Dieser merkwürdige grüne Schirm! Ja, der Vortrag von Bayreuth-Experten Stephan Jöris, der rund sechzig Zuhörer in den großen VHS-Saal zog, bot viel Wissenswertes und einiges Ungewöhnliche. Es gehörte zum Ansatz des langjährigen künstlerisch-organisatorischen Mitarbeiters der Festspielleitung, in seiner Rückschau auf die bisherigen Inszenierungen von Wagners „Ring“-Tetralogie bei den Festspielen immer wieder auch die Vergänglichkeit von Theateraufführungen deutlich zu machen. 176 Exemplare dieses aus grüner Fallschirmseide handgefertigten Schirms machten zum Beispiel in den Jahren 1994 bis 1998 Siegfrieds Waldweben zum Ereignis, weil diese im Bühnenhimmel schwebende Schöpfung der Bühnenbildnerin und bildenden Künstlerin rosalie nicht nur wirkte wie ein von linden Lüften bewegtes Laubdach, sondern gleichsam zu atmen schien: ein magischer Theatermoment, den kein Foto und kein Film so wiedergeben kann, wie ihn die Besucher dieser „Siegfried“-Aufführung erleben durften. Vielsagend auch die vergleichende Serie von Bildern des Walkürenfelsens, bei dem von der Uraufführung 1876 bis ins erste Jahrzehnt von Neubayreuth links eine wenigstens stilisierte Tanne zu stehen hatte.
Und faszinierend neu für das überwiegend kenntnisreiche Publikum die Übersicht über die bühnenbildnerische „Ring“-Grundflächen der „Ring“-Inszenierungen in Bayreuth seit 1951. Immer wieder machte der jetzt als Regisseur, Dramaturg und Dozent wirkende Wagner-Experte deutlich, dass das Gelingen einer „Ring“-Inszenierung im ersten Anlauf eine Utopie ist, an der sich schon Richard Wagner im eigens dafür gebauten Festspielhaus verzweiflungsvoll abgearbeitet hat. Fotos: Karlheinz Beer
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