Der Prinzipal

Die Fest­spie­le eh­ren Wolf­gang Wag­ner, der am 30. Au­gust 100 Jah­re alt ge­wor­den wäre, mit ei­nem Fest­akt – und das Ri­chard-Wag­ner-Mu­se­um mit ei­ner Sonderausstellung.

Wolf­gang Wag­ner (rechts) und „Ring“-Regisseur Pa­tri­ce Ché­reau (links) bei den Pro­ben zum Jahrhundert-„Ring“ 1976 Foto: Ste­fan Mo­ses, Nach­lass Ste­fan Mo­ses München

Wolf­gang Man­fred Mar­tin Wag­ner, Ur­en­kel von Franz Liszt, En­kel von Ri­chard Wag­ner so­wie das drit­te Kind von Sieg­fried und Wi­nif­red Wag­ner wäre am 30. Au­gust hun­dert Jah­re alt ge­wor­den. Wie kein an­de­rer hat er, der 2010 im Al­ter von neun­zig Jah­ren starb, die Bay­reu­ther Fest­spie­le ge­prägt. Un­ein­hol­bar er­scheint die Amts­zeit des Re­kord-Fest­spiel­lei­ters: Von 1951 bis 1966 lei­te­te er  ge­mein­sam mit sei­nem Bru­der Wie­land und nach des­sen Tod in Al­lein­ver­ant­wor­tung bis 2008 die Fest­spie­le – un­glaub­li­che sie­ben­und­fünf­zig Jah­re lang. In der Fest­spiel­stadt, de­ren heim­li­cher Herr­scher er war, wird sei­ner gleich mehr­fach gedacht.

Wolf­gang Wag­ner um 1975 bei Pro­ben im Fest­spiel­haus Foto: Li­se­lot­te Stre­low, Na­tio­nal­ar­chiv der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung – Zu­stif­tung Wolf­gang Wagner

Die Fest­spie­le eh­ren ihn am 24. Juli, dem Tag vor der Fest­spiel­eröff­nung, mit ei­nem Fest­akt im Fest­spiel­haus, bei dem Ioan Ho­len­der, vor­mals Sän­ger und In­ten­dant der Wie­ner Staats­oper so­wie ein gro­ßer Mul­ti­pli­ka­tor in der Mu­sik­welt, die Lau­da­tio hält und Wal­traud Mei­er, Ste­phen Gould und Gün­ther Groiss­böck mit dem Fest­spiel­or­ches­ter un­ter Mu­sik­di­rek­tor Chris­ti­an Thie­le­mann den mu­si­ka­li­schen Teil bestreiten.

Das Ri­chard-Wag­ner-Mu­se­um prä­sen­tiert mit dem pas­sen­den Ti­tel „Der Prin­zi­pal“ zwar nicht in sei­nem El­tern­haus, das von der Dau­er­aus­stel­lung be­legt ist, aber im neu­en Wahn­fried-An­bau eine gro­ße Son­der­aus­stel­lung, die ver­sucht, sei­ner au­ßer­ge­wöhn­li­chen Per­sön­lich­keit als Fest­spiel­lei­ter, Re­gis­seur, Büh­nen­bild­ner und Mensch ge­recht zu wer­den. Für die jet­zi­ge Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wag­ner war er, wie sie in ih­rem sym­pa­thi­schen Gruß­wort bei der Aus­stel­lungs­er­öff­nung be­kann­te, in ers­ter Li­nie „nicht der Prin­zi­pal, son­dern der Va­ter, der Papa.“

Sei­ne größ­te Leis­tung war es, die Fest­spie­le für die un­ter­schied­lichs­ten Re­gie­hand­schrif­ten zu öff­nen. „Ri­chard Wag­ners Werk“, zi­tier­te ihn denn auch Ober­bür­ger­meis­te­rin Bri­git­te Merk-Erbe bei der Aus­stel­lungs­er­öff­nung zum Werk­statt­ge­dan­ken, „muss im­mer wie­der von un­se­rer Ge­gen­wart aus ge­for­dert und ge­mes­sen wer­den. Es muss uns un­mit­tel­bar be­tref­fen.“ Was nicht im­mer ein­fach war. Auch wenn er mit man­chen Re­gis­seu­ren in­tern ge­run­gen ha­ben mag, nach au­ßen hin blieb er stand­haft. Die Aus­stel­lung zeigt nicht nur das Foto der Pro­tes­tie­ren­den bei der Fest­spiel­pres­se­kon­fe­renz 1976, son­dern auch eine Trillerpfeife.

Ei­ner­seits sorg­te Wolf­gang Wag­ner da­für, dass das Erbe Ri­chard Wag­ners an die öf­fent­li­che Hand ge­ge­ben und auf Dau­er ge­si­chert wer­den konn­te, an­de­rer­seits führ­te er aber als Ge­schäfts­füh­rer mit ei­nem Fest­spiel­haus-Miet­ver­trag auf Le­bens­zeit die Fest­spiel GmbH wei­ter so, als ge­hö­re der frü­he­re Fa­mi­li­en­be­trieb im­mer noch ihm. Was sich be­kannt­lich auch auf den quä­lend lan­gen Nach­fol­ge­pro­zess aus­wirk­te. Nicht um­sonst er­in­ner­te Merk-Erbe „an sei­ne Hart­nä­ckig­keit, die we­der die ei­ge­nen Fa­mi­lie, die Ver­wand­ten noch die Po­li­tik ver­schon­te“. Aber eben­so wür­dig­te sie ihn als ei­nen, der „die In­sti­tu­ti­on Bay­reu­ther Fest­spie­le in un­nach­ahm­li­cher Wei­se ge­führt, sich um schein­bar we­ni­ger Wich­ti­ges eben­so in­ten­siv ge­küm­mert hat wie um die gro­ßen Fra­gen und The­men rund um die Festspiele.“

Wolf­gang Wag­ner bei den „Meistersinger“-Proben 1981 mit Her­mann Prey als Beck­mes­ser. Foto: Wil­helm Rauh, Na­tio­nal­ar­chiv der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung – Zu­stif­tung Wolf­gang Wagner

Mu­se­ums­di­rek­tor Sven Fried­rich, der die zwei­tei­li­ge Aus­stel­lung kon­zi­piert hat, be­schrieb ihn als „ein Phä­no­men, ein frän­ki­sches Ur­ge­stein, ein Bay­reu­ther von ech­tes­ten Schrot und Korn – und ein Pa­tri­arch des Thea­ters, wie es vor ihm wohl kei­nen ge­ge­ben hat und auch nach ihm wohl nicht mehr ge­ben wird.“ Wenn man sich im bio­gra­fi­schen Teil der Son­der­schau Zeit nimmt für die Vi­de­os, in de­nen Wolf­gang Wag­ner spricht, be­kommt man am ehes­ten ei­nen Ein­druck sei­ner Per­sön­lich­keit. Und das mit dem Ur­ge­stein kann man so­gar se­hen, denn ein von Ste­fan Mo­ses auf­ge­nom­me­nes Groß­por­trät der Wag­ner-En­kels ist gar­niert mit der kur­zen, aber für ihn ty­pi­schen Ant­wort, die er dem Sän­ger Theo Adam auf des­sen Fra­ge gab, wie man sich Wo­tan vor­zu­stel­len habe: „A weng gött­lich“. Über­haupt zäh­len die Mo­ses-Fo­tos aus ver­schie­de­nen Le­bens­pe­ri­oden Wag­ners zum Über­ra­schen­den bei die­ser Schau.

Auch im Un­ter­ge­schoss, wo sich die Ära Wolf­gang Wag­ners in Büh­nen­bild­mo­del­len und Kos­tü­men spie­gelt, wird spür­bar, dass die Fest­spie­le eine Zeit­lang tat­säch­lich der avant­gar­dis­ti­sche Mit­tel­punkt der Mu­sik­thea­ter­welt wa­ren. Et­was da­von wird man auch im Fest­spiel­som­mer 2020 er­le­ben dür­fen, wenn das Mu­se­um eine Son­der­aus­stel­lung mit Wer­ken der viel zu früh ver­stor­be­nen Künst­le­rin ro­sa­lie zeigt. Wo­bei die Aus­stel­lungs­ma­cher dann hof­fent­lich mit et­was mehr Fin­ger­spit­zen­ge­fühl an die Ar­beit ge­hen. Denn das Brünn­hil­den-Kleid von Gwy­neth Jo­nes aus dem Jahrhundert-„Ring“ in der ak­tu­el­len Son­der­aus­stel­lung steht nicht auf ei­ner Form mit Ar­men, so dass die be­son­de­re Aura die­ses le­gen­dä­ren Kos­tüms von Jac­ques Schmid lei­der ver­lo­ren geht.

„Wal­kü­re“, 3. Akt Schluss in der„Ring“-Inszenierung von Pa­tri­ce Ché­reau aus dem Jahr 1980 Foto: Sieg­fried Lau­t­er­was­ser, Na­tio­nal­ar­chiv der Ri­chard-Wag­ner-Stif­tung – Zu­stif­tung Wolf­gang Wagner

„Der Prin­zi­pal“ ist bis 3. No­vem­ber zu den Öff­nungs­zei­ten des Ri­chard Wag­ner Mu­se­ums Bay­reuth (RWM) und bis Ende Au­gust täg­lich von 10 bis 18 Uhr zu se­hen. Am 8. Au­gust gibt es in Wahn­fried von 10 bis 17 Uhr ein Sym­po­si­um mit nam­haf­ten Re­fe­ren­ten, dar­un­ter Weg­ge­fähr­ten wie Os­wald Ge­org Bau­er, der frü­he­re Fest­spiel­pres­se­chef und Au­tor der mo­nu­men­ta­len Fest­spiel­ge­schich­te, und Ste­fan Jö­ris, lang­jäh­ri­ger künst­le­risch-or­ga­ni­sa­to­ri­scher Mit­ar­bei­ter Wolf­gang Wag­ners. Der Ein­tritt ist frei, wei­te­re In­fos auf www​.wag​ner​mu​se​um​.de. Erst­druck im Feuil­le­ton des Frän­ki­schen Tags

Fotos vom Festakt für Wolfgang Wagner am 24. August 2019

Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wag­ner bei ih­rer Fest­akt-Rede am 24. Juli 2019 zu Eh­ren ih­res Va­ters Wolf­gang Wag­ner Alle Fo­tos: En­ri­co Nawrath/​Bayreuther Festspiele
Der frü­he­re Sän­ger, Wie­ner Staats­opern­chef und heu­ti­ge Mu­sik­mul­ti­pli­ka­tor Ioan Ho­len­der bei sei­ner Lau­da­tio auf Wolf­gang Wagner
Ste­phen Gould und das Fest­spiel­or­ches­ter un­ter Chris­ti­an Thie­le­mann mit der Rom­er­zäh­lung aus „Tann­häu­ser“ beim Fest­akt für Wolf­gang Wagner
Wal­traud Mei­er und das Fest­spiel­or­ches­ter un­ter Chris­ti­an Thie­le­mann bei der Ab­schluss­dar­bie­tung des Fest­akts für Wolf­gang Wag­ner mit Isol­des Liebestod
Beim Schluss­ap­plaus von links Gün­ther Groiss­böck, Wal­traud Mei­er, Chris­ti­an Thie­le­mann und Ste­phen Gould