Das Konzert als Höhepunkt

Das Bay­reuth-Sti­pen­di­um war für den Kla­ri­net­tis­ten Se­ra­phin Mau­rice Lutz auch des­halb ein Er­eig­nis, weil er zu den Aus­er­wähl­ten zähl­te, die sich beim In­ter­na­tio­na­len Sti­pen­dia­ten­kon­zert prä­sen­tie­ren durf­ten. Hier sein Bericht.

Se­ra­phin Lutz (Bild­mit­te) beim Schluss­ap­plaus des In­ter­na­tio­na­len Sti­pen­dia­ten­kon­zerts im Eu­ro­pa­saal – Foto: privat

Es er­füllt mich mit gro­ßer Dank­bar­keit, über mei­ne Teil­nah­me an den Sti­pen­di­en­ta­gen der Ri­chard-Wag­ner-Fest­spie­le in Bay­reuth im Zeit­raum vom 14. bis 17. Au­gust 2023 zu be­rich­ten. Ein be­son­de­rer Dank ge­bührt dem Vor­stand des Ri­chard-Wag­ner-Ver­bands Bam­berg und sei­nem Sti­pen­di­en­be­auf­trag­ten Ha­rald Schnei­der. Sein un­er­müd­li­cher Ein­satz führ­te dazu, dass ich als Sti­pen­di­at des RWV Bam­berg von Fest­spiel­lei­te­rin Ka­tha­ri­na Wag­ner und den Ver­bands­ent­schei­dern der Ri­chard-Wag­ner-Sti­pen­di­en­stif­tung Bay­reuth aus­ge­wählt wur­de, beim In­ter­na­tio­na­len Sti­pen­dia­ten­kon­zert am 27. Au­gust 2023 in Bay­reuth als So­list auf­zu­tre­ten. Nach­dem ich das Sti­pen­di­um 2021 und 2022 auf­grund mei­ner En­ga­ge­ments am Staats­thea­ter Kas­sel und an der Staats­oper in Ham­burg ver­schie­ben muss­te, habe ich es end­lich im Au­gust wahr­neh­men kön­nen. Als So­lo­kla­ri­net­tist am Staats­thea­ter Kas­sel spiel­te ich be­reits 2019 die „Göt­ter­däm­me­rung“, was mich nach­hal­tig für die Welt von Ri­chard Wag­ners Mu­sik be­geis­tert hat. Die­se au­ßer­ge­wöhn­li­chen Tage in Bay­reuth, die ich wie im „Ring des Ni­be­lun­gen“ als ei­nen Vor­abend und drei auf­re­gen­de Tage struk­tu­rie­ren möch­te, ha­ben mich tief in­spi­riert. In die­sem Be­richt wer­de ich je­den ein­zel­nen Tag Re­vue pas­sie­ren las­sen, der mir als Sti­pen­di­at so vie­le wert­vol­le Ein­bli­cke und Er­leb­nis­se bescherte.

„Vor­abend“: 14. Au­gust 2023
Der Auf­takt der Fest­spie­le be­gann mit ei­nem be­we­gen­den Emp­fang vor der Vil­la Wahn­fried, dem eins­ti­gen Wohn­haus Ri­chard Wag­ners. Hier hielt die ukrai­ni­sche Di­ri­gen­tin Oksa­na Ly­niv eine be­rüh­ren­de Rede, die die Be­deu­tung der Mu­sik be­ton­te, um Men­schen zu ver­bin­den, ins­be­son­de­re in Zei­ten wie die­sen. Oksa­na Ly­ni­vs Wor­te wa­ren in­spi­rie­rend und er­in­ner­ten dar­an, wie Mu­sik un­se­re Her­zen und See­len er­rei­chen kann. An­schlie­ßend traf ich mich mit der Pia­nis­tin Yumi Ya­ma­mo­to vom Ri­chard-Wag­ner-Ver­band Würz­burg, um in der Kla­vier­ma­nu­fak­tur Stein­grae­ber & Söh­ne zu pro­ben. Ge­mein­sam hat­ten wir die Ehre, für das In­ter­na­tio­na­le Sti­pen­dia­ten­kon­zert aus­ge­wählt zu wer­den, bei dem wir das Grand Duo Con­cer­tant von Carl Ma­ria von We­ber auf­füh­ren wür­den. Bei Stein­grae­ber durf­ten wir auf den ori­gi­na­len Nach­bau­ten und al­ten Flü­geln spie­len, was un­se­re mu­si­ka­li­sche Rei­se noch ein­zig­ar­ti­ger ge­stal­te­te. Wäh­rend ei­ner Füh­rung durch die Ma­nu­fak­tur konn­ten wir nicht nur wert­vol­le In­for­ma­tio­nen über die Kla­vie­re er­hal­ten, son­dern auch die ori­gi­na­le „Parsifal“-Gralsglocke se­hen und so­gar spie­len. Die­ser Mo­ment war von tie­fer emo­tio­na­ler Be­deu­tung und er­zeug­te Gän­se­haut, da die Glo­cke ei­nen wun­der­ba­ren Klang hat­te, den ich aus der Oper „Par­si­fal“ kann­te. Am Abend kam ich in den Ge­nuss der Vor­stel­lung „Flie­gen­den Hol­län­ders“. Ich war fas­zi­niert von der mit­rei­ßen­den Per­fek­ti­on des Fest­spiel­cho­res und des Fest­spiel­or­ches­ters und wie Oksa­na Ly­niv das mu­si­ka­li­sche Ge­sche­hen straff und un­er­bitt­lich in die aus­kom­po­nier­te Ka­ta­stro­phe trieb.

Der Liszt-Flü­gel in der Kla­vier­ma­nu­fak­tur Stein­grae­ber – Foto: privat

„Ers­ter Tag“: 15. Au­gust 2023
Der nächs­te Tag star­te­te er­neut mit Pro­ben für das Sti­pen­dia­ten­kon­zert. Am Abend hat­te ich das au­ßer­ge­wöhn­li­che Pri­vi­leg, die Vor­stel­lung von „Par­si­fal“ mit ei­ner Aug­men­ted Rea­li­ty-Bril­le zu er­le­ben. Die­se in­no­va­ti­ve Her­an­ge­hens­wei­se er­mög­lich­te mir, die Oper aus ei­ner völ­lig neu­en Per­spek­ti­ve zu er­le­ben und tie­fer in die In­sze­nie­run­gen ein­zu­tau­chen. Es war fas­zi­nie­rend zu se­hen, wie die vir­tu­el­le Rea­li­tät die Gren­zen zwi­schen Büh­ne und Zu­schau­er­raum ver­schwim­men ließ und eine im­mersi­ve Er­fah­rung schuf. In der Akt­pau­se von „Par­si­fal“ hat­te ich die Ge­le­gen­heit, mich mit Blaz Spa­ro­vec, dem Solo-Kla­ri­net­tis­ten des Fest­spiel­or­ches­ters, zu un­ter­hal­ten. Blaz Spa­ro­vec ist ei­ner mei­ner Leh­rer an der Uni­ver­si­tät der Küns­te Ber­lin und hat eben­falls bei mei­nem Pro­fes­sor Fran­çois Ben­da stu­diert. Un­ser Ge­spräch dreh­te sich um die ein­zig­ar­ti­ge Er­fah­rung, in die­sem Or­ches­ter zu spie­len, und wie die Akus­tik sich an­fühlt, wenn man in­mit­ten die­ser klang­li­chen Pracht steht. Blaz Spa­ro­vec er­zähl­te von den in­spi­rie­ren­den Mo­men­ten und der Ver­ant­wor­tung, die da­mit ein­her­geht, Teil ei­nes so re­nom­mier­ten Or­ches­ters zu sein.

„Zwei­ter Tag“: 16. Au­gust 2023
Der fol­gen­de Tag be­gann er­neut mit in­ten­si­ven Pro­ben für das an­ste­hen­de Kon­zert. Am Nach­mit­tag be­ka­men wir eine be­son­de­re Ge­le­gen­heit, ei­nen Blick hin­ter die Ku­lis­sen des Fest­spiel­hau­ses zu wer­fen. Eine fas­zi­nie­ren­de Er­klä­rung über die ein­zig­ar­ti­ge Akus­tik des Ge­bäu­des wur­de uns durch ein Glo­cken­spiel ver­an­schau­licht. Die­ses Er­leb­nis war äu­ßerst lehr­reich und zeig­te, wie das Holz des Bo­dens und die Holz­stüh­le den Klang im Fest­spiel­haus be­ein­flus­sen und zu sei­ner Ein­zig­ar­tig­keit bei­tra­gen. Eine wei­te­re in­ter­es­san­te Sta­ti­on war der Flur mit Por­träts al­ler Di­ri­gen­ten, die das Fest­spiel­or­ches­ter im Lau­fe der Zeit ge­lei­tet ha­ben. Die­ser Gang durch die Ge­schich­te er­füll­te mich mit Ehr­furcht und In­spi­ra­ti­on, als ich in­mit­ten der gro­ßen Na­men der Mu­sik­welt stand.

Blick vom Or­ches­ter­gra­ben, dem „Mys­ti­schen Ab­grund“ – Foto: privat

Am Abend stand die Vor­stel­lung von „Tann­häu­ser“ auf dem Pro­gramm. Die­se Auf­füh­rung war für mich be­son­ders be­we­gend, da es zahl­rei­che her­aus­ra­gen­de Kla­ri­net­ten-So­lo­stel­len gab, die mein Herz be­rühr­ten. Es war eine emo­tio­na­le Ach­ter­bahn­fahrt, die mir die Tie­fe und Viel­falt von Wag­ners Mu­sik auf eine neue Wei­se of­fen­bar­te. Auch die fas­zi­nie­ren­de In­sze­nie­rung, die mit­hil­fe ei­ner Lein­wand die Au­ßen­welt mit der Büh­ne ver­knüpf­te und da­durch meh­re­re Ebe­nen schuf, wird mir be­son­ders in Er­in­ne­rung bleiben.

In der 2. Pau­se von „Tann­häu­ser“ sind am Kö­nigs­bau noch die Spu­ren ei­nes in­sze­nier­ten Ein­bru­ches zu se­hen. – Foto: privat

„Drit­ter Tag“: 17. Au­gust 2023
Die „Göt­ter­däm­me­rung“ mar­kiert in Wag­ners „Ring“-Zyklus den epi­schen Hö­he­punkt und das Ende ei­ner gro­ßen Ge­schich­te. Ähn­lich wie der drit­te Tag die Saga des „Ring des Ni­be­lun­gen“ ab­schließt, bil­de­te das In­ter­na­tio­na­le Sti­pen­dia­ten­kon­zert den Hö­he­punkt mei­ner ei­ge­nen mu­si­ka­li­schen Rei­se in Bay­reuth. Es war ein wür­di­ger Ab­schluss die­ser be­mer­kens­wer­ten Tage, die mir so vie­le wert­vol­le Ein­bli­cke und Er­leb­nis­se be­schert ha­ben. Der letz­te Tag mei­ner Teil­nah­me an den Fest­spie­len war ge­prägt von Vor­be­rei­tun­gen auf das Kon­zert. Am Vor­mit­tag nutz­te ich die Ge­le­gen­heit, ei­ni­ge der Mu­se­en in Bay­reuth zu be­su­chen, dar­un­ter das Liszt Mu­se­um und die Vil­la Wahn­fried. Die­se Be­su­che er­wei­ter­ten mei­nen Ho­ri­zont und bo­ten mir die Mög­lich­keit, mehr über die Ge­schich­te der Fest­spie­le und Ri­chard Wag­ner selbst zu erfahren.

Se­ra­phin Lutz bei sei­nem Auf­tritt im Sti­pen­dia­ten­kon­zert 2023 – Foto: privat

Am Abend fand zum krö­nen­den Ab­schluss das In­ter­na­tio­na­le Sti­pen­dia­ten­kon­zert im Eu­ro­pa­saal Bay­reuth statt. Ich war tief be­rührt von den hoch­pro­fes­sio­nel­len Bei­trä­gen, die mir für im­mer in Er­in­ne­rung blei­ben wer­den. Die­ser be­son­de­re Abend war von Mu­sik, ku­li­na­ri­schen Ge­nüs­sen und in­ten­si­vem Aus­tausch ge­prägt. Die warm­her­zi­ge Re­ak­ti­on des Pu­bli­kums, der be­geis­ter­te Ap­plaus, er­füll­ten mich mit Dank­bar­keit und Freu­de. Ein gro­ßer Dank geht auch an die ex­zel­len­te Pia­nis­tin Yumi Ya­ma­mo­to. Der Abend war auch eine Ge­le­gen­heit, enge Kon­tak­te zu mei­nen Mit­sti­pen­dia­ten zu knüp­fen und Freund­schaf­ten zu schlie­ßen, die weit über die Fest­spie­le hin­aus­rei­chen werden.

Ba­den im Schluss­bei­fall – Foto: privat

Die Teil­nah­me an den Sti­pen­dia­ten­ta­gen der Ri­chard-Wag­ner-Fest­spie­le in Bay­reuth war für mich eine un­ver­gess­li­che Er­fah­rung, die mein mu­si­ka­li­sches Ver­ständ­nis über Ri­chard Wag­ner er­wei­tert hat. Von den be­we­gen­den Re­den bis zur in­ten­si­ven mu­si­ka­li­schen Zu­sam­men­ar­beit und den fas­zi­nie­ren­den Ein­bli­cken in das Fest­spiel­haus – all die­se Mo­men­te ha­ben mei­ne Lei­den­schaft für Mu­sik ver­tieft und auf eine neue Ebe­ne ge­ho­ben. Ich bin zu­tiefst dank­bar für die Un­ter­stüt­zung durch die Mit­glie­der und den Vor­stand des Ri­chard-Wag­ner-Ver­bands Bam­berg mit Ha­rald Schnei­der, die dies er­mög­licht ha­ben. Ein be­son­de­rer Dank geht auch an Ste­pha­nie Anna Koll­mer, die Ge­schäfts­füh­re­rin der Ri­chard Wag­ner Sti­pen­di­en­stif­tung, für ih­ren un­er­müd­li­chen Ein­satz sei es in der Or­ga­ni­sa­ti­on oder in Fra­gen al­ler Art. Die­se Er­fah­rung wird mich auf mei­nem mu­si­ka­li­schen Weg wei­ter be­glei­ten, und ich freue mich, hof­fent­lich ganz bald die Bay­reu­ther Fest­spie­le wie­der zu besuchen.

Für In­ter­es­sier­te gibt es ei­nen pri­va­ten Mit­schnitt mei­nes Kon­zert-Auf­tritts auf You­tube: https://​you​tu​.be/​9​c​o​U​q​g​2​C​b​l​c​?​s​i​=​J​D​R​6​h​L​0​D​b​7​C​H​D​6xA