Wagner in der Hoch- und Populärkultur: Das Richard Wagner Museum zeigt ab 23. Juli die Sonderausstellung „VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“
Was haben der Film „Django Unchained“, Heavy-Metal-Musik und französischer Schmelzkäse mit Richard Wagner gemeinsam? Dieser Frage geht das Richard Wagner Museum in der Sonderausstellung „VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“ (23. Juli bis 3. Oktober 2022) nach und zeigt das ambivalente Spannungsfeld, in dem Richard Wagner und sein Vermächtnis sich zwischen Hoch- und Populärkultur in Geschichte und Gegenwart bewegen.
Richard Wagner war ein Ausnahmekünstler, Revolutionär und Visionär. Der Schöpfer des „Tristan“ und des „Ring“ zählt nicht nur zu den bedeutendsten Komponisten des 19. Jahrhunderts. Er war es auch, der die Oper als „Gesamtkunstwerk“ neu definierte und damit Musikgeschichte schrieb. Auch ist er der einzige Komponist, dem es gelang, ein Opernhaus errichten zu lassen, in dem bis heute nur seine eigenen Werke aufgeführt werden. Musikliebhaber aus aller Welt reißen sich alljährlich darum, Karten für die berühmten Bayreuther Festspiele zu ergattern.
Während Wagner somit für viele als Inbegriff von „Hochkultur“ steht, ist das Feld, in dem er in der sogenannten „Populärkultur“ auftaucht, schier unendlich. Oder anders formuliert: Wagner ist überall – in der Werbung, in Comics, in Computerspielen, im Film und sogar im Weltall: Bereits seit dem 19. Jahrhundert werden Asteroiden nach Figuren aus Wagners Werken benannt und reisen als „Walküre“ oder „Senta“ durch Zeit und Raum. In den 1970er Jahren ließ die „Cosima-Reederei“ ihre Schiffe „Rheingold“, „Lohengrin“ und „Hans Sachs“ in See stechen und bis zum Jahr 2000 bot die Käserei Bayreuth den aromatischen Weichkäse „Cosima“ zum Kauf an.
Vor allem dank der rasanten Entwicklung der Medien im 20. Jahrhundert lassen sich noch viele weitere Beispiele für Wagners Einzug in die Populärkultur und den kulturellen Massenkonsum finden: Man denke nur an die Fernsehwerbung aus den 1990ern für das „Radeberger“-Pils, das mit dem „Einzug der Gäste auf der Wartburg“ aus dem „Tannhäuser“ feierlich angepriesen wird, im Hintergrund die Dresdner Semperoper, die für manchen Zuschauer damit zum Brauereigebäude avancierte und zugleich die erste, unwissentliche Begegnung mit Wagners Musik wurde.
Ohnehin findet man Wagner heutzutage oft dort, wo man ihn am wenigsten vermutet: So sieht die Heavy-Metal-Band „Manowar“ in Richard Wagner gar den Erfinder ihres Genres und nimmt ihre Songs in den New Yorker Studios „Haus Wahnfried“ und „Valhalla“ auf. Ein ganz anderer Wagner erklingt hingegen auch heute noch bei kirchlichen Trauungen, wenn Bräute sich wie einst Prinzessin Viktoria von Preußen zu den Klängen aus dem 3. Akt des „Lohengrin“ zum Altar führen lassen. Wagner zwischen Bierwerbung, Heavy Metal und Traualtar – die Spannweite könnte nicht größer sein.
Seit Beginn der Filmgeschichte werden jedoch nicht nur Wagners Musik, sondern auch Motive seiner Werke auf der großen Leinwand übernommen. So gilt Wagner mit seiner sogenannten „Leitmotivtechnik“ manchem als Vater der Filmmusik, Motive seiner Dramen finden sich in Blockbustern wie „Apocalypse Now“, „Blues Brothers“, „Matrix“ oder auch „Django Unchained“, wo Wagners „Siegfried“ sogar zur Gänze adaptiert und thematisiert wird. Dabei ist der „Walkürenritt“ spätestens seit dem 30. Mai 1941, als er im Rahmen einer Deutschen Wochenschau die Luftkämpfe über Kreta untermalte, weltweit zum musikalischen Synonym für kriegerische Aggressivität geworden.
Unter Adolf Hitler wird Wagners Erbe im engen und freundschaftlichen Kontakt mit Winifred Wagner und ihrer Familie Teil der nationalsozialistischen Liturgie. Wagner wird damit zum Sinnbild des „arischen“ Kulturverständnisses und liefert die Begleitmusik für Massenaufmärsche bei Parteitagen und Wochenschaumeldungen. Doch Wagner überstand selbst das. Der „Fall Wagner“, wie Friedrich Nietzsche ihn nannte, besteht jedoch weiter und hat nichts an Brisanz eingebüßt.
Zwischen diesen Extremen bewegt sich – oft holzschnittartig – die Rezeption Richard Wagners in der Hoch- wie in der Populärkultur: einerseits unterhaltsam und sozial unverbindlich, andererseits politisch aufgeladen, ideologisch, als Zitat und Ikone massenkultureller und sozialer Herrschaftsformen. Dabei erfolgt die Popularisierung nicht nur auf positive Weise: Eine Vielzahl von Wagner-Karikaturen und -Parodien trägt ebenfalls zur Schaffung und Verbreitung des Massen-Phänomens „Wagner“ bei. So war es einst das Motiv des bekannten französischen Schmelzkäses „La Vache qui rie“ (die lachende Kuh), das als Walküren-Parodie „La Wachkyrie“ über die Instrumentalisierung Wagners für die deutsche Kriegspropaganda lachte.
In der Ausstellung „VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“ zeigt das Richard Wagner Museum Bayreuth im Sommer 2022 die Geschichte und die Gegenwart dieser oft widersprüchlichen Popularisierung, die bereits zu Lebzeiten Wagners begann und in seiner polarisierenden, umstrittenen Persönlichkeit, den ambivalenten Wirkungen seiner Werke und der ideologischen Anschlussfähigkeit seiner metapolitischen Ästhetik des „Gesamtkunstwerks“ ihren Ursprung hat.
Wagner bleibt auch weiterhin ein stets umstrittenes Politikum und so dauerhaft aktuell. Die vielfältigen Interpretationen seiner Werke und widersprüchlichen Versuche der Auslegung seiner Weltanschauung können als Spiegel sich stets wandelnder gesellschaftlicher Selbstdeutungen verstanden werden. Denn letztendlich sind es die Menschen, die Zuschauer und Zuhörer, die sich jeweils „ihren“ Wagner schaffen. Und vielleicht kommt gerade diese ambivalente Rezeption, an der sich alle beteiligen können, Wagners Idee vom „Gesamtkunstwerk“ näher als das – trotz allem elitäre – Kunstereignis der Bayreuther Festspiele.
Im früheren Richard-Wagner-Museum gab es über viele Jahre das sogenannte „Kitsch-Kabinett“, das den wohl am leichtesten zugänglichen und unverfänglichsten Wagner zeigte. Hier war es endlich auch mal erlaubt, über Wagner zu lachen. Die diesjährige Sonderausstellung bringt mit den Exponaten über die popularisierende Aneignung auch den Kitsch zurück – und damit vielleicht auch das Lachen über eine Gesellschaft, welche dies alles produziert. Gleichzeitig lenkt sie den Blick aber auch auf die Fragen des Anspruchs, der Definition, Produktion und Verbreitung von Kultur, die heute so aktuell sind wie vor 150 Jahren.
„VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“
Sonderausstellung im Richard Wagner Museum Bayreuth
23. Juli bis 3. Oktober 2022
Di–So, 10–17 Uhr
Juli und August, Mo–So, 10–18 Uhr
Pressemitteilung des Wagner-Museums
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