Festvortrag „50 Jahre Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth“ von Nike Wagner zum Festakt am 2. Mai 2023 im Richard-Wagner-Museum Bayreuth in kompletter Länge.
Verehrte Regierungspräsidentin Frau Piwernetz, verehrte ehemalige und aktuelle Mitglieder des Stiftungsrates – sehen Sie es mir bitte nach, daß ich meine namentliche Begrüßung einschränke – nur der Stifterfamilie noch einen speziellen Gruß: willkommen lieber Wolf Siegfried, liebe Daphne, Verena und Katharina –
Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, hier im „Haus meiner Väter“ – und Mütter – soviel Gendern muß erlaubt sein – zum 50-jährigen Jubiläum der Richard-Wagner- Stiftung sprechen zu dürfen. Ein denkwürdiger Anlaß, ein feierlicher Augenblick. Wir haben hier wirklich etwas zu feiern, denn diese Stiftung ist nicht nur eine der bedeutendsten Kulturstiftungen Deutschlands, vergleichbar der Klassik-Stiftung in Weimar oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, sie ist auch eine besonders ungewöhnliche, wenn nicht eigenwillige – denn hat man je eine Stiftungsbegründung erlebt, wo kein Stiftungskapital vorhanden war, das Zinsen abwürfe, sondern nur Bedürftigkeiten, Baufälligkeiten und Dauerkosten? Die Bayreuther Richard-Wagner-Stiftung ist anders als alle anderen Kunststiftungen dieser Welt…
Erlauben Sie, daß ich Ihnen hier eine Skizze von der Idee und Geschichte dieser Stiftung zu geben versuche. Und nicht nur davon: auch von den Gefahren wird die Rede sein müssen, denen diese wunderbare Stiftung in ihren Kernkompetenzen inzwischen ausgesetzt ist.
Man könnte es sich leicht machen und mit Wikipedia feststellen: Die Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die den künstlerischen Nachlass von Richard Wagner pflegen und das Festspielhaus in Bayreuth dauerhaft für die Nachwelt erhalten soll. Sie wurde 1973 errichtet und ist seither Träger des Bayreuther Festspielhauses. Außerdem wählt sie den Festspielleiter der Bayreuther Festspiele.
So undramatisch, so unwagnerisch aber ist die Geschichte der Umwandlung eines Privattheaters und Privatarchivs in einen Staatsbetrieb bzw. in eine Stiftung bürgerlichen Rechts nicht abgelaufen. Die Eigenarten der Richard-Wagner-Stiftung haben mit dem Stiftungsgegenstand zu tun, der sich in vier Problemfelder aufteilt, in vier Elemente, die aufs Engste miteinander verbunden sind und ineinandergreifen.
Da ist zum einen das mit Hilfe des Wagnerschen Groß-Sponsors – des bayerischen Königs Ludwig II. – erbaute Bayreuther Festspielhaus, eine gewaltige Immobilie, thronend auf einem Areal, das die Stadtväter Bayreuths damals großzügig beigesteuert haben; und da sind zweitens die Werke Richard Wagners, die zwar überall gespielt werden, im eigenen Theater aber, dem „Wagnertheater“ einen besonderen Mehrwert abschöpfen können, der sich u.a. im weltweiten Erfolg der Bayreuther Festspiele zeigt. Durch die Geschichte hindurch haben bestimmte politische und gesellschaftliche Kräfte den Komplex Wagner/Bayreuth zu einer nationalen Kultstätte, einem nationalen Mythos erhoben. Will man diesen Mythos am Laufen erhalten, so braucht es Geld.
Zum dritten also: da ist das Problemfeld Geld, die Festspiel-Aufführungen müssen ermöglicht werden, das kostet. Ebenso dringlich ist die Instandhaltung des schlichten, damals – zwischen 1872 und 1875 aber nur hastig hochgezogenen – Fachwerk-Baus. Das Festspielhaus war Privatbesitz Richard Wagners. Auf die notorischen Geld-Nöte des Komponisten brauchen wir hier nicht einzugehen. Indem er aber kein stiller Kammermusik-Komponist war, sondern für den großen Apparat geschrieben hat – die große Bühne, das große Orchester mitsamt dem Riesenpersonal – hat er die Geldprobleme gewissermaßen mitgeschaffen und damit auch weitergegeben, vererbt. Und wem hat er seinen Wunderbau zur „festlichen Aufführung“ seiner Wunderwerke vererbt? Ganz einfach: der Familie.
Und da beginnt der Problemkreis Nummer vier: wie sollte die Familie dieses Erbe am Leben erhalten, zu dem noch das materielle kam – Liegenschaften wie Wagners fürstliche Villa Wahnfried mit großem Garten, später erweitert um weitere Anbauten; nicht zu reden von dem kulturgeschichtlichen Erbe: das unschätzbar wertvolle Archiv mit den Nachlässen von Richard, Cosima und Siegfried Wagner, zudem Dokumente zu Franz Liszt und zur Geschichte der Bayreuther Festspiele von 1872 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, die mit der Zustiftung von Wolfgang Wagner für die Jahre 1951 bis 1986 fortgeführt wurden, dazu die Sammlungen der vormaligen Richard-Wagner-Gedenkstätte – all die Partituren, Manuskripte, Schriften, Dokumente, Urkunden, Büsten und Möbel, Fotos und Gemälde … Und überdies, wer sollte die Festspiele leiten können und wollen, wer wäre der Festspiel-Veranstalter? War sein Genie wirklich vererbbar? Und was sollte geschehen, wenn sich diese Familie – wie vorhersehbar – vermehren würde? Neben die materiellen Vererbungssorgen würden familiär-psychologische Konflikte treten. Da bedurfte es gewisser Regelungen.
Der Stiftungsgedanke taucht schon bei Wagner auf, nach dem finanziellen Fiasko der ersten Festspiele vom Sommer 1876. Wagner war enttäuscht und wütend: Einzig durch „finanzielle Unzulänglichkeit“ wären jene „Störungen und Verzögerungen“ hervorgerufen worden, die die Aufführungen unfertig ließen. „Vor solchen Einflüssen und Beeinträchtigungen muss nun in Zukunft mein Werk und Wirken bewahrt werden … die jährlichen Bühnenfestspiele in Bayreuth müssen durchaus eine freie Stiftung bleiben … und in alle Zukunft gegen finanzielle Schäden bewahrt“ werden.
Weil er die bisherigen Patrone höchstens für einen Kostendeckungsbeitrag würde gewinnen können, hatte Wagner vor, sich an das „Deutsche Reich“ zu wenden. Nach diesem Plan übernähme die deutsche Reichsregierung das Festspielhaus mit allem Zubehör und allen bisherigen und zukünftigen Unkosten als „der Nation zugehöriges Eigentum“. Und übergäbe es der Stadt Bayreuth zur Verwaltung mit der Verpflichtung zu alljährlichen Aufführungen.
Eigentlich traute Wagner dem Kunstverständnis des Bismarck-Reiches aber nicht. „Schöner und würdiger“ dünkte es ihn, wenn Bayern und sein König die Sache ganz übernähmen. „Dies wäre denn mein letzter Stoßseufzer“, so der Gründer. Kein Wunder, war er doch mit dem Bayernkönig bisher am besten gefahren. Die Dualität der künftigen Subventionsgeber – Bund/Bayern – finden wir 1876 jedenfalls schon vorformuliert.
1883. Richard Wagner hinterließ kein Testament und die Zukunfts-Probleme waren da. Deshalb gab es, 1884, von seiten des „Allgemeinen Wagner-Vereins“ die Idee einer Richard-Wagner-Stiftung, die Familie aber lehnte ab – sie wollte ihrer eigenen Entmachtung nicht zustimmen. Der Wagner-Witwe Cosima, 46 Jahre alt und Vorerbin des gesamten Besitzes, gelang es stattdessen, das tief defizitäre Unternehmen zu stabilisieren. 1906 übergab sie ihrem Sohn Siegfried die Leitung. Auch dieser aber sah sich – 1913 – gezwungen, Stiftungspläne zu wälzen: Das gesamte Erbe – inklusive aller Liegenschaften, des Archivs und „des sehr beträchtlichen Festspielfonds“ – „dieses alles ist von meiner Mutter und mir dem deutschen Volke als ewige Stiftung bestimmt“, so Siegfried vollmundig. Aber nichts geschah, nichts wurde gestiftet – ohnehin brach erst mal der Krieg aus und das Haus wurde für zehn Jahre geschlossen. 1921 wurde dann, wiederum vom „Allgemeinen Richard-Wagner- Verband“ und anderer, kleinerer Verbände, die „Deutsche Festspiel-Stiftung“ gegründet, ohne Erfolg. Inflation einerseits, unfähige Geschäftsführung andrerseits, mit 1924 war Schluß auch mit dieser Stiftungsidee.
Dann aber wurde es ernst. Eine Art „Grundgesetz“ (so Wolfgang Wagner) wurde geschaffen mit dem gemeinsamen Testament von Siegfried und Winifred Wagner von 1929. Darin setzten sich die Eheleute für den Todesfall jeweils einander als Vorerbe/Vorerbin für die vier gemeinsamen Kinder ein. Und es wurde die Unveräußerlichkeit des Festspielhauses festgeschrieben ebenso wie dessen Nutzung ausschließlich zur „festlichen Aufführung der Werke Richard Wagners“. Im Jahr danach, 1930, starb Siegfried Wagner. Winifred Wagner blieb bis 1944 Leiterin der Festspiele und auch Eigentümerin des Festspielhauses bis 1973 – jenem Jahr, in dem die heutige Richard-Wagner-Stiftung in Kraft trat.
Bis dahin gab es aber folgenreiche Beschlüsse und Verträge: Im Januar 1949 mußte Winifred wegen ihres liebevollen Verhältnisses zum Dritten Reich die Leitung der Festspiele abgeben, ohne aber auf den Besitz des Wagnertheaters zu verzichten. In einer Vereinbarung vom 25. April 1950 umging sie die testamentarisch festgelegte Gleichberechtigung ihrer vier Kinder, indem sie ihren beiden Söhnen allein das Recht gab, die Festspiele zu führen. Wieland und Wolfgang mieteten nun das Festspielhaus von ihrer Mutter; beide leiteten nach dem Krieg die Festspiele als selbstverantwortliche Unternehmer. Die Töchter und Schwestern wurden von Teilhabe am ideellen Erbe Bayreuth ausgeschaltet und konnten erst Jahrzehnte später vom Geldsegen bei der Errichtung der Stiftung mitprofitieren. Aber Geld heilt bekanntlich nicht alle Wunden.
Nachkriegszeit. Allmählich wuchsen die Urenkel Richard Wagners heran, elf an der Zahl. Um diese von der Plünderung der Archive abzuhalten – immer mal verschwand ein kostbares Erbstück aus den Kammern und Schränken und keiner war’s gewesen. Einmal waren dies die Holzmodelle von Richard Wagners Füßen oder seine kleinen Drahtbrillen, ein andermal das kostbare Ingres-Silberstift-Portrait von Franz Liszt, ein weiteres Mal Alt-Wahnfried-Möbel oder Alt-Wahnfried-Porzellan – es verschwand sogar die „Tristan“-Partitur“ in ein Bankhaus in Barcelona, um auf abenteuerliche Weise wieder den Rückweg nach Bayreuth anzutreten. Vor allem galt es aber der Sicherung des Fortbestandes der Festspiele. Als Privatunternehmen waren sie anachronistisch geworden. Aber – ist es nicht auch bezeichnend, daß die Stiftungsidee erst nach dem Tod des künstlerischen Erneuerers der Festspiele, nach dem Tod Wielands, so virulent wurde? Die Familie entschloß sich jedenfalls zur Gründung der Richard-Wagner-Stiftung. Denn nicht ungehört sollten Wolfgang Wagners Kassandrarufe verhallen. Ich erinnere mich noch, wie er immer wieder herumging und mit erhobener Stimme, den „Tag X“ beschwor – doomsday sozusagen – an dem seine Mutter Winifred, die Universal-Vorerbin, nicht mehr sein würde. Alles würde in alle Winde zerstreut werden… „Nach den bisherigen Eskapaden dieser Nachkommen“ – so wird es in der Süddeutschen Zeitung nach dem Stiftungsvertrags-Abschluß heißen – „mußte Schlimmstes befürchtet werden, zu befürchten wäre auch, daß diese das auf über 20 Millionen geschätzte Wagner- Archiv Stück für Stück „versilbern“. An öffentliche Häme war die Familie gewöhnt.
Die Verhandlungszeit währte sieben Jahre. Stolpersteine waren grundsätzlich die in der Verfassung niedergelegte Kulturhoheit der Länder, die eine finanzielle Beteiligung des Bundes ausschloß – worauf besonders der stolze Freistaat Bayern Wert legte. In den Jahren des Ringens zwischen Bund und Ländern taucht immer wieder der Name des damaligen Innenministers Hans Dietrich Genscher auf, der seit 1958 Bayreuth-Besucher war und sich vielleicht auch deshalb in Bonn für die Bayreuther Stiftung engagierte. Es war wohl auch Genscher, der den Bund schließlich dazu bewegte, sich offiziell an der Stiftung zu beteiligen und den gleichen Betrag wie der Freistaat Bayern – 5,7 Millionen DM – zu übernehmen. Was freilich allerhöchster Einmischung bedurfte. Noch im April 1972 hatte der damalige Bundesfinanzminister Karl Schiller dem Bayreuther Bauunternehmer und ehemaligen bayerischen Finanzminister Konrad Pöhner mitgeteilt, daß der Bund keine finanzielle Unterstützung leisten würde. Nur wenige Wochen danach aber – am 10. Mai 1972 – erklärte Horst Ehmke, damals Chef des Bundeskanzleramtes, daß Willy Brandt persönlich die Bundesminister Schiller und Genscher gebeten habe, nach einer Lösung zu suchen, „die der Bedeutung des Nachlasses Richard Wagners für die gesamtstaatliche Repräsentation entspricht und dem bisherigen Engagement des Bundes in Bayreuth gerecht wird“. Interessant aus heutiger Sicht, wie hoch gehängt die Idee einer Richard-Wagner-Stiftung damals in der Politik, in der sozialliberalen Koalition wurde! Ich glaube, es ist nicht abwegig, in der Richard-Wagner-Stiftung eine erste und partielle Verkörperung des Traums zu sehen, von dem Willy Brandt – inspiriert durch Günther Grass – in seiner Regierungserklärung vom Januar 1973 gesprochen hatte – dem Traum einer „Deutschen Nationalstiftung“ zur Förderung der Künste. Für Bayreuth eine „gesamtstaatliche Repräsentanz“ zu beanspruchen – vor der Wiedervereinigung – war mutig und ungewöhnlich, zumal das „nationale“ Argument ja durchaus noch jenen Beigeschmack hatte, den die Politik bei anderer Gelegenheit – so etwa Walter Scheel und Alfons Goppel bei der Wiedereröffnung von Wahnfried 1976 – so sorgsam zugunsten des „Universellen“ vermied. Die Verhandlungen dauerten. Als der Bundesfinanzminister – inzwischen hieß er Helmut Schmidt – aber noch im Oktober 1972 der Meinung war, daß es genüge, wenn der Bund die übliche Bezuschussung leiste, tobte der Bayreuther Oberbürgermeister Hans Walter Wild, man könne die Sicherung und Erhaltung des „letzten großen privaten Kulturarchivs“ in Deutschland und der Bayreuther Festspiele nicht von einem vorübergehenden Konjunkturablauf abhängig machen. Was denn Kosten so um die 5 bis 6 Millionen für den Bund ausmachen könnten, wenn Millionenbeträge für vorübergehende Effekte wie die Olympischen Spiele fast kritiklos ausgegeben würden!
„Die Richard-Wagner-Stiftung hat von den Wagnerianern in aller Welt einen furchtbaren Alptraum genommen. Jetzt ist nämlich gesichert, daß das Festspielhaus nicht eines schönen Tages – des schnöden Mammons willen – zu einem Kaufhaus umfunktioniert wird“ hieß es am Tag nach der Unterzeichnung in der Süddeutschen Zeitung. Ja – am 2. Mai 1973 unterzeichneten – neben der Familie – sieben Vertreter der Öffentlichen Hand – des Innenministeriums, des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, der Stadt Bayreuth, der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, der Oberfrankenstiftung und der Bayerischen Landesstiftung – die Stiftungsurkunde. Jedem Wagner-Stamm kam eine Stimme im insgesamt 24-stimmigen Chor des Stiftungsrates zu; die Stimmanzahl abgestuft nach Höhe der Subventionsgebung, jeweils 5 Stimmen kamen auf den Bund und Bayern. Vertreter dieser Institutionen sitzen bis heute im Stiftungsrat auch deswegen – so schreibt Wolfgang Wagner – weil sie dazu beitrugen, der Familie eine Entschädigung von 12,4 Millionen DM für die Einbringung ihres fabulösen Archivs zu zahlen. Dieser – aus heutiger Sicht – abenteuerlich geringe Verkaufspreis beruhte auf den Schätzungen durch die Bayerische Staatsbibliothek und die Firma Stargardt, immer der Tatsache Rechnung tragend, daß das Archiv der Stiftung als Einheit übergeben werden sollte und ohnehin, als „deutsches Kulturgut“ nicht ins Ausland verkauft werden durfte – was den Wagners keinen Verhandlungsspielraum gegenüber der Öffentlichen Hand ermöglichte. Während die Familie in der süddeutschen Presse ob ihrer Versorgungsgier verhöhnt wurde, ließ Hans Dietrich Genscher dieser Familie Gerechtigkeit widerfahren. In seinen Erinnerungen heißt es: „Auch die Abfindung, die manchem zu hoch erschien, war letztlich angemessen, denn es galt, den Nachlaß Richard Wagners zusammenzuhalten und zu bewahren, und schließlich hatte die Familie der Versuchung widerstanden, durch Einzelverkäufe einen möglicherweise größeren Erlös zu erzielen.“ In der Tat waren damals von amerikanischer Seite vier Millionen allein für die Tristan-Partitur geboten worden.
Unentgeltlich dagegen wurde der Stiftung das Festspielhaus übergeben; die Stiftung ist seither Eigentümerin des Wagnertheaters. Verschenkt wurde auch Wahnfried – an die Stadt Bayreuth mit der Auflage, das Gebäude der Stiftung als Dauerleihgabe zu überlassen und seiner Verwendung als Museum zuzuführen. Zum Museum gehört seit 2015 auch das Erdgeschoß des Siegfried-Hauses – was ursprünglich nicht gewollt war. Dass es aber so gekommen ist, daran haben meine Schwester Iris wie auch die damalige Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe und das damalige Wahnfried-Kuratorium wesentlichen Anteil.
Schenkungen waren Wahnfried und das Festspielhaus deshalb, weil solche Objekte auf Dauer ja kostspielig sind – nicht nur die Erhaltung und Verwandlung Wahnfrieds aus einer Privatvilla in ein Museum, sondern auch die Fortführung der Festspiele im Festspielhaus. Der Kartenerlös allein spielte immer etwa nur die Hälfte der Ausgaben ein. Wirklich „verkauft“ wurde nur das von Winifred Wagner bewohnte „Siegfried-Wagner-Haus“ – zum Preis von 600.000 DM. Nach ihrem Tod sollte dieses Haus ebenfalls an die Stiftung fallen. Dort, in dem im lupenreinen Stil der 30-er Jahre gebauten Haus, einem veritablen Zeitgeschichte-Denkmal! – ist heute das Richard-Wagner-Nationalarchiv untergebracht, und aus den Schlafzimmern, in denen Adolf Hitler genächtigt hat und später dann auch Winifreds Enkelkinder, sind Büroräume geworden. Dieses Nationalarchiv – seine Eigentümer sind die Bundesrepublik, die Oberfrankenstiftung und die Bayerische Landesstiftung – wurde der Richard-Wagner-Stiftung zur Nutzung in Dauerleihgabe überlassen, gehören die Förderung der Richard-Wagner-Forschung und die Pflege des künstlerischen Nachlasses doch zum Katalog der Stiftungszwecke.
Komplizierte Verhältnisse durch komplizierte Zuständigkeiten: Die Stiftung trägt die Betriebskosten für zwei Dauerleihgaben – für das Wagner-Museum Wahnfried und für die Archive. Die Eigentümer aber, hier die Stadt Bayreuth und dort die genannten Körperschaften, stellen das beamtete Personal – eine verwaltungstechnische Konstruktion, die sich bei der Abwicklung größerer Projekte – beispielsweise bei der Durchführung des 200. Geburtstages Wagners im Jahr 2013, als Wahnfried eine Baugrube war und das Festspielhaus eingerüstet – eher als hinderlich erwiesen hat.
Mit der Tätigkeit des Erhaltens und Konservierens sollte sich die Stiftung aber eben nicht bescheiden, zu ihren Aufgaben gehört auch das Lebendig-Erhalten der Festspiele selbst. Und das sah grundsätzlich so aus: Während die Öffentliche Hand an der Verwaltung der Stiftung maßgeblich beteiligt war, sollte die Veranstaltung der Festspiele in den Händen von Mitgliedern der Familie bleiben. Dafür erfand man einen merkwürdigen, gummiartig dehnbaren Paragraphen in der Stiftungssatzung. Laut dieses § 8 der Satzung soll das Festspielhaus an ein Mitglied der Familie Wagner als eigenverantwortlichen Unternehmer vermietet werden, wenn der Stiftungsrat dieses Familienmitglied für die Leitung der Festspiele für geeignet befindet. Für den Fall der Fälle, wenn der Stiftungsrat Zweifel hätte, ob ein Mitglied oder mehrere Mitglieder der Familie Wagner geeignet seien für den Posten des Festspielunternehmers, sollten – als künstlerisch Sachverständige – die Intendanten großer deutscher Opernhäuser darüber entscheiden. Sicherlich war es schwierig, die Zukunft vorzuordnen, ohne sie zu verbauen – dennoch ist das alles sonderbar. Wie schon 1949, wird der personalrechtliche Vorgang der Installierung einer künstlerischen Intendanz über den sachenrechtlichen Vorgang eines Mietvertrags geregelt. Verständlich wird dieser Weg über den Mietvertrag nur, wenn man die Absicht dahinter erkennt: Dem Unternehmer sollte auf diese Weise die größtmögliche künstlerische und unternehmerische Freiheit garantiert werden. Über eine Vermietung schien das eher möglich als über den sonst üblichen Intendantenvertrag, bei dem der Festspielleiter immer irgendwo dem Rechtsträger gegenüber weisungsgebunden bliebe. Wir sehen an dieser Stelle besonders deutlich, wie kompliziert die verschiedenen Bayreuther „Problemfelder“ ineinandergreifen.
Grundsätzlich aber sei festgehalten: Der § 8 ist so ja nicht falsch: er schützt die Festspiele vor der reinen Erbfolge, er schützt die Qualität der Festspiele vor familiären Feindschaften, er schützt aber auch die Interessen der Stifter-Familie und läßt zugleich einen Weg jenseits der dynastischen Interessen sichtbar werden. Der künstlerische Aspekt – um den es bei den Bayreuther Festspielen ja geht – ist noch irgendwie vorhanden und gewahrt.
Mit der Schenkung des Festspielhauses an die Stiftung wurde die Stiftung auch Mietvertragspartner des – nach dem frühen Tod seines Bruders – alleinigen Festspielleiters Wolfgang Wagner. Er war Mieter des Festspielhauses, Einzelunternehmer, bis er, im Jahr 1986, diesen Mietvertrag einbringt in die von ihm gegründete Bayreuther Festspiele GmbH – die man besser Wolfgang Wagner GmbH nennen sollte, denn er setzte sich als deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ein. Und vier Jahre später gelingt ihm ein zusätzlicher Coup, der entscheidend werden würde für den weiteren Verlauf der Bayreuther Festspiele nach seinen Wünschen. Der bisherige – noch von Winifred mit ihren Söhnen Wieland und Wolfgang abgeschlossene und von Wolfgang vertragsgemäß fortgesetzte – Mietvertrag wurde am 6. Juni 1990 durch einen neuen Mietvertrag ersetzt. Seine Laufzeit war nun mit der Dauer der Festspielleitung von Wolfgang identisch.
Damit war ein Faktum geschaffen, das Wolfgang Wagner einen papstähnlichen Status verschaffte: Er konnte bestimmen, wann er das Mietverhältnis beenden, bestimmen, wann er zurücktreten würde. Mit anderen Worten: er hat sich einen Mietvertrag auf Lebenszeit ausgehandelt, war unkündbar geworden. Nun war er in der Lage, den Stiftungsrat – dem er obendrein als Festspielleiter vorstand, zusammen mit dem geschäftsführenden Oberbürgermeister von Bayreuth und einem Vertreter Bayerns – nach seinen Maßgaben zu dirigieren. Dies kam vor allem in der Regelung seiner Nachfolge zum Tragen. Es geschah folgerichtig, was alle über Presse und Medien mitverfolgen konnten: Ein etwa zehn Jahre andauerndes Nachfolge-Gerangel, dessen Charakter einer Farce die Öffentlichkeit amüsierte und den Stiftungsrat blamierte.
Erst 2008, erst als es unhaltbar wurde für die Stiftung, öffentlich zu behaupten, daß der Greis noch als Leiter fungiere, ließ Wolfgang Wagner sich von den Geldgebern und Politikern dazu bewegen, zurückzutreten – aber nur zugunsten seiner Wunschkandidatin, der Tochter aus zweiter Ehe, Katharina. Da diese aber zu jung für das große Amt schien, setzte man alles dran, um den Vater davon zu überzeugen, daß sie mit seiner Tochter aus erster Ehe – der um eine Generation älteren Eva – gekoppelt werden müßte.
Man kann es nicht anders sagen: Es war Wolfgang Wagner gelungen, den Charakter des alten Privattheaters inmitten der öffentlichen Stiftung, die dieses Theater zu einem „deutschen Nationaltheater“ machte, auf geradezu monarchistische Weise für sich zu erhalten – und dabei unternehmerische Risiken zu vermeiden. Im Unterschied zu Wotan, der sich als „Knecht“ seiner Verträge wiederfand, war Wolfgang – bzw. sein Jurist – ein Meister von Verträgen. Er selber nennt die Zahl von 26 Verträgen – darunter beispielsweise der Versorgungsvertrag von 1986 mit der GmbH und,1987, eine Vereinbarung über eine Geschäftsanteilsabtretung. Er verkaufte der Stiftung sein „geistiges Eigentum“ für 800.000 DM als „Zustiftung“ – die Erben des „geistigen Eigentums“ von Wieland Wagner gingen leer aus.
Als Wolfgang Wagner 2008, nach 42 Jahren Alleinherrschaft über die Bayreuther Festspiele, zurücktrat, erlosch damit auch seine Funktion als alleiniger Gesellschafter der Festspiel-GmbH. Und nun hören Sie genau zu: Anstatt daß nun die GmbH eine Tochter der Stiftung würde, anstatt diese an die Stiftung zu geben und sie dieser bei- und in entscheidenden Punkten unterzuordnen, wurden die Geschäftsanteile seiner Ein-Mann-GmbH zu je 25% an die Bundesrepublik Deutschland, den Freistaat Bayern, den Verein der „Gesellschaft der Freunde Bayreuths“ und zu 25 % an die Stadt Bayreuth übertragen. Diese vier Gesellschafter bilden nun den Verwaltungsrat, sie sind die Mieter des Festspielhauses und die Festspiel-Unternehmer, sie sind es, die in Vertragsverhandlungen mit der Richard-Wagner-Stiftung treten müssen. Wobei sich ja die pikant-prekäre Situation ergibt, daß die Vertreter derselben Institutionen im Stiftungsrat sitzen wie in der Verwaltungs-GmbH. Vermieter und Mieter sind – trotz gelegentlichen personalen Austauschs – dieselben Personen. Die Gefahren eines In-Sich-Geschäfts liegen auf der Hand. Die GmbH darf ja keine künstlerische Leitung bestimmen, sondern nur Geschäftsführer. Wir erinnern uns an die kuriose Situation, daß die Festspiele in den vergangenen Jahren entweder zwei – mitunter auch drei – mit „Geschäftsführer“ betitelte Personen hatten und keine, die offiziell als „künstlerische Leitung“ angesprochen werden durfte. Ebenso brisant ist die Tatsache, daß im Stiftungsvorstand auch die Festspielleitung sitzt, also die Geschäftsführerin derjenigen GmbH, die wiederum Vertragspartner der Stiftung ist. Die Festspielleitung, so haben es Juristen formuliert, kontrolliert sich über das übergeordnete Gremium selbst.
Im Oktober 2013 ertönte ein Alarmruf in der regionalen Zeitung: „Richard-Wagner- Stiftung hat nichts mehr zu sagen“. Hinter verschlossenen Türen, so heißt es da, sei eine Satzungsänderung der GmbH erarbeitet worden. Diese Änderung mache die Festspiele vollends zum Staatsbetrieb, die Richard-Wagner-Stiftung spiele keine Rolle mehr.
In der Tat: Im Juli 2013 hatten sich Stiftung und GmbH auf einen neuen Mietvertrag geeinigt, der das Festspielhaus bis Ende September 2040 – für 37 Jahre also – an die Festspiel GmbH vermietete. Dieser neue Vertrag mag als die mildere Version des dreisten, aber gescheiterten Versuchs von 2012 des damaligen bayerischen Stiftungsvorsitzenden Toni Schmid gelten, den Stiftungsrat zu einem unbefristeten Mietvertrag zwischen Stiftung und GmbH zu bewegen – gravierend bleibt, daß die Stiftung diesen Vertrag auch dann nicht kündigen kann, wenn er den § 8 ihrer Stiftungssatzung verletzt. Dieses letztere Recht hat sich die GmbH – par ordre du Mufti Toni Schmidt – gegeben, indem sie eine Streichung jenes § 5 ihrer Satzung vornahm, der noch die Mitwirkung der Stiftung bei der Ernennung neuer Festspielleiter festlegte. Nun ist diese Entscheidungsbefugnis allein Sache der Gesellschafter-GmbH, im engeren Sinne der drei finanzkräftigen Partner dieser GmbH, denn die Stadt, als finanzschwächstes Mitglied – sie hält seit dem neuen Mietvertrag nur noch 13 % an der GmbH – kann mit Dreiviertelmehrheit überstimmt werden. Die Stadt erleidet also eine ähnliche Entmachtung wie die Stifterfamilie, deren im § 8 formulierten Vorrechte nun beschränkt werden: kein Vorschlagsrecht mehr, keine Diskussion über den künstlerischen Stil. Daß Juristen diese Auslagerung des Bestimmungsrechtes statt auf eine natürliche Person, wie von der Stiftung vorgesehen, auf eine juristische Person als Satzungsbruch markieren, sei nur angemerkt. Die obere Stiftungsaufsicht sah in der langjährigen Laufzeit des Mietvertrages aber jedenfalls nichts Ungebührliches und der neue Vertrag wurde 2014 unterzeichnet. Martin Eifler, Vertreter des Bundes im Stiftungsrat, bezeichnet dieses Gremium seither als „zahnlosen Tiger“.
Die Familie Wieland Wagners, zusammen mit Verena Wagner, hat 2016 gegen dieses Zusammenwirken von Stiftung und GmbH zum Nachteil der Stifter geklagt, konnte ihre Rechte – die auch eine Stärkung der Stiftung bedeutet hätten, wir marschierten da doch Seit an Seit! – jedoch nicht wahren. In einem offenen Brief kommentierte mein Schwager Tilman Spengler ironisch, warum wir nicht in Berufung gingen: „Als Nachkommen einer von König Ludwig außerordentlich begünstigten Familie würden wir nie Einspruch gegen eine gerichtliche Entscheidung einlegen, die getreulich die Absichten des Bayerischen Kunstministeriums widerspiegelt.“ An selbiger Stelle zitiert er einen Ausspruch des Ministerialdirigenten Toni Schmidt: „Sollte der Vertrag für ungültig erklärt werden, schreiben wir dem Richter einen Brief, daß er die Sanierungskosten übernehmen soll.“
Sanierungskosten. Hier war der springende Punkt, das Junctim für die Inbesitznahme der Zukunft, die weiche Stelle, die Weichenstellung: Die Stiftung hat ja kein Vermögen und was sie durch die Vermietung des Festspielhauses und die Billette fürs Museum an Gewinn einnimmt, darf man angesichts des grausigen Wortes „Sanierungskosten“ vergessen.
Auf 30 Millionen wurden damals, im März 2013, die Kosten für die Sanierung des Festspielhauses veranschlagt. In der Sprache der Geldgeber mußte es – verständlicherweise – lauten: damit die staatlichen Kassen solche Kosten übernehmen können, mußte ein langfristiger Mietvertrag her, sonst wäre die „Dauerhaftigkeit der Investitionen“ nicht gegeben gewesen. Seit 2015 nun wird in Etappen – mit Rücksicht auf den Festspielbetrieb – saniert, bald stellte sich heraus, daß das ursprüngliche Finanzkonzept aus dem Jahr 2013 die Kosten nicht decken würde und was auf sieben Jahre veranschlagt wurde, dehnte sich jetzt auf „Dekaden“. Und die Kosten stiegen – 2020 stellte der Bund fast 85 Millionen, gestuft bis 2027, zur Verfügung.
Wobei die Frage erlaubt sein muß: die exorbitanten Spenden der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ galten seit Jahrzehnten immer dem Bau-Erhalt, den Bau-Maßnahmen am Festspielhaus, und Wolfgang Wagner war ein unermüdlicher Bauherr – ist das Festspielhaus wirklich so marode? Oder wird es marode geredet – und damit die Kosten hochgetrieben? Mit einigem Geschick – den sicherheitsrechtlichen Anforderungen, der Modernisierung der Bühnentechnik, den Behindertenzugängen etc. – kann man die Sanierungskosten für ein so altes Gebäude nahezu unendlich hochschrauben. Inzwischen geistert der Betrag von 180 MiIlionen herum, zu gleichen Teilen zu finanzieren von Bund und Bayern. Wenn das ernst gemeint ist, wie Florian Zinnecker in der ZEIT zu bedenken gab – dann zeigt die GmbH – ein Problembär im Schafspelz – ihr wahres Gesicht: sie will das Festspielhaus nicht subventionieren, sondern besitzen. Zu kaufen ist das Festspielhaus aber nicht, das verbietet die Rechtslage, das verbot schon das Testament von Siegfried Wagner. Als geradezu Loge’sche List bot sich da ein Aus- und Umweg an: die Idee einer 99-jährigen Erbpacht. Dieser Quasi-Besitz des Festspielhauses würde die vielen Investitionsmillionen rechtfertigen und den Geldgebern eigentümerartige Rechte sichern – und nur so könne auch gewährleistet werden, daß das Haus nicht eines Tages zur Vermietung an Elon Musk fiele oder an Großsponsoren aus China oder den Arabischen Emiraten (zit. nach „Bayreuther Festspiele: Das Ende einer Dynastie“. ZEIT-online vom 03.07.2022)
Wir müssen, liebe Jubiläums-Feiergäste, diese Perspektive verfolgen und zu Ende denken, auch wenn sie nicht in eine „Festrede“ paßt, die am Ende immer nach einem „positive thinking“ verlangt. Wir sind in Bayreuth und müssen hier nach den Mustern der „Götterdämmerung“ buchstabieren…
Wenn Bund und Bayern nämlich diese Erbpächter wären, träten sie ja als Vermieter auf und würden als solche die Richard-Wagner-Stiftung ablösen – es bräuchte keinen Mietvertrag mehr und die lästige Stifterfamilie würde gleich mitliquidiert. Die Rechte der Stifterfamilie zu wahren, war aber die Bedingung dafür, daß die Familie das Festspielhaus einst in die Stiftung einbrachte. Nur: Steuergeld-Investoren träumen anders. Die 180 Millionen… wären sie nicht der Hebel, um die vertrackte Gesamtkonstruktion endlich aufzulösen? Die gefällt ja niemandem. Nicht lange her, daß die Bundeskulturministerin Monika Grütters nach einer Prüfung der geltenden Satzungen und Gesellschafterverträge verlangte. Ihre Nachfolgerin Claudia Roth stieß dann in ein ähnliches Horn.
Meine Damen und Herren, glauben Sie bitte nicht, der Anlass meiner Festrede wäre es, hier ein Klagelied anzustimmen, ein akustisches Grabgesteck sozusagen für ein Projekt, das einmal so voller Hoffnung in Angriff genommen wurde.
Diese Hoffnung, und das wurde in den einschlägigen Diskussionen der vergangenen Jahre nie so recht deutlich, diese Hoffnung gründet sich nicht vornehmlich in Ansprüchen auf die Berücksichtigung von Verwandtschaftsverhältnissen bei der Besetzung von Leitungsfunktionen. Nein, sie gründet sich – jedenfalls für den Teil der Familie, den ich hier vertreten darf – viel fundamentaler auf jene tiefe Sorge, die uns die Geschichte des Umgangs mit dem Erbe Richard Wagners gelehrt hat.
Die Wirkungsgeschichte Wagners gehört zu diesem Komponisten wie das Amen – oder das Sela – zum Gebet, sie gehört zu seinem Erbe. Muß es nicht unglücklich erscheinen, dass wichtige Dokumente der Familiengeschichte in Zürich, in München und anderswo in Archiven lagern – und das zuständige Museum hier in Bayreuth um Leihgaben bitten muss? Wer mit viel Geld die materielle Substanz des Festspielhauses restaurieren will, der möge auch einen kleinen Teil dieser Summe für die Bewahrung seiner Wirkungsgeschichte aufbringen. Es warten noch viele Wagner-Nachlässe auf ihre Bergung und Behausung. Mit 1930 hört die Familien- und Festspielgeschichte ja nicht auf.
Mit großer Sorgfalt haben meine Cousine Katharina, mein Cousin Gottfried, meine Schwester Daphne und Neill Thornborrow bereits ihren Teil zu diesem Geschichts-Erhalt getan und dafür möchte ich mich bei diesen Familienmitgliedern bedanken. Ich bin sicher, dass ein anderer Stamm der Familie diesem Beispiel in absehbarer Zeit folgen wird.
Die Ziele und Interessen der Richard-Wagner-Stiftung, lassen Sie mich das, liebe Gäste, zum Goldenen Ende noch einmal sagen, sind mit denen der Stifter-Familie grundsätzlich identisch, und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als daß dies für die nächsten Jahrzehnte ebenfalls der Fall sein wird. Ad multos annos denn – unterwegs zur „ewigen Stiftung“, von der Siegfried Wagner geträumt hat. Und nun, zum Ganzen passend: „Wahn, Wahn, überall Wahn“. Der Museumsleiter hat diese Passage aus den „Meistersingern“ ausgewählt, er muss wissen, wovon gesungen wird. Dafür auch ihm meinen herzlichen Dank und Ihnen, meine Damen und Herren, den meinen für Ihre Aufmerksamkeit!
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