Patrice Chéreau, der geniale Regisseur nicht nur des Jahrhundert-„Rings“ in Bayreuth, ist heute vor zehn Jahren im Alter von 68 Jahren seinem Lungenkrebs erlegen.
Es ist sicher kein Zufall, dass der vierteilige Bühnenabschied der wunderbaren Sängerin Waltraud Meier heute in der „Elektra“-Inszenierung an der Staatsoper Unter den Linden beginnt. Am 7. Oktober 2013 ist Meiers Lieblings-, nein Lebensregisseur Patrice Chéreau seinem Krebsleiden erlegen. Dass es insgesamt vier Abende sind – die weiteren Aufführungen finden am 11., 14. und 20. Oktober statt –, liegt auf der Hand: Die Sängerin hat in ihrer langen Laufbahn immerhin vier Projekte mit dem Regisseur realisieren können: Zuerst war sie in Paris (ab 1992) und Berlin (ab 1994) unter Daniel Barenboim in Alban Bergs „Wozzeck“ die Marie, es folgte Wagners Isolde in Mailand (ab 2007, ebenfalls unter Barenboim), danach unter anderem auch in New York, 2010 in Paris die im Louvre inszenierten Wesendonck-Lieder und zuletzt 2013 in Aix en Provence „Elektra“ von Richard Strauss, eine Koproduktion mit dem Teatro alla Scala di Milano, der Staatsoper Unter den Linden (unter Barenboim), der Metropolitan Opera New York, der Finnish National Opera Helsinki und dem Gran Teatre del Liceu Barcelona. Daniel Barenboim war ursprünglich auch für die vier Abschiedsabende Waltraud Meiers an „seinem“ Haus als Dirigent eingeplant. Seinen Nachruf auf Chéreau von 2013, der zuerst in der „Zeit“ erschienen ist, können Sie hier nachlesen. Und im „Elektra“-Programmheft der Berliner Staatsoper (der Download befindet sich ganz am Ende aller Texte zu den aktuellen Aufführungen) gibt es einen Dialog zwischen Dirigent und Regisseur, der für das Gros aller Opernbesucher erhellend sein dürfte.
Weitere Nachrufe, die sich lohnen, sind von Eleonore Büning aus der F.A.Z., von Wolfgang Höbel aus dem „Spiegel“ und Rüdiger Schaper im „Tagesspiegel“. Gerne verweise ich auch auf meine Hommage zu Chéreaus 75. Geburtstag. Und auf arte – wo sonst – gibt es aktuell gleich zwei Streaming-Angebote, die sich unbedingt lohnen: Erstens die Aufzeichnung der „Elektra“-Produktion aus Aix en Provence (bis 7.11.2023), in der mit Donald McIntyre und Franz Mazura noch einige „Ring“-Veteranen aus Bayreuth mitwirken, und zweitens der Film „Patrice Chéreau, Frankreichs Theatergenie“, der im französischen Original so viel schöner „Patrice Chéreau – irrestisiblement vivant“ heißt, aber getrost in der deutschsprachigen Version angeschaut werden sollte, denn man hört ihn dort (mit Untertiteln), wie so oft, viel zu schnell sprechen (bis 30.12.2023). Die Oper kommt in diesem Film vielleicht ein bisschen kurz, es gibt aber vieles zu seinem Leben, seinem Werdegang und seiner Arbeitsweise zu erfahren, das hierzulande weniger bekannt ist. Und – damit schließt sich der Kreis zu Waltraud Meier eingangs – spiegelt der Film auch, dass Patrice Chéreau von den meisten Schauspielern, Sängern, Musikern, Dirigenten, Bühnenbildnern, Choreographen und Mitarbeitern aller Art, mit denen er zu tun hatte, schlicht und einfach geliebt wurde.
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