Die Festspiele ehren Wolfgang Wagner, der am 30. August 100 Jahre alt geworden wäre, mit einem Festakt – und das Richard-Wagner-Museum mit einer Sonderausstellung.
Wolfgang Manfred Martin Wagner, Urenkel von Franz Liszt, Enkel von Richard Wagner sowie das dritte Kind von Siegfried und Winifred Wagner wäre am 30. August hundert Jahre alt geworden. Wie kein anderer hat er, der 2010 im Alter von neunzig Jahren starb, die Bayreuther Festspiele geprägt. Uneinholbar erscheint die Amtszeit des Rekord-Festspielleiters: Von 1951 bis 1966 leitete er gemeinsam mit seinem Bruder Wieland und nach dessen Tod in Alleinverantwortung bis 2008 die Festspiele – unglaubliche siebenundfünfzig Jahre lang. In der Festspielstadt, deren heimlicher Herrscher er war, wird seiner gleich mehrfach gedacht.
Die Festspiele ehren ihn am 24. Juli, dem Tag vor der Festspieleröffnung, mit einem Festakt im Festspielhaus, bei dem Ioan Holender, vormals Sänger und Intendant der Wiener Staatsoper sowie ein großer Multiplikator in der Musikwelt, die Laudatio hält und Waltraud Meier, Stephen Gould und Günther Groissböck mit dem Festspielorchester unter Musikdirektor Christian Thielemann den musikalischen Teil bestreiten.
Das Richard-Wagner-Museum präsentiert mit dem passenden Titel „Der Prinzipal“ zwar nicht in seinem Elternhaus, das von der Dauerausstellung belegt ist, aber im neuen Wahnfried-Anbau eine große Sonderausstellung, die versucht, seiner außergewöhnlichen Persönlichkeit als Festspielleiter, Regisseur, Bühnenbildner und Mensch gerecht zu werden. Für die jetzige Festspielleiterin Katharina Wagner war er, wie sie in ihrem sympathischen Grußwort bei der Ausstellungseröffnung bekannte, in erster Linie „nicht der Prinzipal, sondern der Vater, der Papa.“
Seine größte Leistung war es, die Festspiele für die unterschiedlichsten Regiehandschriften zu öffnen. „Richard Wagners Werk“, zitierte ihn denn auch Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe bei der Ausstellungseröffnung zum Werkstattgedanken, „muss immer wieder von unserer Gegenwart aus gefordert und gemessen werden. Es muss uns unmittelbar betreffen.“ Was nicht immer einfach war. Auch wenn er mit manchen Regisseuren intern gerungen haben mag, nach außen hin blieb er standhaft. Die Ausstellung zeigt nicht nur das Foto der Protestierenden bei der Festspielpressekonferenz 1976, sondern auch eine Trillerpfeife.
Einerseits sorgte Wolfgang Wagner dafür, dass das Erbe Richard Wagners an die öffentliche Hand gegeben und auf Dauer gesichert werden konnte, andererseits führte er aber als Geschäftsführer mit einem Festspielhaus-Mietvertrag auf Lebenszeit die Festspiel GmbH weiter so, als gehöre der frühere Familienbetrieb immer noch ihm. Was sich bekanntlich auch auf den quälend langen Nachfolgeprozess auswirkte. Nicht umsonst erinnerte Merk-Erbe „an seine Hartnäckigkeit, die weder die eigenen Familie, die Verwandten noch die Politik verschonte“. Aber ebenso würdigte sie ihn als einen, der „die Institution Bayreuther Festspiele in unnachahmlicher Weise geführt, sich um scheinbar weniger Wichtiges ebenso intensiv gekümmert hat wie um die großen Fragen und Themen rund um die Festspiele.“
Museumsdirektor Sven Friedrich, der die zweiteilige Ausstellung konzipiert hat, beschrieb ihn als „ein Phänomen, ein fränkisches Urgestein, ein Bayreuther von echtesten Schrot und Korn – und ein Patriarch des Theaters, wie es vor ihm wohl keinen gegeben hat und auch nach ihm wohl nicht mehr geben wird.“ Wenn man sich im biografischen Teil der Sonderschau Zeit nimmt für die Videos, in denen Wolfgang Wagner spricht, bekommt man am ehesten einen Eindruck seiner Persönlichkeit. Und das mit dem Urgestein kann man sogar sehen, denn ein von Stefan Moses aufgenommenes Großporträt der Wagner-Enkels ist garniert mit der kurzen, aber für ihn typischen Antwort, die er dem Sänger Theo Adam auf dessen Frage gab, wie man sich Wotan vorzustellen habe: „A weng göttlich“. Überhaupt zählen die Moses-Fotos aus verschiedenen Lebensperioden Wagners zum Überraschenden bei dieser Schau.
Auch im Untergeschoss, wo sich die Ära Wolfgang Wagners in Bühnenbildmodellen und Kostümen spiegelt, wird spürbar, dass die Festspiele eine Zeitlang tatsächlich der avantgardistische Mittelpunkt der Musiktheaterwelt waren. Etwas davon wird man auch im Festspielsommer 2020 erleben dürfen, wenn das Museum eine Sonderausstellung mit Werken der viel zu früh verstorbenen Künstlerin rosalie zeigt. Wobei die Ausstellungsmacher dann hoffentlich mit etwas mehr Fingerspitzengefühl an die Arbeit gehen. Denn das Brünnhilden-Kleid von Gwyneth Jones aus dem Jahrhundert-„Ring“ in der aktuellen Sonderausstellung steht nicht auf einer Form mit Armen, so dass die besondere Aura dieses legendären Kostüms von Jacques Schmid leider verloren geht.
„Der Prinzipal“ ist bis 3. November zu den Öffnungszeiten des Richard Wagner Museums Bayreuth (RWM) und bis Ende August täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Am 8. August gibt es in Wahnfried von 10 bis 17 Uhr ein Symposium mit namhaften Referenten, darunter Weggefährten wie Oswald Georg Bauer, der frühere Festspielpressechef und Autor der monumentalen Festspielgeschichte, und Stefan Jöris, langjähriger künstlerisch-organisatorischer Mitarbeiter Wolfgang Wagners. Der Eintritt ist frei, weitere Infos auf www.wagnermuseum.de. Erstdruck im Feuilleton des Fränkischen Tags
Fotos vom Festakt für Wolfgang Wagner am 24. August 2019
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