„Überwältigend lebendig“

Pa­tri­ce Ché­reau, der ge­nia­le Re­gis­seur nicht nur des Jahrhundert-„Rings“ in Bay­reuth, ist heu­te vor zehn Jah­ren im Al­ter von 68 Jah­ren sei­nem Lun­gen­krebs erlegen.

Pa­tri­ce Ché­reau im Au­gust 1977, auf­ge­nom­men im Ho­tel Gol­de­ner An­ker, wo er bis 1980 wäh­rend der Fest­spiel­zeit lo­gier­te. Foto: ©Yoi­chi­ro Uehara

Es ist si­cher kein Zu­fall, dass der vier­tei­li­ge Büh­nen­ab­schied der wun­der­ba­ren Sän­ge­rin Wal­traud Mei­er heu­te in der „Elektra“-Inszenierung an der Staats­oper Un­ter den Lin­den  be­ginnt. Am 7. Ok­to­ber 2013 ist Mei­ers Lieb­lings-, nein Le­bens­re­gis­seur Pa­tri­ce Ché­reau sei­nem Krebs­lei­den er­le­gen. Dass es ins­ge­samt vier Aben­de sind – die wei­te­ren Auf­füh­run­gen fin­den am 11., 14. und 20. Ok­to­ber statt –, liegt auf der Hand: Die Sän­ge­rin hat in ih­rer lan­gen Lauf­bahn im­mer­hin vier Pro­jek­te mit dem Re­gis­seur rea­li­sie­ren kön­nen: Zu­erst war sie in Pa­ris (ab 1992) und Ber­lin (ab 1994) un­ter Da­ni­el Ba­ren­bo­im in Al­ban Bergs „Woz­zeck“ die Ma­rie, es folg­te Wag­ners Isol­de in Mai­land (ab 2007, eben­falls un­ter Ba­ren­bo­im), da­nach un­ter an­de­rem auch in New York, 2010 in Pa­ris die im Lou­vre in­sze­nier­ten We­sen­don­ck-Lie­der und zu­letzt 2013 in Aix en Pro­vence „Elek­tra“ von Ri­chard Strauss, eine Ko­pro­duk­ti­on mit dem Tea­t­ro alla Sca­la di Mila­no, der Staats­oper Un­ter den Lin­den (un­ter Ba­ren­bo­im), der Me­tro­po­li­tan Ope­ra New York, der Fin­nish Na­tio­nal Ope­ra Hel­sin­ki und dem Gran Teat­re del Li­ceu Bar­ce­lo­na. Da­ni­el Ba­ren­bo­im war ur­sprüng­lich auch für die vier Ab­schieds­aben­de Wal­traud Mei­ers an „sei­nem“ Haus als Di­ri­gent ein­ge­plant. Sei­nen Nach­ruf auf Ché­reau von 2013, der zu­erst in der „Zeit“ er­schie­nen ist, kön­nen Sie hier nach­le­sen. Und im „Elektra“-Programmheft der Ber­li­ner Staats­oper (der Down­load be­fin­det sich ganz am Ende al­ler Tex­te zu den ak­tu­el­len Auf­füh­run­gen) gibt es ei­nen Dia­log zwi­schen Di­ri­gent und Re­gis­seur, der für das Gros al­ler Opern­be­su­cher er­hel­lend sein dürfte.

Pa­tri­ce Ché­reau als Sieg­fried-Dar­stel­ler am 20. Au­gust 1977, oben mit Mat­ti Sal­mi­nen als Faf­ner, un­ten mit Brünn­hil­de Gwy­neth Jo­nes und Sieg­fried-Sän­ger René Kol­lo beim Schluss­ap­plaus auf der Büh­ne hin­ter dem Vor­hang – Fo­tos: Wil­helm Rauh/​Bayreuther Festspiele

Wei­te­re Nach­ru­fe, die sich loh­nen, sind von Eleo­no­re Bü­ning aus der F.A.Z., von Wolf­gang Hö­bel aus dem „Spie­gel“ und Rü­di­ger Scha­per im „Ta­ges­spie­gel“. Ger­ne ver­wei­se ich auch auf mei­ne Hom­mage zu Ché­re­aus 75. Ge­burts­tag. Und auf arte – wo sonst – gibt es ak­tu­ell  gleich zwei Strea­ming-An­ge­bo­te, die sich un­be­dingt loh­nen: Ers­tens die Auf­zeich­nung der „Elektra“-Produktion aus Aix en Pro­vence (bis 7.11.2023), in der mit Do­nald Mc­In­ty­re und Franz Ma­zu­ra noch ei­ni­ge „Ring“-Veteranen aus Bay­reuth mit­wir­ken, und zwei­tens der Film „Pa­tri­ce Ché­reau, Frank­reichs Thea­ter­ge­nie“, der im fran­zö­si­schen Ori­gi­nal so viel schö­ner „Pa­tri­ce Ché­reau – ir­res­ti­si­blem­ent vi­vant“ heißt, aber ge­trost in der deutsch­spra­chi­gen Ver­si­on an­ge­schaut wer­den soll­te, denn man hört ihn dort (mit Un­ter­ti­teln), wie so oft, viel zu schnell spre­chen (bis 30.12.2023). Die Oper kommt in die­sem Film viel­leicht ein biss­chen kurz, es gibt aber vie­les zu sei­nem Le­ben, sei­nem Wer­de­gang und sei­ner Ar­beits­wei­se zu er­fah­ren, das hier­zu­lan­de we­ni­ger be­kannt ist. Und – da­mit schließt sich der Kreis zu Wal­traud Mei­er ein­gangs – spie­gelt der Film auch, dass Pa­tri­ce Ché­reau von den meis­ten Schau­spie­lern, Sän­gern, Mu­si­kern, Di­ri­gen­ten, Büh­nen­bild­nern, Cho­reo­gra­phen und Mit­ar­bei­tern al­ler Art, mit de­nen er zu tun hat­te, schlicht und ein­fach ge­liebt wurde.

Pa­tri­ce Ché­reau und das „Elektra“-Ensemble bei sei­ner letz­ten Pre­mie­re in Aix en Pro­vence. Das Bild wur­de auch für die Ein­la­dung zu sei­ner Trau­er­fei­er ver­wen­det. – Foto: © Pas­cal Victor/​ArtcomArt

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