Wagners „Corona“

Wag­ner und Co­ro­na? Ja doch! Er ist eben für fast al­les gut. In sei­nem Brief­wech­sel* bin ich fün­dig ge­wor­den. Wohl­an, ihr lie­ben Zeit­ge­nos­sen, die ihr jetzt mehr Muße auch für eine et­was län­ge­re Lek­tü­re ha­ben könn­tet: Hier ist ei­ner sei­ner glü­hen­den Lie­bes­brie­fe an Min­na Pla­ner, die da­mals in Kö­nigs­berg weil­te. Man muss die er­wähn­ten Per­so­nen und Le­bens­um­stän­de nicht ken­nen, um zu ver­ste­hen, wor­um es in die­sem Brief geht. Der ge­ra­de erst 23 Jah­re alt ge­wor­de­ne Ri­chard will die im­mer­hin fast vier Jah­re äl­te­re Schau­spie­le­rin, die er gleich­wohl im­mer wie­der auch mit „mein Kind“ an­re­det, da­für ge­win­nen, ihn end­lich zu hei­ra­ten. Er schreibt ihr am 22., 23. und 26. Juni 1836 den fol­gen­den Brief aus Ber­lin ohne Anrede.

Ich habe ei­nen Brief, – ich habe ei­nen Brief, nun ath­me ich ja wie­der, nun lebe ich wie­der, u. füh­le mich ja wie­der so glück­lich, – ich habe Dich noch, Du bist mir nicht ver­lo­ren. Ich füh­le wie­der Tha­ten­kraft in mir, die [Schwä­che] mei­nes Geis­tes ist ge­wi­chen. – Du bist mein, Du liebst mich, – nun muß ge­han­delt wer­den, nun [muß et­was] ge­sche­hen. Vor­wärts, vor­wärts! – O Min­na, welch’ eine Ge­walt übst Du über mich, je­des Dei­ner [Wor­te], Dei­ner Züge u. Mie­nen ist mir ein gro­ßes wich­ti­ges Er­eig­niß. Be­glei­te u. stär­ke mich in [mei­nem] Han­deln u. Thun. – Gott gäbe mir die Kraft, Al­les zu er­tra­gen, u. las­se mei­ne Be­stre­bun­gen [ge­lin­gen].

Den 23sten. Ich war ges­tern bei Wolf, in­dem ich Dei­nen Rath be­folg­te, der mir im­mer wie[der] hei­lig sein soll. Ich sprach mit ihm über al­ler­lei Ver­hält­nis­se; er sag­te, er hät­te erst kürz­lich [ei­nen Brief] von Hübsch be­kom­men, wor­in er ge­äu­ßert habe, Du hät­test sehr ge­fal­len u. er wäre mit Dei­ner [Po]sition sehr zu­frie­den. Er ver­tei­dig­te den Hübsch sehr, er sei so­lid u. re­ell, nur oft noch zu … un­über­legt; ich habe ihm ge­sagt, wie ich mit dem­sel­ben ste­he, in je­dem Fal­le war er be­reit … dazu, daß, wenn er et­was für mich höre, – denn Lieb­ha­be­rin­nen wür­den schon meh­re­re ge­sucht – [so] woll­te er es mir gleich mitt­hei­len. Es ist dieß nur in­so­fern gut, daß, wenn Schu­berth wirk­lich nicht nach Riga ge­hen soll­te, u. ich dem­nach nicht nach Kö­nigsb: kom­men könn­te, wir uns doch da­hin …, daß wir zum Herbst zu­sam­men­kom­men; ich wür­de Dich dem­nach in K. ab­ho­len, wo wir uns viel­leicht gleich trau­en las­sen kön­nen. Er­kun­di­ge Dich doch im­mer, ob es etwa dort Schwie­rig­kei­ten ma­che. Das bes­te ist u. bleibt na­tür­lich im­mer, daß ich in die­ser Zeit von selbst nach Kö­nigs­berg kom­men könn­te, – was denn wol auch das Wahr­schein­lichs­te u. Ge­wis­ses­te ist. Nicht wahr, mei­ne Min­na? Os­tern künf­ti­gen Jah­res las­sen wir dann die Ge­schich­te im Stich u. ge­hen nach Ber­lin, – denn, wie ich Dir frü­her schon ge­schrie­ben habe: 1000 Tha­ler hof­fe ich je­den­falls zu be­kom­men, da Kug­ler schon 800 Th: hat. Dann habe ich mich schon bei Cerf selbst er­kun­digt, was es für Ne­ben­ver­diens­te gie­bt! Denn al­les, was ich ar­ran­gi­re, oder Ex­tra­pro­ben u.s.w. wird ap­part be­zahlt. Das gie­bt also viel­leicht schon al­lein 1200 Thal: u. nun den­ke ich doch auch, daß mir mei­ne Com­po­si­tio­nen all­mäh­lig et­was ein­tra­gen sol­len. Nicht wahr? Ich hal­te es also gar nicht mehr für nö­thig, daß Du dann noch bei’m Thea­ter blei­ben müß­test, wie­wol dieß Schwa­be be­haup­ten woll­te, weil er mein­te, wir würde[n] mit 1200 Thal. nicht aus­kom­men. Was meinst du dazu? – An­fang July reist nun Glä­ser end­lich fort. Ach, Gott, es thut mir wahr­lich auch sehr noth, daß ich nun bald wie­der et­was ver­die­ne, denn ich habe hier in der nie­der­drü­ckends­ten Lage ge­lebt, – das kannst Du mir glau­ben, aber mein Stolz ist zu groß, als daß ich mich an die Mei­ni­gen wen­den könn­te, u. ich will es nun durch­set­zen, wie ich es an­ge­fan­gen habe. – An Gott­schalk habe ich wie­der ge­schrie­ben, u. Al­les drin­gend u. or­dent­lich vor­ge­stellt, – be­un­ru­hi­ge Dich nur nicht zu sehr, lieb Kind, – die kön­nen uns nichts an­ha­ben, sie müs­sen war­ten, – u. wenn sie so pat­zig kom­men, so ist das nur um zu schre­cken, er­zwin­gen kön­nen sie nichts. Ueb­ri­gens will Schwa­be in die­sen Ta­gen die Nach­richt er­hal­ten ha­ben, daß die Mad: Gott­schalk ge­stor­ben sei. Was sagst Du dazu? Elend sah sie im­mer aus, u. bös war sie auch, u. doch hat es auf mich ei­nen son­der­ba­ren Ein­druck ge­macht. – O Gott, mein En­gel, ich habe im Gan­zen bitt­re Ju­gend ver­lebt, Gott weiß, mein Man­nes­al­ter muß mich da­für ent­schä­di­gen. In Dei­nen Ar­men u. an Dei­nem Her­zen wird es auch so sein; – Du mei­ne Won­ne, dieß ist auch mei­ne si­chers­te u. sü­ßes­te Hoff­nung; seit­dem ich mich ganz an Dich an­ge­schlos­sen, ist doch, trotz al­len Lei­den, schon so­viel Ruhe in mich ge­kom­men, daß ich in Dei­nem vol­len Be­sit­ze auch end­lich die Fes­tig­keit u. Ruhe ganz zu ge­win­nen hof­fe, die für mich nö­thig ist, um mit frei­em u. un­ge­trüb­tem Mu­the mei­ner Kunst mit Er­folg le­ben zu kön­nen. O sieh, wie Du mir Al­les, Al­les bist, wie ich durch Dich Al­les zu er­rin­gen hof­fe, mein sü­ßes Le­ben, mein won­ni­ges Herz! –

Den 26sten Juny. Heu­te erst schrei­be ich wie­der, denn erst heu­te bin ich mir klar, u. habe mei­ne Fas­sung wie­der. Es sind drei Tage her, daß ich Dir nichts ge­schrie­ben habe; – wäh­rend die­sen 3 Ta­gen habe ich nun wie­der ein­mal er­fah­ren, wie ich mit dem Glück ste­he, u. was ich vom Schick­sal zu er­war­ten habe. Min­na, laß auch Du von mir, denn ich bin ein Un­glück­li­cher. – Ich ste­he im Be­griff, in 8 Ta­gen von hier ab­zu­rei­sen, denn ich habe spä­ter hier wei­ter nichts mehr zu su­chen. CERF ist ein un­be­dach­ter, leicht­sin­ni­ger Mensch, der es ge­wiß recht gut mit mir ge­meint hat, als er mir, so­lan­ge ich nun hier bin, un­auf­hör­lich Gläser’s Stel­lung hier an­bot wäh­rend des­sen Ab­we­sen­heit; – Du weißt, wie ge­le­gen das mir kam, weil ich mich bis zu der Zeit, wo ich nach Kö­nigsb: kom­men könn­te, hier an­stän­dig auf die­se Art sou­te­ni­ren könn­te. Ich sprach dar­über zu­erst mit Glä­ser u. nichts war ge­wis­ser. Daß es nun doch nicht dazu kom­men kann, da­von ist der Grund nicht etwa der, daß mir Cerf nicht mehr wohl woll­te, son­dern weil jetzt die Oper, was er frü­her nicht ver­mu­the­te, ganz u. gar ge­schlos­sen wer­den muß. Ges­tern sang die Ger­hard zum letz­ten mal, Grei­ner ist schon lan­ge fort, u. Holz­mül­ler u. Fi­scher, die ur­sprüng­lich noch bis Ende Au­gust blei­ben soll­ten, ge­hen nun in Fol­ge ei­nes Pro­zes­ses schon den 1sten July ab. Die Sa­che ist ganz ein­fach u. klar, u. ich bin hier der Ueber­flüs­si­ge, der um sei­ne Hoff­nun­gen ge­kom­men ist. Ich muß also nun Ber­lin ver­las­sen. Der ein­zi­ge Er­satz, den ich er­hal­ten wer­de, u. der nun mir al­ler­dings in künst­le­ri­scher Hin­sicht die Haupt­sa­che ist, ist der, daß mir Cerf mei­ne Oper [ge­meint ist „Das Lie­bes­ver­bot“]  ab­kauft, die er mir, selbst nach Gläser’s u[nd Genée’s?] An­sicht gut be­zah­len muß, da­mit er mir zu glei­cher Zeit ei­nen Er­satz für mei­nen Auf­ent­halt hier ge­wärt. Glä­ser hat sich recht wa­cker ge­gen mich be­nom­men, er hat mir auf das Herz­lichs­te ver­si­chert, daß er mei­ne Oper, so­bald nur die Mit­tel wie­der vor­han­den sind, mit der größ­ten Lie­be u. Auf­merk­sam­keit ein­stud­iren wer­de, u. hat mich dar­über sehr be­ru­higt. Ich kann nun in­so­fern Ber­lin mit gro­ßer Ruhe ver­las­sen, denn ich weiß mei­ne Oper in gu­ten Hän­den, u. habe so­mit für mein hö­he­res Wei­ter­kom­men am bes­ten ge­sorgt; denn als ich un­ter An­dern ges­tern Wolf frag­te, was wol die bes­ten Mit­tel wä­ren, um mei­ner Oper an an­de­ren Büh­nen leich­ten Ein­gang zu ver­schaf­fen, sag­te er, daß das bes­te Mit­tel wäre, sie an alle Büh­nen Deutsch­lands zu brin­gen, wenn sie hier in Ber­lin ge­fie­le. Und da hat er auch recht. Mei­ne Oper, den­ke ich, muß hier ge­fal­len; ich habe vie­les drin ver­än­dert, u. sie wird hier sehr gut ge­ge­ben wer­den. Dann auch habe ich die be­deu­tends­ten Schrift­stel­ler hier alle zu Freun­den, die es sich sehr an­ge­le­gen las­sen sein wer­den, sie be­son­ders in aus­wär­ti­gen Blät­tern sehr her­vor­zu­he­ben. Lau­be hat schon jetzt in eine Stutt­gar­ter Zei­tung sehr viel von mir u. der Oper ge­schrie­ben**. – So­mit den­ke ich also doch ei­nen Zweck er­reicht zu ha­ben, u. ich sehe dieß als ei­nen Bür­gen für un­se­re Zu­kunft an, der uns den Rück­gang nach Süd-Deutsch­land vor­be­hal­ten soll. Au­ßer­dem will ich aber noch mei­ne Zeit hier dazu an­wen­den, den Cerf zum Ab­schluß ei­nes Con­trak­tes mit mir für das künf­ti­gen Jahr zu be­we­gen, denn ich ste­he kei­nes­we­ges ge­spannt mit ihm, son­dern wir sind im­mer noch die bes­ten Freun­de; am bes­ten wäre dieß je­doch, wenn es erst nach der Auf­füh­rung mei­ner Oper ge­sche­he. – – Wolf sag­te mir, daß Ha­a­ke für Bres­lau eine ganz neue u. au­ßer­or­dent­lich gute Oper durch ihn en­ga­gi­re, u. nun habe ich Wolf dar­auf auf­merk­sam ge­macht, daß auch mir sehr viel an Bres­lau läge, u. daß der dor­ti­ge Mu­sik­di­rek­tor we­nig tau­gen soll­te; – er er­bot sich dar­über so­gleich nach Bres­lau zu schrei­ben, denn er könn­te mich mit dem bes­ten Ge­wis­sen emp­feh­len, da er von Mag­de­burg aus au­ßer­or­dent­lich viel Gu­tes über mich ge­hört habe. Mein Opern­buch schi­cke ich noch heu­te nach Bres­lau. Wolf be­sorgt Dir auch die Co­ro­na von Sa­luz­zo***, Hr: Hübsch müß­te sie be­zah­len, sag­te er. Auch nach Braun­schweig schrei­be ich noch, – u. Du siehst, mein gu­tes Le­ben, daß ich mir jetzt kei­ne Vor­wür­fe zu ma­chen habe, in­dem ich mit Um­sicht u. Be­dacht sor­ge u. hand­le. Was aber nun zu­nächst be­gin­nen? – Dar­über bin ich den gan­zen gest­ri­gen Tag mit mir zu Ra­the ge­gan­gen, Al­les reif­lich über­legt u. habe ge­fun­den, daß mir nur 2 Wege of­fen ste­hen; – ich gehe ent­we­der nach – – Leip­zig, – oder ich gehe nach – – Kö­nigs­berg. Er­schrick nicht, Min­na, aber so steht es! – Mein Ent­schluß ist der: – nach Leip­zig – – gehe ich nicht. – Nun höre: – ich hof­fe hier un­ge­fähr 60 Tha­ler üb­rig zu be­hal­ten, – mit die­sem Gel­de muß ich ent­we­der mei­nen Zweck er­rei­chen, oder ich muß sie op­fern. – Ich kom­me von hier nach Kö­nigs­berg, Al­les wird sich schnel­ler ent­schei­den, wenn ich selbst da bin, – Du, mein En­gel kannst nicht so für mich spre­chen u. han­deln, wie ich für mich selbst; – dieß ist kei­nes­wegs ein Vor­wurf, Du lie­bes Mäd­chen, son­dern ich sehe dieß voll­kom­men ein, u. Dein letz­ter Brief hat mich auch da­von über­zeugt; – Du stellst Dich zu sehr blos u. kom­pro­mit­tirst Dei­ne ei­ge­ne Stel­lung, – das füh­le ich u. sehe es ein. Ich wer­de es selbst thun u. habe es so über­legt: – Das Ge­wis­se ist, Schu­berth geht im Sep­tem­ber nach Riga. Ich wer­de nun mit dem Man­ne, den ich von frü­her her ken­ne, so re­den: „Es sind noch 2 Mo­na­te, die Sie hier, (in K.) zu blei­ben ge­den­ken. Sie ge­hen dann nach Riga zu­rück. Sie ha­ben in Riga Ihre Fa­mi­lie. Ohne Zwei­fel ist Ih­nen lieb, die­sel­be bald wie­der zu se­hen. Ich habe die­se 2 Mo­na­te über nichts zu thun, u. es liegt mir dar­an, die­se bei­den Mo­na­te eher bei mei­ner Braut als ir­gend­wo an­ders zu­zu­brin­gen. Ohne Be­schäf­ti­gung wün­sche ich aber die­se Zeit nicht zu ver­brin­gen. Ueber­las­sen Sie mir da­her schon von jetzt an Ihre Stel­le, ge­hen Sie nach Riga zu Ih­rer Fa­mi­lie, u. dis­po­niren Sie ge­fäl­ligst über Ih­ren Ge­halt für den nächs­ten Mo­nat,  – u. ent­schä­di­gen Sie sich da­mit, ich will mei­ne ei­ge­nen Mit­tel bis da­hin zu Ra­the zie­hen.“ – Ich hof­fe, mein Kind, daß ich dar­über mit ihm ei­nig wer­de, u. will die 30 Tha­ler, die mir nach der Hin­rei­se üb­rig blei­ben wer­den, für ei­nen Mo­nat zu mei­nem Le­ben ver­wen­den, u. hof­fe da­mit aus­zu­kom­men, ohne je­mand be­schwer­lich zu fal­len. – Der zwei­te Fall ist der, daß Schu­berth nicht nach Riga zu­rück­ge­hen woll­te, so wür­de ich so­gleich mit Riga in Un­ter­hand­lung tre­ten, wo ich so­wohl den Di­rek­tor als den dor­ti­gen Stadt­mu­sik-Di­rek­tor Dorn, frü­her in Leip­zig, sehr gut ken­ne, um uns für dort eine Ver­ei­ni­gung zu be­rei­ten. Für den al­ler­schlimms­ten Fall, daß sich gar­nichts mach­te, so wür­de ich mit mei­nem üb­ri­gen Gel­de zu­rück­rei­sen, um mich in Leip­zig – – todt­zu­schie­ßen! – Wie ist Dir, mein Kind? – Bist du für oder ge­gen die­sen Plan? Es ist der ein­zi­ge Aus­weg, der mir jetzt of­fen steht. Es ist von mir kei­ne Flat­te­rei, es ist mir fei­er­li­cher Ernst. Es muß jetzt et­was ge­sche­hen, das habe ich schon längst ge­fühlt, u. habe es Dir auch schon ge­schrie­ben; es ist mei­ne äu­ßers­te u. ernst­li­che An­stren­gung, – führt die­se nicht zu uns­rem Glü­cke, – – nun so sol­len wir kein Glück ha­ben! – Zu­dem habe ich jetzt ei­ni­ge Mit­tel in Hän­den, Hrn: Hübsch güns­tig für mich zu dis­po­niren. Erst­lich wird mir Hr: Wolf, der der in­tims­te Freund von Hr: Hübsch ist, ei­nen Brief an ihn mit­ge­ben, der sehr zu mei­nem Bes­ten wir­ken soll. Zwei­tens habe ich durch den­sel­ben er­fah­ren, daß Hübsch sehr nö­thig ei­nen Ten­oris­ten ge­braucht. Wolf re­flek­tirt auf Schmitt in Leip­zig, den er für den bes­ten hält, u. zu­gleich für den ein­zi­gen, – Schmitt ste­he aber auch in Un­ter­hand­lun­gen mit Bres­lau, u. wird Bres­lau ge­wiß vor­zie­hen; je­doch liegt es ganz in mei­ner Macht, Schmitt für Kö­nigs­berg zu be­stim­men, u. ich kann so­mit Hr: Hübsch ei­nen gro­ßen Dienst leis­ten. Sag’ ihm das! ­– – Du wirst ge­wiß sehr über­rascht sein, mei­ne Min­na, von mei­nem Ent­schluß u. Vor­satz, Du wirst es viel­leicht im ers­ten Au­gen­blick toll­kühn u. vor­ei­lig nen­nen. Be­trach­te es ru­hig, mein En­gel, es ist jetzt das Ein­zi­ge, was ich für die Ent­schei­dung uns­res Glü­ckes thun kann. Es heißt jetzt: Ent­we­der, Oder –, u. es ist von mir in ei­ner fei­er­li­chen Stun­de, wo es mir ernst u. düs­ter zu Mu­the war, be­schlos­sen wor­den, u. ich er­war­te um­ge­hend von Dir eine Nach­richt, ob Du mit mir über­ein­stimmst, – u. ich hof­fe, Du wirst es! Ich hof­fe es!

Ehe ich ab­rei­se, schrei­be ich nach Mag­de­burg an mei­nen Jus­tiz­kom­mis­sar, daß er mei­ne Zah­lungs­ter­mi­ne ver­schie­ben las­sen soll, u. be­weist sich Hr: Gott­schalk hart­nä­ckig, so über­tra­ge ich ihm die Sa­che mit ihm, u. klä­re ihn über die Art der Schuld auf, wo­durch je­ner ge­wiß zur Nach­gie­big­keit ge­bracht wird. – Mein lie­bes Weib, das Un­glück macht mich nun all­mä­lig stark, u. Du wirst mich viel­leicht schon jetzt um vie­les ver­än­dert fin­den. Hal­te mich in die­sem Au­gen­blick nicht im Min­des­ten für auf­ge­regt, ich bin in ei­ner erns­ten, fei­er­li­chen u. ent­schlos­se­nen Stim­mung. – Mein Ent­schluß steht fest, u. Du wirst mich durch nichts da­von ab­brin­gen kön­nen, au­ßer, wenn Du mir schriebst, oder zu ver­ste­hen gä­best, mei­ne Ge­gen­wart wür­de Dir jetzt un­an­ge­nehm oder läs­tig sein. Nur dieß wür­de mich ab­hal­ten, mei­nen Ent­schluß aus­zu­füh­ren. – Ich muß Dich jetzt se­hen, Min­na, ich muß jetzt ver­eint mit Dir un­ser Schick­sal ent­schei­den; – Gott wird uns Muth u. Kraft, u. end­lich auch ein­mal Glück ge­ben. Wo nicht, nun, so bre­che es denn zu­sam­men, u. das Schick­sal ma­che Dich frei von ei­nem Ge­lieb­ten, von ei­nem Bräu­ti­gam, der zu Dei­nem Un­glück da sein soll­te, zu Dei­nem Kum­mer, Qual u. Noth. – – Schrei­be mir um­ge­hend, denn spät­hes­tens in 8 Ta­gen er­war­te ich Dei­ne Ant­wort, sieh, was Du mir noch in der Schnel­lig­keit mitt­hei­len kannst, sond­ire flüch­tig den Schu­berth u. den Hübsch, u. denn Gott be­foh­len! Ich kann nicht wei­ter! – Sei so mild als mög­lich ge­gen mich, mei­ne Min­na, denn ich habe ei­nen furcht­ba­ren Arg­wohn ge­gen mich selbst, – nähm­lich, daß ich ein Frie­dens­stö­rer, Pla­ge­geist u. läs­ti­ger Ge­sel­le bin, – daß Du mei­ner all­mä­lig über­drüs­sig wer­den wür­dest u.s.w. – Ich bin auch ein ek­li­ger Mensch, ein grau­es u. schwar­zes Blatt in Dei­nem Le­bens­bu­che, ein Un­glück­s­pin­sel, – jaja, – u. dazu noch hy­po­kon­drisch, – ’s ist arg. Soll aber bes­ser, bes­ser wer­den, – bes­ser, viel bes­ser; – – Glück, – oder – – Sieh, da kom­me ich in mei­ne Lieb­lings­lau­ne,  –in der­glei­chen lie­bens­wür­di­gen Selbst­ge­sprä­chen kannst Du mich jetzt oft über­ra­schen; – ich bin ein erns­ter, trü­ber Narr ge­wor­den, – jaja, Min­na, das Le­ben, das Glück!  – Hab’ Mit­lied mit mir, hab‘ Mit­leid, mein En­gel, Du wirst mich wie­der ge­sund ma­chen, dann bricht ent­we­der mein Herz in tau­send Stü­cken, oder – Glück, – Glück – Min­na! Ach, schon ver­zweif­le ich an mei­nem Er­den­glück; – lie­be mich, – be­hal­te mich lieb, aber schmä­he mich nicht, hab’ Mit­leid mit ei­nem Un­glück­li­chen, denn er ist ja doch Dein Richard.

*Ri­chard Wag­ner. Sämt­li­che Brie­fe. Ge­samt­aus­ga­be in 35 Bän­den und Sup­ple­men­ten, Band 1 (Brie­fe bis März 1842), Ver­lag Breit­kopf & Härtel
**In der Wo­chen­schrift „Eu­ro­pa. Chro­nik der ge­bil­de­ten Welt“ (Leip­zig und Stutt­gart) er­schien im Jahr 1836, Bd. 2, in der Bei­la­ge Nr. 5 vom 4. Mai 1836, S. 19, fol­gen­de, ver­mut­lich von Hein­rich Lau­be über­mit­tel­te No­tiz: „In Mag­de­burg wur­de eine neue ko­mi­sche Oper ‚die No­vi­ze von Pa­ler­mo‘ von Ri­chard Wag­ner, Mu­sik­di­rek­tor am Thea­ter da­selbst, am 29. März mit Bei­fall ge­ge­ben.“ Ob Lau­be au­ßer­dem in ei­ner Stutt­gar­ter Ta­ges­zei­tung „sehr viel“ von Wag­ner „und der Oper“ ge­schrie­ben hat, er­scheint sehr frag­lich. Wag­ners Äu­ße­rung könn­te durch­aus iro­nisch auf­zu­fas­sen sein.
***„Co­ro­na von Sa­luz­zo“, Ro­man­ti­sches Schau­spiel vom Ben­ja­min Ernst Sa­lo­mo Rau­pach, ur­auf­ge­führt am Wie­ner Burg­thea­ter in der Sai­son 1834/35 und spä­ter auch in Ol­den­burg, wo­her der hier ab­ge­bil­de­te Thea­ter­zet­tel stammt. Vor­la­ge: Lan­des­bi­blio­thek Ol­den­burg digital.

Um dem Gan­zen die Kro­ne auf­zu­set­zen, darf der ein­zi­ge Co­ro­na-Ein­trag in Co­si­ma Wag­ners Ta­ge­bü­chern nicht feh­len. Sie no­tier­te zum 3. April 1870:
Sonn­tag 3ten  Brief des Ad­vo­ka­ten aus Ber­lin, daß ich nichts zu tun und bloß zu war­ten habe. R. ar­bei­tet, ich sti­cke. Beim Früh­stück spre­chen wir vom Ham­let, und R. sagt mir, er hiel­te da­für, daß Ham­let nach der Er­schei­nung des Geis­tes kom­plett wahn­sin­nig ist, nicht etwa so­fort den Wahn­sinn spielt, son­dern wirk­lich es ge­wor­den. – Ob Fidi dem Zau­ber der Mu­sik ver­fal­len wird? „Wenn er es nicht wür­de, wäre er ein Vieh!“ „Beet­ho­ven uns­rer Welt ge­gen­über un­ge­fähr ein Mensch wie Eber­le, durch sein Ge­nie aber in ei­ner Welt zu Hau­se, von wel­cher er je­den Win­kel kennt und von der wir kei­ne Ah­nung ha­ben.“ „Dar­um has­sen und fürch­ten [sie] die Mu­sik so sehr, weil sie wis­sen, daß nichts ge­gen sie Stich hält. Es ist nicht die Dar­stel­lung ei­ner Idee, son­dern die Idee selbst.“ „Das gan­ze Schön­heits­ge­fühl der Mensch­heit hat sich in die Mu­sik ge­flüch­tet“, sagt ich zu R., und er gab mir Recht. – Der Brief Richard’s an Rich­ter steht in der Zei­tung und ein Be­richt aus Flo­renz, laut wel­chem Hans in Flo­renz mit gro­ßem Bei­fall di­ri­giert und ge­spielt hat und der Kö­nig von Ita­li­en den Or­den der Co­ro­na d’Italia ihm ver­lie­hen. Im Gar­ten mit den Kin­dern ge­spielt; herr­li­ches Wetter!

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