Nike Wagner in Bamberg

Es war ein ers­ter Hö­he­punkt in un­se­rem Ju­bi­lä­ums­jahr: Nike Wag­ner sprach im gut ge­füll­ten Kufa-Saal über den künst­le­ri­schen Wer­de­gang ih­res Va­ters Wie­land Wag­ner und stell­te sich an­schlie­ßend den Fra­gen des auf­merk­sa­men Pu­bli­kums. – Alle Fo­tos: Ro­land Gröber

Fränkischer Tag, Kulturseite vom 16. März 2023:

Nike Wagner blickt zurück auf die Abstraktionen ihres Vaters

VON UN­SE­REM MIT­AR­BEI­TER RU­DOLF GÖRTLER
Bam­berg —  Ein pro­mi­nen­ter Gast sprach auf Ein­la­dung des Ri­chard-Wag­ner-Ver­bands (RWV) in der Kufa am Diens­tag: Der Vor­trag Nike Wag­ners (geb. 1945), Ur­en­ke­lin des Grün­ders der Fest­spie­le und laut Mo­ni­ka Beer, der Vor­sit­zen­den der Bam­ber­ger Sek­ti­on des RWV, „in­tel­lek­tu­el­le Speer­spit­ze“ des Wag­ner-Clans, in­ter­es­sier­te ein gro­ßes Publikum.
Das The­ma der Li­te­ra­tur- und Thea­ter­wis­sen­schaft­le­rin war „Wie­land Wag­ners Weg zum Raum- und Licht­künst­ler“. Als Toch­ter des Fest­spiel-Er­neue­rers (1917–1966) konn­te sie ihre wis­sen­schaft­li­che Re­cher­che durch fa­mi­liä­re Er­leb­nis­se ergänzen.
Wie­land Wag­ner, Günst­ling des Nazi-Re­gimes, hat­te die Ent­na­zi­fi­zie­rung nach 1945 güns­tig über­stan­den und wand­te sich nach dem Krieg der Avant­gar­de von der Jahr­hun­dert­wen­de bis zum Be­ginn der Macht­er­grei­fung zu.
Sein „Ring“ von 1951 be­grün­de­te den Be­ginn ei­nes Neu-Bay­reuth – das alte war durch die Nähe zum Re­gime des­avou­iert. Er wag­te eine völ­lig neue, ent­leer­te Büh­ne und pro­vo­zier­te laut sei­ner Toch­ter Nike „Heer­scha­ren von Pfei­fern und Buh­ru­fern“. Sei­ne Abs­trak­tio­nen und Ent­ideo­lo­gi­sie­run­gen lie­ßen aus ihm ei­nen „Ahn­herrn des Re­gie­thea­ters“ werden.
Ra­di­ka­le Ablehnung
In ih­rem Vor­trag be­ton­te Nike Wag­ner, wie sehr ihr Va­ter von der bil­den­den Kunst be­ein­flusst war; er sei „kein in­tel­lek­tu­el­ler Re­gis­seur“ gewesen.
Die Avant­gar­den der 1920er und frü­he­re wie Ex­pres­sio­nis­mus, Bau­haus und Neue Sach­lich­keit hät­ten Co­si­ma und ihr Sohn Sieg­fried Wag­ner ra­di­kal ab­ge­lehnt. Das Kriegs­en­de habe Wie­land Wag­ner er­mög­licht, mit den äs­the­ti­schen Vor­ga­ben sei­ner Mut­ter Wi­nif­red zu bre­chen und die Fest­spie­le als Werk­statt neu zu interpretieren.
Wie­land sah die Büh­ne als „geis­ti­gen Raum“, ver­zich­te­te auf Ku­lis­sen und re­zi­pier­te Neue­rer wie die Büh­nen­bild­ner und Thea­ter­theo­re­ti­ker Adol­phe Ap­pia und Gor­don Craig mit sei­ner an­ti­na­tu­ra­lis­ti­schen Spiel­wei­se. Wich­ti­ge Im­pul­se setz­te der Aus­drucks­tanz ei­ner Mary Wig­man, ver­mit­telt durch Wie­lands Gat­tin, die Cho­reo­gra­fin Ger­trud Wagner.
Auch der Wie­ner Büh­nen­bild­ner Al­fred Rol­ler und die Wie­ner Se­zes­si­on mit ih­rer Kon­zep­ti­on ei­ner „Au­ra­ti­sie­rung von Kunst“ be­ein­fluss­ten Wie­land Wag­ner, des­sen abs­trak­te, von Licht und Schat­ten do­mi­nier­ten Büh­nen­bil­der und laut sei­ner Toch­ter „an­ti­rea­lis­ti­sche, my­thisch über­höh­te In­sze­nie­run­gen“ nach sei­nem frü­hen Tod durch den Ein­fluss des ri­va­li­sie­ren­den Bru­ders Wolf­gang Wag­ner durch wie­der ge­gen­ständ­li­che er­setzt wur­den. Ein Trend, der bis heu­te die Büh­nen nicht nur in Bay­reuth dominiert.
Nike Wag­ner be­kann­te sich im Gro­ßen und Gan­zen zum Re­gie­thea­ter, fand je­doch in­halt­li­che Ein­grif­fe „idio­tisch“.
Von der Toch­ter darf man eine ra­di­ka­le Ab­rech­nung mit dem Va­ter nicht er­war­ten. Die hat­te im Herbst der Di­rek­tor des Bay­reu­ther Ri­chard-Wag­ner-Mu­se­ums ge­lie­fert, der Wie­land Wag­ners Re­gie als „an­ti­ki­sie­ren­den, sta­tua­ri­schen Re­li­ef­stil“ cha­rak­te­ri­siert hatte.

 

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