Adventskalender 1871 (19)

R. probt, Co­si­ma ist dar­ob hoch be­glückt. Schon die öf­fent­li­che Ge­ne­ral­pro­be des Kon­zerts mit Wer­ken von Beet­ho­ven, Mo­zart und Wag­ner ist ein vol­ler Erfolg.

Hand­schrift­li­che Skiz­ze Wag­ners zur Or­ches­ter-Auf­stel­lung für das Mann­hei­mer Kon­zert so­wie un­ten die Druck­ver­si­on. Vor­la­gen: Ri­chard Wag­ner, Sämt­li­che Brie­fe, Bd. 23.

Diens­tag 19ten [De­zem­ber 1871] Mor­gen­pro­be[1] (Lo­hen­grin, Meis­ter­sin­ger, Tris­tan); herr­lich, höchs­te Be­frei­ung der See­le. Brie­fe der Kin­der, es geht ih­nen gut. Wäh­rend R. sich aus­ruht, durch die öde Stadt ge­wan­dert. Be­such ei­nes Ka­pell­meis­ters aus Preß­burg, der Sol­dat ge­wor­den und R. bit­tet, ihm zu hel­fen! – An­kunft Rit­ters[2], die R. in Würz­burg schon ge­se­hen. Abends Ge­ne­ral­pro­be[3], wun­der­voll. R. aber sehr müde, schläft nicht mehr und ist er­käl­tet. – Abends Pohl[4], Rit­ters und Nietz­sche[5].

[1] Den Pro­ben­plan hat­te Wag­ner am 6. De­zem­ber an Emil He­ckel ge­sen­det. Für 18. De­zem­ber sah er am Vor­mit­tag und am Nach­mit­tags je­weils eine klei­ne Pro­be vor, am 19. De­zem­ber vor­mit­tags die Nach­pro­be und abends die Haupt- bzw. Ge­ne­ral­pro­be. Für den 20. De­zem­ber kün­dig­te er „eine klei­ne Pri­vat­un­ter­hal­tung für mich und sehr we­ni­ge nächs­te Freun­de zum Durch­spie­len ei­ner klei­ne­ren Pri­vat­kom­po­si­ti­on“ an. „Wird als Gunst und be­son­de­re Ge­fäl­lig­keit er­be­ten von 6 bis 8 1ten Vio­lo­nis­ten, 6 bis 8 2ten Vio­lo­nis­ten, 4 Brat­schis­ten, 4 Vio­lon­cel­lis­ten. 2 bis 3 Con­tra­bas­sis­ten. 1 Flö­tis­ten. 1 Ho­bo­is­ten. 2 Cla­ri­net­tis­ten. 2 Hor­nis­ten 1 Fa­got­tis­ten u. 1 Trom­pe­ter. – Stim­men brin­ge ich mit.“

[2] Alex­an­der Rit­ter (1833–1896), Mu­si­ker und Kom­po­nist, Sohn von Wag­ners Gön­ne­rin Ju­lie Rit­ter (1794–1869), 1863 bis 1872 am Stadt­thea­ter Würz­burg, ver­hei­ra­tet mit der Schau­spie­le­rin Fran­zis­ka Rit­ter (1829–1895), ei­ner Toch­ter von Wag­ners Bru­der Albert.

[3] Schon für die Ge­ne­ral­pro­be im Kon­zert­saal des Mann­hei­mer Hof­thea­ters (mit rund 600 Sitz- und bis zu 500 Steh­plät­zen) wur­den Kar­ten ver­kauft. Wag­ner hat­te vor­ab ge­schrie­ben: „Aus der Ge­ne­ral­pro­be, so viel Geld schla­gen als man will. Um den Cha­rak­ter ei­ner vor­be­rei­te­ten Kunst­leis­tung nicht zu ver­scher­zen – fin­den die vor­an­ge­hen­den Pro­ben je­doch un­ter uns statt.“ Wag­ner di­ri­giert ein ei­gens zu­sam­men­ge­stell­tes Or­ches­ter aus Mit­glie­der so­wohl des Mann­hei­mer wie des Karls­ru­her Hof­thea­ters, was zu­nächst ei­ni­gen Är­ger ver­ur­sacht (dazu dem­nächst mehr). Auf­ge­führt wur­den das „Lohengrin“-Vorspiel, die Ou­ver­tü­re von Mo­zarts „Zau­ber­flö­te“, Beet­ho­vens A-Dur-Sym­pho­nie, das „Meistersinger“-Vorspiel, Vor­spiel und Schluss­satz aus „Tris­tan und Isol­de“ so­wie der Kai­ser­marsch. Aus dem Rein­erlös in Hohe von fast 2500 Gold­mark (?) er­warb der Mann­hei­mer Wag­ner­ver­ein Pa­tro­nats­schei­ne für die Bay­reu­ther Fest­spie­le. Wag­ner di­ri­gier­te kostenlos.

[4] Ri­chard Pohl (1826–1896), Mu­sik­kri­ti­ker und -schrift­stel­ler so­wie An­hän­ger von Liszt und Wag­ner, der meh­re­re Bü­cher über Wag­ner und Bay­reuth veröffentlichte.

[5] Phi­lo­soph und da­ma­li­ger Haus­freund Fried­rich Nietz­sche (1844–1900) wird sei­nem Freund Er­win Roh­de be­geis­tert von der Ge­ne­ral­pro­be und dem Kon­zert be­rich­ten: „Was sind alle sons­ti­gen künst­le­ri­schen Er­in­ne­run­gen und Er­fah­run­gen, ge­mes­sen an die­sen al­ler­letz­ten! […] Denn ge­nau Das ist Mu­sik und nichts sonst! Und ge­nau Das mei­ne ich mit dem Wort ‚Mu­sik‘ wenn ich das Dio­ny­si­sche schil­de­re, und nichts sonst.“

Quel­len: Co­si­ma Wag­ner: Die Ta­ge­bü­cher: Band I, S. 1579. Di­gi­ta­le Bi­blio­thek Band 107: Ri­chard Wag­ner: Wer­ke, Schrif­ten und Brie­fe, S. 34740 (vgl. Co­si­ma-Ta­ge­bü­cher 1, S. 468-469); Ri­chard Wag­ner: Sämt­li­che Brie­fe, Band 23 (hg. v. An­dre­as Miel­ke); Anja Gil­len: Von Feu­er­zau­ber und Grals­ge­sang. Emil He­ckel und Ri­chard Wag­ner in Mannheim.

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