther Hofgarten. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass vom Wichtigsten – dem Werk – außerordentlich viel auf uns gekommen ist. Anders gesagt: Was verbindet Wagners erste überlieferte Orchesterkomposition mit dem Manuskript der As-Dur-Elegie? Durch welche Schluchten führen die Wege, die die ersten 14 Bühnenbild- und die ersten Textskizzen zum „Ring des Nibelungen“ miteinander verbinden?
Es ist der Richard-Wagner-Stiftung zu verdanken, dass all diese Schätze an einem Ort sicher verwahrt werden. Aus Anlass des 50. Jahrestags der Gründung eben dieser Stiftung wird ihr im Wagner-Museum eine relativ kleine, aber dank ihrer Exponate sehr feine Ausstellung gewidmet, in der die erwähnten Stücke, die ansonsten im Tresor liegen, in Augenschein genommen werden können. Soll man sie Inkunabeln, Zimelien, Trouvaillen, Schätze nennen? Zweifellos. Dabei handelt es sich bei den Objekten „nur“ um einen Bruchteil dessen, was unter der Obhut der Stiftung verwahrt wird. Der Weg dorthin war lang; schon Wagner dachte daran, „Mittel zur allmählichen Vorführung aller meiner Werke“ zu erlangen, die über seinen Tod hinaus in einer von Patronen getragenen Stiftung garantiert werden sollten. Die Ausstellung zeigt mit wenigen Stücken, dass eine erste Stiftung schon 1929 scheiterte – heute gehören ihr nicht allein, im Status von Dauerleihgaben, die im Nationalarchiv verwahrten Objekte, sondern auch das Festspielhaus und, als Überlassung von der Stadt Bayreuth, Wahnfried und das Festspielhaus. Ein Organigramm macht zudem klar, wieso jede juristische Auseinandersetzung mit dem Festspiel/Stiftungskonstrukt dem Kampf mit einem gordischen Knoten gleich kommt.
Was hier allein glänzt, sind die Wertstücke. Der Besucher darf nicht allein den (leeren) Schuber betrachten, in dem die erst vor Kurzem erworbenen Papiere der Burrell-Collection deponiert wurden. Er erhält Einblick in eine ca. 1000 Stücke umfassende, also vermutlich einzigartige Sammlung von Kitschpostkarten, er darf das berühmte und auratische Wagner-Porträt der Frau Stockar-Escher im Original bewundern, und er sieht aufs Braune Buch und den letzten von Cosima Wagner geschriebenen Eintrag ihres berühmten und kulturgeschichtlich außerordentlich wichtigen Tagebuchs. Er darf sich in zwei Manuskript-Seiten des frühen Trauerspiels namens „Leubald“ vertiefen, und er darf sich zwei Karikaturen von Wagners Pariser Freund Ernst Benedikt Kietz anschauen, die er ansonsten nur von mehr oder weniger guten Reproduktionen her kennt. Zuletzt dürfte ihn die Aufschrift einer der vielen noch erhaltenen Kranzschleifen erfreuen, die im Februar 1883 den letzten irdischen Weg Richard Wagners begleiteten. Er stammte von einer gewissen Mathilde „Wesendanck“. Der Freudsche Verschreiber ist mehrdeutig – denn viel von dem, was Wagner der Nachwelt an Handschriften und die Nachwelt noch uns an Wagneriana überließ, wurde dank der Stiftung gesichert: bis hin zu jüngsten, spektakulären Erwerbungen. Bruchstücke? Ja – aber prachtvolle.
Nur bis 18. Juni 2023, Öffnungszeiten Dienstag–Sonntag, 10–17 Uhr, Sonderausstellung im Eintrittspreis für das Wagnermuseum inbegriffen.
Ähnliche Beiträge
- Ausstellung wird erweitert und verlängert 1. Juni 2023
- „Mensch Wagner“ 26. Januar 2023
- „Wahn, Wahn, überall Wahn“ 4. Mai 2023
- Minna-Briefe-Kalender (24) 24. Dezember 2022
- Mensch Wagner! 1. Juli 2024